Barocke Trauermusik, die das Herz der Zuhörer berührt

Als Terzett vereint: David van Laar, Nils Giebelhausen, und Markus Flaig, Bass.Foto: bg

Oberursel (ow). Ein traumhaft schönes Oratorien-Konzert wurde in der Christuskirche aufgeführt. Es standen Werke auf dem Programm, die man in Oberursel noch nicht zu hören bekommen hatte. Dem Requiem von André Campra, stand die Kantate „Actus tragicus“ von Johann Sebastian Bach gegenüber. Unter der Leitung der Kantorin der Christuskirche Gunilla Pfeiffer musizierten das europäische Barockorchester „Le Chardon“ und der evangelische Kammerchor Oberursel. Als Solisten begeisterten das Publikum Fanie Antonelou (Sopran), David van Laar (Altus), Nils Giebelhausen (Tenor) und Markus Flaig (Bass). Die Solisten wie auch die Orchestermusiker sind ausgewiesene Experten im Bereich der Alten Musik.

Passend zum Ende des Kirchenjahres mit seinen Gedenktagen rund um den Tod sorgte diese wunderbare und hoffnungsfrohe Trauermusik für ergreifende und berührende Momente. Geschrieben wurde sie vor über 300 Jahren. Der Franzose Campra, ein Zeitgenosse Bachs, wurde zu Lebzeiten als einer der größten Komponisten Frankreichs gefeiert. Seine „Messe de Requiem“ gilt als Meisterwerk der französischen Barockmusik.

Innig verwobene Stimmen

Schon der Auftakt der chorisch anspruchsvollen Totenmesse, das „Introite“, gelang den Sängern des Kammerchors blitzsauber. Die Requiem-Vertonung Campras mit den liturgischen Stücken Kyrie, Graduel, Offertoire über das Sanctus und Agnus dei bis zum Post Communion ist geprägt von kunstvollen kompositorischen Raffinessen. Dabei werden die Chorstimmen mit den Solisten miteinander verwoben. Besonders innig gelang das beim „Post Communion“ mit seinem traumhaft schönen, ganz versunkenen, ans Herz gehenden Schluss. Dabei wurde Antonelou bei ihrem Solopart von der Chorsängerin Ines Grego-Schröder begleitet. Auch die Herrenstimmen absolvierten überzeugende Auftritte und glänzten als Solisten ebenso wie im Duett oder Terzett.

Aus dem Norden Deutschlands war das namhafte Europäische Barockorchester „Le Chardon“ angereist. Im Gepäck hatten die Orchestermusiker eine beeindruckende Langhalslaute, die Jonas Nordberg spielte. An den zwei Gamben mit ihren fünf bis sieben Saiten waren Marijke Turin und Takeshi Sudo zu hören. Die Blasinstrumente ob Oboe, Block- oder Traversflöte waren fest in der Hand der Familie Wienroth. Neben Vater Hajo Wienroth, dem Orchesterleiter, war Tochter Marie an der Blockflöte und Oboe zu hören, während Mutter Ute Schild den Kontrabass zupfte. Obendrein hat sich Hajo Wienroth auf die Restaurierung historischer Traversflöten spezialisiert und baut sie korrekt nach. Seit 1994 unterhält er dazu eine eigene Werkstatt.

Mit der Trauerkantate „Actus Tragicus“ schuf Bach ein anrührendes Werk, das in seiner theologischen und musikalischen Tiefe eine Sonderstellung unter seinen Kantaten einnimmt. Sie entstand vermutlich 1707 in Mühlhausen. Der junge Bach (1685-1750) komponierte sie noch im alten Kirchenstil, man erkennt seine Vorbilder Buxtehude und Schütz. Nach der Sonatina, dem kleinen instrumentellen Vorspiel des Orchesters, setzte der Chor eindrucksvoll ein mit „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“. Nach dem kurzen, klar verständlichem Solo des Tenors Nils Giebelhausen „Ach Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“, folgte Bass Markus Flaig ausdrucksstark mit der Arie „Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und nicht lebendig bleiben“. Der Chor stimmte den Schlusschoral „Glorie, Lob, Ehr und Herrlichkeit sei Dir Gott Vater und Sohn bereit“ kraftvoll an und ließ die jubelnde Zuversicht mit „Die göttliche Kraft macht uns sieghaft durch Jesum Christum“ herrlich aufleuchten, bis die Kantate zuversichtlich mit dem gesungenen „Amen“ ganz sanft und zurückhaltend endete.

Bei diesen ebenso kunstvollen wie ergreifenden Werken der Trauermusik wurde dem Begriff des Todes nicht durch Klage, Schmerz und Angst begegnet, sondern mit vertrauensvoller Zuversicht. Während der Aufführung gelang es den Künstlern, magische Hörerlebnisse zu weben, die unter die Haut gingen und die Zuhörer in den Bann zogen. Nach Ende des Konzertes setzte das Läuten der Gebetsglocke ein. Erst nachdem der letzte Glockenton verklungen war, brandete stürmischer Beifall auf. Der Jubel, das Klatschen und die Bravorufe wollten kein Ende nehmen.



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