Das Herz von „Zuckerfee“ Barbara Müller schlägt für Diabeteserkrankte

Barbara Müller mit dem „inneren Schweinehund“ aus Plüsch Foto: Puck

Oberhöchstadt (pu) – In der Burgstadt ist, vielfach belegt, eine große Anzahl Menschen beheimatet, die sich für das Wohl der Stadt und ihrer Bürger einbringen. Ein Teil ist mehr oder weniger regelmäßig in der Öffentlichkeit präsent; andere wirken nicht minder effektiv im Hintergrund.

Mitbegründerin Selbsthilfegruppe

Zur letztgenannten Gruppe zählt die in Oberhöchstadt wohnende und weit über die Stadtgrenzen als „die Zuckerfee“ bekannte Barbara Müller. Dieser liebevoll Anerkennung zollende Name drückt die tief gefühlte Dankbarkeit ungezählter zuckerkranker Patienten aus, deren Leben durch die Diabetes-, Ernährungs- und Diätberaterin DDG, die über den Beruf hinaus ehrenamtlich agiert, an deutlichem Mehrwert gewonnen hat.

In diesem Zusammenhang ist der Bogen allem voran zur Kronberger Selbsthilfegruppe „Diabetiker helfen Diabetikern“ geschlagen. Einer Interessengemeinschaft, an deren Gründung sowohl Müller als auch der verstorbene Diakon Hubert Käfer vor mehr als zwei Jahrzehnten maßgeblich beteiligt waren. Deren Gruppenleiterin Sylvia Jakobitz spricht auf die Oberhöchstädterin bezogen von einer
„Institution in Sachen Diabetes im Hochtaunuskreis“. „Mit ihrer offenen und herzlichen Art hat sie unzählige Patienten betreut und ihnen neuen Mut zur Bewältigung ihrer Krankheit gegeben“, bringt sie ihre große Wertschätzung zum Ausdruck.

Fundament

Positive Rückmeldungen wie diese sind für die nach 30-jähriger Tätigkeit in einer diabetologischen Oberurseler Schwerpunktpraxis mittlerweile im (Un)ruhestand angekommene Barbara Müller ganz offensichtlich das Elixier, das sie nach wie vor antreibt. „Unser Ziel muss es sein, jedem Patienten eine individuelle Brücke für ein Leben mit möglichst wenigen Einschränkungen und möglichst hoher Qualität zu bauen. Ein ganz wichtiger ‚Baustein‘ ist dabei das richtige Maß an Wissensvermittlung – in einer Kombination mit einer guten Diabetesschulung und -beratung. Alle zusammen bilden das Fundament einer guten Diabeteseinstellung“, bringt Müller ihre auf Erfahrung beruhende Überzeugung auf den Punkt. Zur Bekräftigung zeichnet sie das Bild der zwingenden Notwendigkeit eines perfekt sitzenden Maßanzugs durch optimale Therapie und Schulung.

Apropos Fundament. Herzlich lachend erzählt die vor Vitalität sprühende 66-Jährige, beim Start ihrer beruflichen Karriere habe sie niemals damit gerechnet, dass ihr Weg eine derartige Wendung nehmen und das Thema Diabetes eine extrem tragende Rolle dabei spielen würde. Ihre außergewöhnliche Biografie basiert auf einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung als Arzthelferin. „Schon in meinen ersten Berufsjahren in der Praxis für Allgemeinmedizin gingen mir die Sorgen und Nöte von an Diabetes mellitus Erkrankten, die sich trotz der ärztlichen Betreuung teils mit dem Umgang der für sie neuen Situation völlig überfordert sahen, besonders nahe. Also sagte ich mir, das muss auch anders gehen“, schildert sie den Wendepunkt in ihrem Lebenslauf. Dies vor Augen reifte ihr Entschluss, den Blick der Menschen für die Zusammenhänge und Folgen der von vielen völlig unterschätzten Volkskrankheit zu schärfen.

Getragen von dieser Motivation und der gemeinsamen Arbeit von ärztlicher und schulischer Sicht mit Dr. Zerth, dem sie „dafür sehr dankbar ist“, bildete sie sich Schritt für Schritt zur Diabetes-, Ernährungs- und Diätberaterin DDG fort und wirkte künftig im gemeinsamen Zentrum für Diabetes- und Ernährungsberatung.

