Bürger fühlen den Bürgermeisterkandidaten zum „Altkönigblick“ auf den Zahn

Die durch den Abend leitenden Mitglieder der Interessengemeinschaft und die Kandidaten. Von links: IG-Sprecher Björn Westerburg, IG-Mitglied Andreas Oest, die Bürgermeister-Kandidaten Kristina Fröhlich, Andreas Becker und Christoph König sowie IG-Mitglied Uwe Lang. Foto: Puck

Oberhöchstadt (pu) – Auf Einladung der 2017 von Anwohnern gegründeten „Interessengemeinschaft (IG) Sportfeld“ stellten sich die drei aktuell bekannten Bewerber um das Bürgermeisteramt, Kristina Fröhlich (FDP), Andreas Becker (CDU) und Christoph König (unabhängig) erstmals in diesem Wahlkampf gemeinsam Fragen aus der Bevölkerung.

Im Mittelpunkt stand die seitens der Stadt Kronberg geplante Bebauung „Altkönigblick“. Es handelt sich dabei um rund 2,5 Hektar städtische Fläche, die bisher der SG Oberhöchstadt als Sportheimat diente. Die Interessengemeinschaft zielt auf die Bewahrung ihrer Nachbarinteressen und die Sicherstellung der Beteiligung am Bauvorhaben und circa 150 zum in der Mehrzweckhalle des Hauses Altkönig veranstalteten Informationsabend erschienene Bürger untermauerten, wie stark dieses Thema unter den Nägeln brennt.

Aktueller Sachstand

Vor dem Einstieg in die drei Themenblöcke „transparente Verfahrensgestaltung seitens der Stadt mit Einbindung der Bürger in den Planungsprozess“, „Infrastrukturgestaltung“ und „Finanzplanung“ umriss der ebenfalls anwesende Erste Stadtrat Robert Siedler (parteilos) den aktuellen Sachstand des Bauvorhabens. Dabei trat er mit allem Nachdruck bissigen Fragestellern entgegen. „In zahlreichen Gesprächen telefonisch oder persönlich habe ich zu hören bekommen, was wir eigentlich hinter verschlossenen Türen machen beziehungsweise still ruhe der See“, nannte Siedler Beispiele. Weder das eine noch das andere sei dagegen zutreffend, vielmehr „sind wir aus Kapazitätsgründen in der Verwaltung noch nicht soweit, uns mit der Thematik umfassend beschäftigen zu können, weil aktuell noch das Baufeld V am Bahnhof absolute Priorität hat.“ Daraus resultiere die bisher etwa eineinhalbjährige Zeitverzögerung, sobald die im Zusammenhang mit dem Baufeld am Bahnhof noch offenen Kernpunkte final geklärt seien, könne die Verwaltung wieder enger am Vorhaben „Altkönigblick“ dran sein.

Nichtsdestotrotz liege die von der Bauland-Offensive Hessen GmbH – einer Tochter der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte – erstellte Machbarkeitsstudie als Grundlage vor. Damit hat Kronberg eine Möglichkeit in Anspruch genommen, die es mittlerweile gibt. Auf Wunsch einer Kommune mit Wohnraumdefizit erstellt die Bauland-Offensive Hessen GmbH im Auftrag des Landes für die Kommune eine Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsprüfung für die ermittelten Flächen. Darüber hinaus wurden Siedler zufolge auch schon Baugrunduntersuchungen zwecks Altlastenermittlung vorgenommen. „Wir gehen momentan davon aus, dass dort nur Bauschutt lagert“, informierte er. Ob der ursprünglich angedachte Zeitpunkt Ende 2020 für eine von der Stadtverordnetenversammlung Ende 2017 beschlossene Planerwerkstatt haltbar sei, müsse sich zeigen.

Damit war der Bogen zum vom Parlament mehrheitlich abgestimmten städtebaulichen Wettbewerb sowie einer im Rahmen einer Bürgerbeteiligung von der Lokalpolitik gewollten Planungswerkstatt geschlagen, die vor allem im ersten Themenblock des Diskussionsabends im Mittelpunkt standen.

Transparenz gewährleistet

Wie alle drei Bürgermeisterkandidaten herausstrichen, ist neben der üblichen, automatisch vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung im Zuge des für das Baugebiet „Altkönigblick“ notwendigen aufzustellenden Bebauungsplans die Planerwerkstatt das geeignete Instrument, das der Bürgerschaft sowohl die Chance bietet, eigene Ideen einzubringen, als auch die geforderte Transparenz garantiert. Kristina Fröhlich betonte, „wir sind noch ganz am Anfang, bis die Bagger rollen, wird es noch dauern.“ Nach ihren Berechnungen wird das nicht vor 2024 der Fall sein. Sie ziele auf den „wichtigen Ausgleich der Interessen von Stadtplanern, Anliegern und Wohnungssuchenden, denn wir haben einen erheblichen Mangel an Wohnraum und mit Baufeld V und Altkönigblick zwei Gebiete, die uns die Chance bieten, wichtige und entscheidende Schritte für Kronberg zu machen!“ Die liberale Politikerin lenkte den Blick auf die von der Baulandoffensive erwähnte Vorgabe der Regionalplanung für einen verstädterten Siedlungstyp von 35 bis 50 Wohneinheiten, hingegen laute die erste Empfehlung der Baulandoffensive 33 Wohneinheiten pro Hektar Bruttowohnbauland, was im Endeffekt etwa Platz für 214 Einwohner auf der Baufläche bedeuten würde. „Damit kann ich in puncto Dichte schon mal eine erste Entwarnung geben.“ Fröhlich sprach sich für „eine gestaffelte Bauweise, die dem Anstieg der Altkönigstraße gerecht wird in zeitgemäßer Architektur“ aus und plädiert für eine „mehrheitsfähige Lösung“, zu der vorher „alle angehört werden sollen“.

