Ausgelassene Fastnacht beim KV 02 mit Feen, Elfen und gefakten Funkenmariechen

Fichtegickelshausen (hhf) – „Herzlich willkommen“ steht in großer Schrift an der Wand neben dem Eingang und davor tanzen sich die Garden schon einmal warm. Sicherlich, nein sichtlich hat die Gastronomie im Haus Altkönig ihren Anteil an der guten Laune, aber auch das Publikum glänzte durch teils ausgefallene Kostüme. Pumuckl tobte mit den Kindern vom Miniballett vor der Bühne, Piraten und absolutistische Herrscher vertilgten Currywurst oder Pljeskavica, während nebenan Neandertaler den Sträfling bewunderten, dessen Kumpan gerade aus seiner Hose entflieht.

Der Gickel flog über das Fichtennest

Der Gickel flog also über das Fichtennest, noch bevor das Bühnenprogramm überhaupt begonnen hatte, doch da hatten alle volles Vertrauen: „Das ist immer gut“. Außer, wenn der Ton nicht kommt (uiuiui-auauau), aber so ist es eben mit moderner Technik, da dauert es mal einen Versuch länger – zur Entschädigung hatte Sitzungspräsident Orlando Kieser jeweils den passenden, trockenen Spruch auf den Lippen. Kurzentschlossen änderte der KV 02 die Tagesordnung der Fremdensitzung: „Schunkeln bis der Ton da ist“, ein paar Tulpen wanderten nach Amsterdam und dann wurde die Sitzung mit dreifach donnerndem Helau gebührend eröffnet: „Schön, dass Sie sich heute Abend für uns entschieden haben!“

Nach der Begrüßung der reichlich anwesenden „Special-Guests“ zeigten die Balletts schon beim Einmarsch was sie drauf haben, je nach Alter brachten sie den „Wickie“ auf die Bühne oder hoben von ihr ab, wozu sie kunstvolle Figuren einsetzten, zeitweise sah die Reihe von Pyramiden eher wie der römische Grenzwall aus, unüberwindlich.

Temmen geht mit Kieser

„Es wadde hat sisch also gelohnt“, bilanzierte Kieser und bat das Publikum, sich zu erheben, da Prinzessin Vanessa nebst Hofstaat aus Oberursel Einzug halten wollte. „Des is hier wie in de Kersch“, seufzte ein Sitznachbar, der sich gerade erst hingesetzt hatte, doch die Stühle scheinen in Heckstadt eher zum Draufsteigen als zum Sitzen gestellt zu werden, das Volk in der Narrhalla stand jedenfalls überwiegend vor Begeisterung.

Nachdem Vanessa wohlgereimt mehr Frauenpower angemahnt hatte, gab Bürgermeister Klaus E. Temmen den Rathausschlüssel ab, allerdings an Herrn Orlando, so viel Männerbewusstsein war schon noch angesagt. „Heckstadt ist mir ans Herz gewachsen“, bekannte der Rathauschef, der noch in diesem Jahr seinen Hut nehmen will, doch nicht alleine: Sitzungspräsident Orlando Kieser hat 2020 ebenfalls als das Jahr zum Absprung auserkoren – sein Nachfolger steht allerdings mit Andreas Risse schon fest. Beide Herren werden aber wohl der Fichtegickel-Fassenacht nicht fern bleiben, darauf bestehen die übrigen Narren vehement – der Orlando könnte seine Sprüche von der Bütt aus verbreiten und der Klaus wieder mehr Musik machen, so die allgemeine Wunsch-Lage im Saal.

Protokoller orakelt

Diese Wünsche waren auch Protokoller Hans-Georg Kaufmann schon aufgefallen, er widmete sich aber vor allem dem anstehenden Wechsel im Rathaus, wo drei Kandidaten sich bewerben Klaus Temmen zu beerben. Erleichtert, dass die AfD sich mit der „Glatz mit Ohrn“ in Thüringen beschäftigte und nicht mit dem Kronberger Bürgermeistersessel, präsentierte er die aktuellen Kandidaten: „Das Phantom der FDP, bum, bum, es Beckerche und Christoph König“, dem der Protokoller ohne die SPD im Rücken mehr Chancen einräumte.

Warum zwischendurch die Affen im Krefelder Zoo angesprochen wurden, sei dahingestellt, dann tat er ausführlich „Berichte über Klaus E. Temmens Erfolgsgeschichte“, die auch einige Wohltaten für Fichtegickelshausen einschloss: „An dieser Stelle zieh‘ ich hier, mein lieber Klaus, den Hut vor Dir“.