Typ 2 breitet sich aus

Obwohl seitdem Jahre vergangen sind, ist der Bedarf an Wissensvermittlung und Hilfestellungen nach Müllers Beobachtung unvermindert hoch. Das untermauern ernüchternde Zahlen. Kurz umrissen handelt es sich bei der Stoffwechselkrankheit Diabetes mellitus Typ 2 um einen permanent erhöhten Blutzuckerspiegel – „Überzuckerung –, der wiederum auf lange Sicht Nerven und Blutgefäße schädigt. Daraus entstehen Folgeerkrankungen wie beispielsweise Netzhautschäden, Nierenschwäche, Schlaganfälle oder Herzinfarkte. Das Tückische daran: Mangels spezifischer Symptome wird Diabetes oftmals zufällig im Rahmen einer Routineuntersuchung entdeckt. In der Regel muss der Patient dann Insulin spritzen zum Ausgleich des nicht mehr oder zu wenig vorhandenen körpereigenen Stoffwechselhormons Insulin.

Neben aktuell laut jüngsten globalen Daten der Internationalen Diabetes-Föderation (IDF) zwischen 6 bis 8 Millionen Betroffenen, darunter
ein
steigender Anteil erkrankter Kinder und Jugendlicher, gibt die Dunkelziffer derer, die bisher mangels Überprüfung noch nichts von „ihrem Zucker“ ahnen, zusätzlich Anlass zur Sorge. Nach Expertenprognosen könnte aufgrund einer allgemein höheren Lebenserwartung und bei weiter steigender Neuerkrankungsrate von mehr als 500.000 pro Jahr die Zahl der Diabetesfälle bis zum Jahr 2040 gar auf bis zu 12 Millionen ansteigen.

Barbara Müller sieht einen der Gründe für diese ungebremste Entwicklung in der nach wie vor unzulänglichen Aufklärungsarbeit. Dieser Entwicklung setzt sie mit all ihrem spürbarem Herzblut und Ideenvielfalt ihr in fast fünf Jahrzehnten erworbenes Wissen entgegen. Feinfühlig hat sie eine ganze Reihe an Betätigungsfeldern herauskristallisiert und geht dabei unbeirrt ihren nachweislich erfolgreichen Weg. In Kenntnis der den Betroffenen unter den Nägeln brennenden Fragen, die diese entweder allein aus Zeitgründen ihrem Arzt nicht stellen oder aus der Angst heraus, sie würden als belanglos abgetan, will die Diabetes-, Ernährungs- und Diätberaterin DDG mit ihren Ratschlägen sowohl Betroffenen „einen Rettungsring“ zuwerfen als auch gesunde Menschen für die lauernden Gefahren sensibilisieren.

Kronberger Diabetestag

Ein Paradebeispiel, wie anschaulich dieses Vorhaben verpackt werden kann, gab der im November 2016 anlässlich des Weltdiabetikertages durchgeführte 1. Kronberger Diabetestag. Dahinter standen die Selbsthilfegruppen „Diabetiker helfen Diabetikern“ des Hochtaunuskreises, vertreten durch die Ortsgruppen Kronberg, Oberursel und Bad Homburg/Usingen,
die
unter Federführung der organisierenden Experten, des Diabetologen Dr. Günter Zerth und
eben
Barbara Müller, eine vierstündige Kombination aus Informationsveranstaltung und kleiner Gesundheitsmesse in der Stadthalle
boten
.
Unter der Überschrift „Wissen ist Macht“ beleuchteten die Veranstalter die Thematik unter verschiedenen Blickwinkeln. Sie führten unter anderem anschaulich den Zuckergehalt von Lebensmitteln vor Augen in dem Bestreben, beispielsweise den gedankenlosen schnellen Griff zum Schokoriegel von Kindesbeinen an zu verhindern im sensibilisierten Bewusstsein, dass in drei Riegeln ganze sieben Stück Zucker enthalten sind. Näher gebrachte Zusammenhänge körperlicher Abläufe, Informationen zu Ernährung und Bewegung sowie Hilfsreiches vom Blutdruckmessgerät bis zum Diabetiker-Weichschaumfußbett ergänzten an den Ständen der beteiligten Firmen und Ärzte das niederschwellige Angebot. Der überwältigende Besucherandrang war eindeutiger Beleg dafür, dass mit bürgernaher, ausgereifter und frühzeitiger Aufklärung die Menschen erreicht werden können.