Ähnlich äußerte sich der unabhängige Bewerber Christoph König, der ebenfalls die schon vom Gesetzgeber vorgeschriebene Einhaltung der Vorgaben des B-Planverfahrens anführte, über diese nach seiner Aussage „verhältnismäßig wenige Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus“ stehe der Stadt jedoch frei „mehr zu machen und das Projekt ruft danach mehr zu machen!“ Zunächst müssten allerdings die Ergebnisse aller Untersuchungen auf dem Tisch liegen, dann könne man „ein 2,5 Hektar großes weißes Papier an die Wand pinnen und Häuser drauf verteilen.“ Bisher gibt es lediglich die schon erwähnte Skizze der Baulandoffensive sowie eine im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts entstandene. Sobald die Bürger in den Planungsprozess eingebunden werden, „wünsche ich mir wieder so einen vollen Saal wie heute, denn die Breite muss zum Meinungsaustausch da sein, dann kann man auch gute Ergebnisse erzielen, um das weitere Verfahren voranzutreiben!“

Schatz

Das im Eigentum der Stadt befindliche Baugelände „ist ein Schatz“ vor dem Hintergrund Wohnungen schaffen zu wollen für Normalverdiener, die, das sei die bittere Realität seit Jahren, „hier häufig keine bezahlbare Wohnung finden beziehungsweise nur durch viel Glück oder nach ewig langer Suche.“ Handlungsbedarf sei zwingend angezeigt, denn „sonst verlieren wir dauerhaft einen erheblichen Teil der Bevölkerung, die hier in Kindertagesstätten, in Altenwohnheimen oder als Handwerksgesellen arbeiten.“ Als Eigentümer könne die Stadt die Mieten selbst steuern. Das von der Baulandoffensive vorgeschlagenen Konzept mit circa 50 Wohneinheiten im Geschosswohnungsbau und 30 Wohneinheiten als Ein- und Zweifamilienhäuser bezeichnete er als „verträglich mit dem Gelände“, König schwebt eine moderne und nach heutigen Standards realisierte Bauweise vor mit Durchgrünung. „Durch die Hanglage kann man sehr gut mit dem Geländeverlauf arbeiten, ich bin davon überzeugt, das kriegen wir hin!“

CDU-Bürgermeisterkandidat Andreas Becker erinnerte, direkt nach dem Stadtverordnetenbeschluss von 2017 sei es die CDU gewesen, die eine erste Veranstaltung zu diesem Thema durchgeführt habe, um mit den Bürgern direkt in den Dialog zu treten. Ohne „Vor-Festlegung sollten alle Interessierten mitmachen können. Ich kann mir gut vorstellen, mit Legosteinen zu arbeiten, um einen Eindruck davon zu erhalten, wie hoch Gebäude werden.“ Er stehe für Durchmischung und Schaffung sanfter Übergänge. Seiner Beobachtung nach fehlen in allen drei Stadtteilen Wohnungen „in allen Formen und Preislagen“. Es gelte die soziale Struktur zu bewahren. Der Christdemokrat sprach von einer Chance, eine Richtschnur für künftige Wohnbebauung zu erhalten und erinnerte an das von ihm und seiner Partei favorisierte Einheimischenmodell bei der Vergabe von Wohnungen.

Aus dem Publikum heraus wurde in Ergänzung des ersten Themenblocks die Befürchtung geäußert, nach dem Umzug der SG Oberhöchstadt könnte die brach liegende Fläche womöglich verwildern bis zum Baustart. Diese Sorgen nahm Erster Stadtrat Rolbert Siedler: „Die brach liegende Fläche werden wir einsäen oder beackern, jedenfalls Wildwuchs vermeiden, denn wir wollen auf gar keinen Fall nachher dort Flora und Fauna finden, die das Bauvorhaben verhindern würde!“ Eine weitere Frage drehte sich um die Zukunft des Jugendhauses am momentanen Standort. Alle drei Kandidaten einte der Gedanke, solange das Jugendzentrum dort so gut angenommen werde, soll es ihrer Meinung nach dort erhalten bleiben. Nichtsdestotrotz müsse dies regelmäßig überprüft werden. Fröhlich erinnerte in diesem Zusammenhang an ein Projekt der Altkönigschule mit acht bis zehn Vorschlägen der Jugendlichen, „wo sie ihr Zuhause sehen, um nicht am Berliner Platz herumlungern zu müssen. Diese Pläne liegen bei der Stadt nicht in der Schublade, sondern auf dem Tisch!“

Viel Raum nahm auch die Diskussion ein, ob das Bauvorhaben eher von einem Eigenbetrieb der Stadt (Wohnungswirtschaft) oder einer Wohnungsbaugesellschaft realisiert werden sollte, ob Erbpacht eine Rolle spielen sollte. Zu Letzterem gibt es ganz offensichtlich eine Menge Vorbehalte in der Bevölkerung, dazu sagte final jedoch Erster Stadtrat Robert Siedler, das Erbbaurecht alter Prägung sei sicher ungeeignet, demgegenüber würden beispielsweise Ulm und Tübingen mit Erbbaurecht moderner Prägung erfolgreich arbeiten.

