„Die Antwort ist Klarheit und Haltung“ – Lothar Breidenstein nun auch offiziell Pfarrer in Schönberg

Schönberg (mg) – Eines gleich zu Beginn – mit dem evangelischen Pfarrer Lothar Breidenstein bekommt Schönberg und damit sicherlich auch ganz Kronberg nun einen weiteren starken Redner in der Stadt. Der Begriff „Charismatiker“ im guten Sinne ist durchaus zutreffend. Der kämpferische Mann Gottes wirkt stets zugewandt, präsent, wach, gleichzeitig auch reflektiert und sich zurücknehmend. Er knüpft an Emotionen beim Gegenüber an und liefert klare Botschaften, gerne auch mal humorvoll flankiert – kurzum: Lothar Breidenstein ist kein Mann, kein Pfarrer, kein Seelsorger, der um „den heißen Brei herumreden möchte“, herumreden wird. Dafür ist das aktuelle Zeitgeschehen sicherlich ohnehin nicht geeignet. Sich in den Dienst der gemeinschaftlichen und sozialen Sache an sich zu stellen scheint sein Hauptaugenmerk. Am zurückliegenden Wochenende bewies Breidenstein gleich zweimal, wie stark und geschickt er mit Worten umgeht. Und zuvor mit Gedanken. Denn wer tatsächlich gut reden kann, muss zuvor gleichsam wohl überlegt und nachgedacht haben. Und dazu in der Lage sein. Am Samstag lieferte der Protestant, der nun eine halbe Pfarrstelle in der Nachbarkommune im Stadtteil Falkenstein innehat und die andere Hälfte in Schönberg wahrnimmt, nach einhelliger Meinung der anwesenden Kronberger Stadtgesellschaft eine fulminante Rede auf der Demonstration für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf dem Berliner Platz.

Versuchung und Macht

Daran schloss er in seiner Predigt in der Markus-Gemeinde am Sonntag nahtlos an. Lothar Breidenstein wählte für seine Einführung das Thema „Versuchung“ und begann mit der Variante, die Jesus in einer biblischen Metapher erlebte. Zahlreiche verschiedene – auch subtile – Versuche des Satans misslangen, Gottes Sohn zu verführen, und so machte dieser sich am Ende erfolglos davon, denn der biblische Jesus bezog Stellung, war klar, deutlich, sich selbst bewusst und bewies die notwendige Haltung, auch um sich und seine Überzeugungen zu schützen. Es ist nicht schwer, Bezug zur heutigen Zeit und zur säkularen und pluralistischen Gesellschaft zu nehmen, denn während Krisen und Kriegen zeigen sich typischerweise menschliche Abgründe häufiger. Die „Versuchung“ liegt näher, einfache Lösungen für komplexe Probleme zu wählen und damit im selben Moment doch Freiheit, Recht und Gerechtigkeit zu opfern, vor allem die der anderen. Am Ende womöglich sogar die gesamte Demokratie. Die in Aussicht stehende persönliche Macht lockt. „Womit Jesus der Versuchung begegnet und widersteht, das ist Klarheit“, formuliert es dann der neue Schönberger Pfarrer und ergänzt: „Klarheit des Arguments und Klarheit in seiner Haltung. Klarheit hilft gegen Versuchung. Und solche Klarheit hilft, uns aus den Verstrickungen falscher Argumente zu befreien.“ Dass Lothar Breidenstein Transparenz schätzt, die ebenso zu Klarheit gehört, merkt man spätestens, als er während seiner Predigt den Missbrauchsskandal in der evangelischen Kirche anspricht. Er stellt sich auch an dieser Stelle bewusst der Realität, denn nur durch das bewusste Erkennen kann es gelingen, zu lernen. Und so differenziert Breidenstein im Weiteren auch feinsinnig die Begriffe Haltung und Gesinnung. Indirekt spricht er die narzisstischen Tendenzen von Echokammern und Filterblasen innerhalb der Gesellschaft und Bevölkerung an, in denen Gesinnung und Ideologien bedauerlicherweise „ihre Ruhe“ finden können, wenn kein freiheitlicher Diskurs mehr gewünscht, kein freiheitlicher Diskurs mehr gelebt wird. Explizit spricht Breidenstein Teile deutscher Universitäten an, denen es beispielsweise an Klarheit fehlt, Stellung zu beziehen, wenn ein jüdischer Student aus Hass auf Juden verprügelt wird oder „wenn Veranstaltungen von denen gesprengt werden, denen sie nicht in den Kram passen.“