Eingebettet in die große Politik in Deutschland („Trotz dieser immensen Kosten hat der Trottel noch sein Posten“) und „Johnson, Trump und andre Wichte“ warb der Schriftführer schließlich noch für die Eintracht Frankfurt (Gelächter im Saal) und hatte einen prinzipiell angemessenen Vorschlag, wohin sich die Ultras ihre brennenden Bengalos stecken könnten, den wir an dieser Stelle aber nicht wiedergeben, zum Wohle unserer jungen Leser.

Marsch oder Volksmusik?

Unter dem Titel „Marsch“ feierte die mittlere Garde eher eine Apres-Ski-Party – übrigens in neuen Kostümen – auf der Bühne, ihre Beine erreichten problemlos Kopfhöhe und das Publikum im Saal stand schon wieder. Dafür saß der Puppen-Pfarrer von Bauchredner Christoph Quernheim ebenso sicher wie die Pointen, die den menschlichen Messdiener mehrfach in Verlegenheit brachten: „Is das ne coole Kirche hier“, befand Hochwürden und war bereit, die Idee mit dem Bier sofort zu übernehmen – auf die 7 Plagen im Elferrat hinter sich wollte er hingegen gern verzichten. „Der Herr hat dich geschaffen und der Teufel wird dich holen“, warnte der Adlatus und: „Red‘ keinen scheiß“, doch „zu spät“, konterte der Pfarrer und erzählte noch von dem Kronberger, der nach einem Unfall mit der Kettensäge zwei Oberhöchstädter Ohren als Organspende bekommen hat: „Nach drei Tagen haben die Ohren den Körper abgestoßen...“

Bis zur Hochzeit und weiter

Im Ausgleich dazu präsentierte sich die große Garde mit äußerst anziehenden Körpern (samt Ohren) und führte schon beinahe ein Kurz-Musical auf, Thema „Love“ noch nachträglich zum Valentinstag. Mit ausgeklügelten Kostümen und Bühnenbildern begleiteten sie die Hauptakteurin vom Kennenlernen des Lebenspartners bis zur Hochzeit: „Weiß der Geier oder nicht, ganz egal, ich liebe dich“.

Anneliese Hecking und Ulrich Heinecke entwickelten anschließend das Happy-End der Hochzeit um einige Kapitel weiter, das „streitbare Ehepaar“ liegt sich nach eigenem Bekenntnis schon 20 Jahre in den Haaren: Dinosaurier, Mitgiftjäger, Nebelkrähe oder Bettnässer waren da noch freundliche Anreden. „Dein Vater selbst hat mich gewarnt, dich je zur Frau zu nehmen, weil aus nem Mutterleib stets Dracheneier kämen“, seufzte der „Unhold“, und seine bessere Hälfte, die außer mit den Nachbarn nun auch schon mit dem Goldfisch Krach hat, konterte: „Der ist nicht zu gebrauchen, den kann man nicht mal mit Genuss in einer Pfeife rauchen!“

Feen, Elfen und schwule Hummel

Gut, dass die kleine Garde sich in dieser Zeit hinter der Bühne warm gemacht hatte, so retteten sie mit einer wunderbar choreografierten Neuinterpretation des Märchens „Cinderella“ den Glauben an das Gute im Menschen – obwohl die kleinen Mäuse in ihrer Mitte die eigentlichen Stars waren. Da war natürlich eine Zugabe angesagt, daher die Frage des ordensverteilenden Präsidenten: „Können die damit tanzen oder erschlagen sie sich dann gegenseitig?“ Deutlich weniger zartbesaitet outete sich dagegen Olga Orange als „schwule Hummel“, die den freien Sex forderte: „Sogar mein Schäferhund ist geimpft“. In ihrem aus Stringtangas und Omas Gardinen selbstgeschneidertem Kleid entwickelte sie das Programm „Schwimmen mit Delfinen“ schnell zum Bad mit Krokodilen für die Schwiegermutter weiter, streifte dabei durch den Saal (alle schunkeln, wer nicht mitmacht, muss heute Abend mit mir ins Bett“) und empfahl die Kohlsuppen-Diät: „Kack dich schlank!“