Wie erwartet brennt den Anliegern neben der Frage der Verdichtung und der harmonischen Einfügung des Bauvorhabens insbesondere die künftige Verkehrssituation unter den Nägeln.

Spielregeln und Optionen

Laut Kristina Fröhlich ist dieses Problem schon jetzt „eine Zumutung“, aus ihrer Sicht sollte eine Entlastung in Richtung Norden in den Fokus gerückt werden. In diesem Zusammenhang warf sie eine alte Idee in die Diskussion – eine „per dünner Schneise geschaffene Anbindung der Altkönigstraße an die alte B 455 samt kleinem Kreisel.“ Der Vorteil wäre, „wir kämen in beide Richtungen und die jetzige Verbindung zur B 455 könnten wir aufforsten.“ Dazu müsse natürlich Hessen Mobil früh ins Boot geholt werden, um die Realisierbarkeit abzuklopfen. Allen, die diesen Vorschlag prompt mit höhnischem Gelächter begleiteten, entgegnete sie herausfordernd: „Es lohnt sich immer, Themen neu anzustoßen, Spielregeln und Chancen ändern sich!“

Christoph König lenkte den Blick auf allein 4.112 Quadratmeter Verkehrsfläche, die im Konzept der Bauoffensive im Plangebiet aufgeführt ist und schlug vor, neue Wege abzuklopfen, sei es die Stellplatzvorgabe oder das mobile Verhalten der Bevölkerung durch Umsatteln auf Räder oder dem ÖPNV. „Auch der Verkehr ist nicht für die Ewigkeit, sondern unterliegt Veränderungen. Jeder muss sich an die eigene Nase fassen und bewusst sein, wenn er Verkehr erzeugt, muss er auch ertragen, wenn andere dies tun!“ In diesem Zusammenhang wäre man wieder beim Thema der 2021 anstehenden Stadtbus-Ausschreibung und der Frage, was man sich leisten wolle und was nicht. Des Weiteren warf der unabhängige Bewerber die Idee in den Raum, sich bei anderen Städten und Landkreisen mal umzusehen. „In Offenbach gibt es beispielsweise ein Rufbus-Konzept namens Hopper, das sich guter Nachfrage erfreut.“ Beim Stadtentwicklungskonzept wird bekanntlich die Mobilität ebenfalls beleuchtet. Auch die Option der Anbindung an die B 455 sei sicherlich ein Thema, „was wir allerdings nicht heute oder morgen umgesetzt bekommen.“ Andreas Becker sah das genauso. Eine alternative Idee hatte er allerdings keine parat. Die Frage eines Zuhörers, warum das Verkehrsgutachten nicht schon zum jetzigen Zeitpunkt durchgeführt werden könne, beantwortete Christoph König: „Das liegt daran, dass für den formellen Prozess benötigte Gutachten nur begrenzt alt sein dürfen, sprich, man will mit zeitnah erfassten Zahlen arbeiten.“

Hinsichtlich der kompletten Infrastruktur, darunter Kita und Wasser- und Abwasserversorgung, einte alle Kandidaten, dass mit aller Sorgfalt geplant werden müsse. Der CDU-Kandidat gab den ergänzenden Hinweis, auch den Schulentwicklungsplan nicht zu vergessen.

Als finaler Block kam noch die Finanzierungsfrage an die Reihe. Während sich Andreas Becker konsequent gegen die Bebauung durch einen Eigenbetrieb der Stadt aussprach, weil dies seiner Überzeugung nach verteuernde Auswirkungen hätte, hatte Kristina Fröhlich die Vorschläge des Bauoffensive-Konzept schon einmal durchgerechnet und kam auf Mietpreise „mit denen wir gefühlt leben können“. Sowohl sie als auch Christoph König gaben zu bedenken, bezüglich der Optionen und daraus resultierenden Zahlen sei „noch alles offen, um damit zu spielen“. Nach knapp drei Stunden regen Austausches endete der Informationsabend. Das Veranstaltertrio der IG Sportfeld, Björn Westerburg, Uwe Lang und Andreas Oest, zeigte sich beeindruckt vom großen Interesse und versicherte „am Ball zu bleiben.“

Die angesprochenen Modelle aus dem Stadtentwicklungskonzept und der Bauland-Offensive Hessen GmbH finden sich im Übrigen auf der Homepage der Stadt Kronberg unter www.kronberg.de.



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