Wohl bekannt und Veränderung

Lothar Breidenstein kennt die Gegend des Taunus, in der er nun wieder arbeitet und sich um die „Seelen seiner Gemeinde sorgt“, gut. Bereits vom Jahr 2003 an war er in Falkenstein für 15 Jahre Pfarrer, machte danach drei Jahre Station im nahegelegenen Rheingau und ist nun wieder zurückgekehrt, um die sogenannten neuen „Nachbarschaftsräume“ der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau (EKHN) zu gestalten und zu nutzen, die – an sich aus der Not von schwindenden Finanzmitteln und Personalmangel geboren – nun produktiv positive Veränderungen und Synergien schaffen sollen. Neue Strukturen werden geformt; zum Nachbarschaftsraum Breidensteins gehören sieben Kirchengemeinden in den Kommunen Kronberg, Königstein und Glashütten. Kooperation ist die Prämisse, und womöglich können die verschiedenen Teile des Nachbarschaftsraums sich gegenseitig motivieren und auch inhaltlich befruchten. Menschen begegnet Lothar Breidenstein nun zurück in der „alten Heimat“, die ihn noch kennen und die er noch kennt. Er wird immer noch freudig begrüßt, das lässt auf positives Wirken zuvor schließen. Es ist evident wichtig, dass bei der stetigen Anzahl von Kirchenaustritten und des Programms der Veränderung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN 2030) Menschen wie Lothar Breidenstein zum einen beteiligt sind, zum anderen gleichzeitig befähigt und unterstützt werden, die anstehenden Themen „abzuarbeiten“, denn es gibt vieles zu tun, um die Evangelische Kirche zukunftsfähig zu machen. Nicht zuletzt ist es notwendig, für Nachwuchs in der Gemeinde zu sorgen, denn eine Kirchengemeinde ohne Gemeinde wäre das Ende der Geschichte. Aktuell ist der Gottesdienst in der Seniorenwohnanlage Rosenhof häufig zahlreicher besucht als der Gottesdienst in der Markus-Gemeinde. Junge Menschen, die Zukunft gestalten können, werden dort vermutlich weniger anwesend sein. Die neuen Nachbarschaftsräume bieten jedoch neue Möglichkeiten. In Zukunft soll es Kinderbibeltage geben, die für einzelne Gemeinden innerhalb des Verbunds nicht möglich wären. Seelsorger-Kurse werden zudem als Novum angeboten. Veränderungen werden kommen, keine Frage. Wenn es etwas gibt, das sich Pfarrer Breidenstein jenseits der Bewältigung der zuvor genannten Aufgaben wünscht, dann ist das vermutlich unter anderem Musik, auch die des Evangelischen Bläserensembles „Schönberg Brass“, das zu seiner Einführung ein paar Stücke zum Besten gab. Das erwähnte er zumindest noch bei einem Beisammensein im ersten Stock der Markus-Gemeinde nach dem Einführungsgottesdienst: „Ich komme vom Dorf, und da geht man davon aus, dass der liebe Gott Posaune spielt“, formuliert es Lothar Breiden-stein dann auch selbst. Man kann sich gewiss auf vieles freuen, wenn man ihm zukünftig zuhört und sich mit ihm austauscht.

Das Evangelische Bläserensemble „Schönberg Brass“

Dekan Dr. Martin Fedler-Raupp, Anne-Catrien Pues und Pfarrer Lothar Breidenstein

Fotos: Göllner

Besucherinnen und Besucher des Einführungsgottesdiensts

Weitere Artikelbilder



X