Toni, Max und Orlando

Max Landvogt steht nun wieder auf Frauen – sofern sie nicht aus Kronberg kommen – sucht diese aber lieber zeitgemäß in den sozialen Netzwerken. Das hätte der pfiffige Bub aber beinahe nicht kundtun können, denn sein Bühnenpartner Toni Portzi hatte ihm den Auftritt verheimlicht: „Letztes Jahr hat mich der Knirps so veräppelt!“ Doch der junge Mann hatte Wind von der Sache bekommen („Du sollst net alls am Oregano schnüffeln“) und trat ohne Furcht erneut ins Rampenlicht: „Wenn ich nicht lustig bin, schieb‘ ich‘s auf dich oder meine Erziehung.“ Gut erzogen, witzig und doch nicht so lustig präsentierte sich Orlando Kieser nach der Pause, dabei war er selbst schuld: Nach 20 Jahren als Sitzungspräsident bedankte sich „der Chef“ noch einmal beim Publikum für die jahrzehntelange Aufmerksamkeit und gab dann seinen Rückzug vom Amt bekannt: „Es ist die richtige Zeit, aufzuhören“. Unter langanhaltendem stehendem Applaus und dreifach donnerndem Orlando Helau musste er schon einige Male schlucken, doch fingen ihn die Kronberger Scherzbuben sicher auf. Gemeinsam mit Klaus Temmen gab es einen Blumenstrauß mit Luftballons und viel frohe Musik, die diesmal im Kostüm von Piraten dargeboten wurde.

Mit der schwäb‘schen Eisenbahn (Trullala) wurde der „beschissenste Bahnhof von ganz Deutschland“ in Kronberg ebenso gewürdigt wie der Brexit: „Das wollte keiner“ auf die Melodie von „Männer sind Schweine“. Unverhohlen freuten sich die Sänger über die Verstärkung des alten Weggefährten Temmen, der mit dem Bembel am Bande geehrt wurde und sie machten ihm auch Vorschläge, was er im Ruhestand alles so tun könnte, frei nach Rio Reiser: „Das alles, und noch viel mehr, würd‘ ich machen, wenn ich nicht mehr der Bürgermeister wär...“

Gefakte Funkenmariechen

Noch eine Ode an die Freiheit(lichkeit) stimmte schließlich die mittlere Garde an, deren Showtanz in bestem Disco-Glitter zu den größten Erfolgen von ABBA wieder einmal das Publikum von den Stühlen riss. Und wo die gerade schon standen, setzten die Fischdeschneggscher gerade noch einen drauf. Mit im Saal verteilten Kameradinnen fungierten sie ihre Performance zum Thema „Freddie Mercury“ schlichtweg in einen „Mitmachtanz“ um, der von Fachleuten auch als „Flashmob“ bezeichnet wurde. Dabei galt „Don‘t stop me now“ so weit, dass auch die Tische nicht mehr unbetreten blieben.

Mehr mit dem Bodenturnen beschäftigten sich im Anschluss die 3 lustigen 4, denn die fünf fröhlichen Herren traten diesmal als Funkenmariechen auf. Nicht ohne sich darüber zu beschweren, dass ihnen nun wieder ein sabbernder Elferrat auf den Bobbes schaue, berichteten sie wie üblich mit viel Musik von den Höhen und Tiefen dieser Kunstform. Einzelne Darstellerinnen tanzten alkoholgeschädigt bis zum Hexenschuss auf offener Bühne – allerdings war der radschlagende Part zuvor von Natascha Reiter gedoubelt worden. Zur halbstöckigen Pyramide schwangen sich die Musiker dann aber wieder selbst auf.

Marsch, Malle, Sektbar

Die Mädchen des kleinen Balletts saßen längst direkt vor der Bühne auf dem Boden, als die Große Garde beinahe schwebend darauf zum letzten Marsch des Abends antrat, dabei darf man aber getrost davon ausgehen, dass die „Polka“ in einer Discothek geklaut worden ist. Die kunstvolle Umsetzung ins Tänzerische war aber echt und wäre ein würdiger Schlusspunkt des Abends gewesen, aber die Ranzengarde der „Dalles Dreamboys“ hatte sich den letzten Tanz gesichert. „Mal sehen, ob Musik kommt“, zweifelte der Präsident noch einmal kurz, dann entführten ihn die sportlichen Herren auf die Lieblingsinsel der Deutschen, wo sie mit Hilfe der einschlägigen Musiktitel „reiß die Hütte ab“ spielten. Sogar der König von Malle erschien, riet „Scheiß auf Geld“ und befand: „Wir sind hier und einfach nur geil.“ Das wäre nun endlich die perfekte Überleitung zur Sektbar gewesen, doch mussten die Künstler in der Zugabe ja noch an den „Hangover“ erinnern. Das warf natürlich um volle Minuten zurück, und so brauchten die Fichtegickelshäusener erst noch ein großes Finale mit Luftballons, bevor sie sich früh am nächsten Morgen in die Sektbar begaben. Bis wann, das bleibt ein Vereinsgeheimnis – oder es steht 2021 im Protokoll.



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