50 Jahre Kita Schöne Aussicht – „Wir verdanken Ihnen unglaublich viel!“

Kita-Leiterin Gabi Krieger erhebt, hier mit einem Teil des Kita-Teams (das andere bedient gerade die Gäste), das Glas auf gelungene 50 Jahre Kita Schöne Aussicht. Links neben ihr ihre Stellvertreterin Anna Schneider, rechts außen die Leiterin des Referats Fachbereich „Soziales, Kultur und Bildung“, Angelika Hartmann und Bürgermeister Christoph König.

Fotos: Westenberger

Oberhöchstadt (mw) – „Wir als Gesellschaft brauchen Sie, und wir und unsere Kinder verdanken Ihnen unglaublich viel!“ Mit diesen Worten dankte Bürgermeister Christoph König (SPD) dem Team der städtischen Kita Schöne Aussicht für 50 erfolgreiche Jahre Erziehungsarbeit. Längst sei Kinderbetreuung keine Aufbewahrung mehr, sondern ein wichtiger Abschnitt der frühkindlichen Bildung. „Und sie fängt vieles auf, was Familien heute nicht mehr leisten können: Sprache, Motorik, Sozialverhalten“, weiß König, der locker und humorvoll einen kurzen Überblick über die wandlungsvolle Geschichte der Kindererziehung gab. Das Konzept von Friedrich Wilhelm August Fröbel, der 1840 in Blankenburg den ersten Kindergarten gründete, war: „Mütter lernen ihre Kinder zu erziehen!“ Doch Preußen verbot die Kindergärten, Fröbels Ideen wurden als „verderblich und völlig haltlos“ eingestuft. Auch wenn dieses Verbot schnell bald wieder aufgehoben wurde, waren es 1919 gerade mal 13 Prozent der Kinder, die in Deutschland eine solche „Kinderbewahranstalt“ besuchten, blickte König auf die Geschichte der Pädagogik zurück. Auch die Pädagogik Maria Montessoris sei mit der Machtergreifung der Nazis schnell wieder ausgebremst worden, die „die Kindergärten nutzten, um kleine Jungs zu deutschen Soldaten und kleine Mädchen zu deutschen Müttern zu formen. Dieses Erbe musste man erst mal wieder loswerden“, stellte er fest.

Auch Angelika Hartmann, Leiterin des Referats Fachbereich „Soziales, Kultur und Bildung“, die selbst von 1982 bis 2010 Leiterin der Kita Schöne Aussicht war, erinnerte an den Einfluss der verschiedenen Strömungen innerhalb der Gesellschaft auf die Kindergartenpädagogik, an die Studentenbewegungen, freies Denken, offene Liebe und Befreiung von Normen, Laisser-faire-Stil, antiautoritäre Erziehung, Verschulung des Kindergartens, Kindergartengesetznovellierungen und an die veränderten Familienstrukturen.

Diese machten es, wie König zuvor betont hatte, für Alleinerziehende und Doppelverdiener zwingend erforderlich, dass Kita-Plätze ausreichend zur Verfügung stehen. „Das hat auch der Staat erkannt und hat mit Einführung des Rechtsanspruchs reagiert und die Kommunen baden es aus, weil Fachkräfte fehlen.“

König legte hier den Finger in die Wunde: Für ihn liege der Fachkräftemangel einerseits an dem Missverhältnis zwischen der Ausbildung, die teuer ist, lange dauert, Verantwortungsübernahme erfordere, diese aber schließlich nicht angemessen vergüte. Andererseits aber ist er überzeugt, dass der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern auch an der fehlenden Anerkennung des Berufs in Deutschland liegt. Das sei in anderen Ländern nicht so. „Bei uns gilt immer noch, Kindererziehung kann doch jeder! Das müssen wir ändern“, appellierte König an die Jubiläumsgäste im Foyer der städtischen Kita in Oberhöchstadt. An diesem Tag will man die Erzieherinnen und Erzieher hochleben lassen, denn gerade nach den harten Corona-Zeiten wüssten alle, was sie geleistet hätten und leisten würden, sagte er. „Und trotzdem sind sie jeden Tag hier und kümmern sich um unsere Kinder!“

Als Geschenk gab es von der Stadt Module für eine Wandkugelbahn, die sich das Team der Schönen Aussicht für die Kinder gewünscht hatte.