Wieder mehr Aktivität

Eine zweite Auflage dieser erfolgreichen Veranstaltung schließt Barbara Müller keineswegs aus. Zunächst richtet sie jedoch gemeinsam mit den Mitstreitern der Selbsthilfegruppe „Diabetiker helfen Diabetikern“
das Augenmerk darauf, die Interessengemeinschaft nach zweijähriger pandemiebedingter Zwangspause wieder mit mehr Aktivität zu füllen. Die Treffen zu Vortragsveranstaltungen sind in der Regel einmal monatlich mittwochs um 19.30 Uhr im Hartmutsaal, Wilhelm-Bonn-Straße 1.

Von Barbara Müllers reichhaltiger Erfahrungsschatzkiste inklusive ihrem selbst gebastelten Anschauungsmaterial profitieren außerdem weiterhin Diabetesberaterkollegen und -assistenten im ganzen Bundesgebiet. Im letzten Jahr blickte die Oberhöchstädterin auf 15 Jahre im Auftrag der Novo Nordisk Akademie durchgeführte Kreativseminare unter der Überschrift „Diabetes zum Anfassen“ zurück.

Gemäß ihrer Aufgabenstellung und ihrem fröhlichen Naturell entsprechend bereitet Barbara Müller den komplexen Unterrichtsstoff erlebnisorientiert auf. „Schwierige medizinische Dinge einfach erklärt“, wie sie es umschreibt, heißt im Klartext, bunt, für alle Generationen anschaulich präsentiert, lustig und somit einprägsam. Um beispielsweise ihrer eindringlichen Aufforderung, mehr Bewegung und gesündere Ernährung in den Alltag einzubauen, mehr Gewicht zu verleihen, hält sie einen hälftig aus einem Plüschschwein und einem -hund genähten „inneren Schweinehund“, den es zu überwinden gilt, in den Händen. Liebevolle Mahnung mit Schmunzeleffekt, die ihre Wirkung selten verfehlt. „Ich habe schon ganz viele Patienten von ihrem Insulin weggebracht“, sagt sie glücklich.

Um noch mehr Menschen zu erreichen, hat sie zusammen mit einer zweiten Autorin einen Verlag gegründet und mittlerweile drei illustrierte Bücher herausgebracht, in deren Mittelpunkt die Krankheitsgeschichten von Familie Kleinschmidt und deren Therapie stehen. Durch begleitende fachkundige Sacherklärungen zu den Themen Zuckerkrankheit, zu viel Fett im Blut, Bluthochdruck und krankes Herz sowie Abhilfemaßnahmen bis hin zu Koch- und Backrezepten, die größtenteils in der Müller‘schen Küche kreiert beziehungsweise auf Tauglichkeit geprüft wurden, sind sie praxisnahe Hilfestellungen. Die Oberhöchstädterin ist in Seniorenwohnheime gegangen und hat auch dort das Personal zu diesem ihr am Herzen liegenden elementaren Thema geschult.

Last not least kann obendrein Menschen mit Diabetes in Gambia geholfen werden, weil auch dort Schulungsmaterialien der „Zuckerfee“ aus dem Taunus zum Einsatz kommen und dank der Novo Nordisk Akademie sowie dankbaren Patienten ein Diabeteszentrum besser ausgestattet werden konnte. Für alle, die dieses Diabetesprojekt des Vereins „The Gambia e.V.“ ebenfalls unterstützen wollen: Spendenkonto ist bei der Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE59 1002 0500 0001 1888 00, BIC: BFSWDE33BER, Stichwort „The Gambia“.

Mit ihrem schrittweise ausgebauten außergewöhnlichen Engagement weit über ihr Handlungsfeld im Beruf hinaus hat Barbara Müller sehr viel bewegt und bewirkt. „Es macht mich glücklich, wenn ich dazu beitragen kann, die Lebenszeit von Diabetespatienten durch optimale Einstellung um mindestens zehn Jahre zu verlängern“, nennt sie den ausschlaggebenden Grund für ihre unverminderte Motivation. Und schon packt sie die Koffer für den nächsten Einsatz …



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