Hartmann freute sich, dass in der Schönen Aussicht immer wieder engagierte Erzieherinnen und Erzieher all die genannten Zeitströme hindurch neue Formen der Bildungsarbeit eingearbeitet hätten. „Es wurden Konzepte entwickelt und auf das Wohl der Kinder und deren Bedürfnisse mit Belangen der Eltern abgestimmt.“ Zu jeder Zeit hätten die Erzieher den Kindern ermöglicht, „mit Freude und Spaß am Tun zu begreifen“.

Gabi Krieger, die Leiterin der Kita Schöne Aussicht, durfte viele Ehemalige, Erzieherinnen, Kinder und Eltern der Kita begrüßen sowie den Posaunenchor aus Kelkheim, der die Reden musikalisch umrahmte. Natürlich ließ auch sie es sich nicht nehmen, an die vielen Veränderungen im Laufe der 50 Jahre zu erinnern. Wem nach noch mehr Wissen dürstete, der konnte sich eine Festschrift mit nach Hause nehmen, die in Zusammenarbeit mit einem Kita-Vater entstanden war. Gerade dieser Zusammenhalt, die Verbundenheit mit dem Ortskern und seinen Bewohnern und die Tradition der zahlreichen Veranstaltungen, die die Kita Schöne Aussicht seit 50 Jahren jedes Jahr wieder auf die Beine stellt – wie das große Sommerfest für die Kinder, der Oma-Opa-Nachmittag oder der Nikolaustag und der St. Martinsumzug – , waren es, die von allen Rednern als etwas ganz Besonderes gelobt wurden. Als ehemaliges „Schöne Aussicht“-Kind habe sie im Familien- und Bekanntenkreis herumgefragt und festgestellt, dass es vielen anderen, die in der „Schönen Aussicht“ Kindergartenkind sein durften, ähnlich gehe wie auch ihr, sagte Viktoria Frey, die für den Elternbeirat sprach. Sie blicke auf viele positive Erinnerungen an diesen „besonderen Ort“ zurück.

Zur Auflockerung an diesem Festabend hatte Gabi Krieger auch die Kinder zu Wort kommen lassen. Per Videoaufnahme erzählten sie zwischendurch munter, was sie in der Kita am liebsten spielten und mit wem und verrieten auch, was sie gerne von hier in die Schule mitnehmen würden – „den Flur!“

Nach dem Dank an das Team und vor der Coverband „Reload“, die zur Geburtstagsparty in den großzügigen Kita-Garten einlud, hatte Gabi Krieger noch eine Überraschung für die Gäste: Sie hatte Gertrude Schneider, Erzieherin der ersten Stunde in der Kita Schöne Aussicht, eingeladen, von „damals“ zu erzählen. Sie berichtete anschaulich von den Anfängen, als alles neu war, das Haus noch ohne Kinder, mit neuen Erziehern und noch ohne Konzept, bis hin zur Brandnacht 1990, nach der alles zerstört war und das zwischenzeitlich viel größere Team wieder von vorne anfangen musste. Bei all den aktuellen Herausforderungen wünschte sie dem aktuellen Erzieherteam, „nicht die Freude an den Kindern zu verlieren, sondern ihnen den Grundstein für eine positive Entwicklung zu geben“.

Dankesworte hatte auch der Förderverein vorbereitet, der ein tolles Jubiläumsgeschenk ankündigte: eine Bank, gefertigt aus einem Holzstamm vom Oberurseler Künstler Hendok, in dem die Tiere auftauchen, die für die verschiedenen Kita-Gruppen stehen.

Nach einem ebenfalls per Video eingespielten Geburtstagsständchen der Kita-Kinder ging es fließend in den entspannten Teil des Abends über. Bei kühlen Getränken, Grillwürsten und fetzigen Klängen der Band „Reload“ aus der Wetterau wurde die Wiedersehensfreude mit vielen Ehemaligen gefeiert und sich ausgiebig über die lieben Kleinen ausgetauscht, die längst nicht mehr so klein sind, wie sie es mal waren, sondern die inzwischen selbst kurz vor ihrem Schulabschluss stehen oder längst schon in der Ausbildung sind.

Die Stimmung war fröhlich bis ausgelassen, auch wenn sich angesichts der Wiedersehensfreude erst zu den letzten Stücken der Band einige Tanzwütige mehr vor der Bühne einfanden.

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