Oberursel (ow). Vor zwei Wochen war die SPD-Landtagsabgeordnete Elke Barth mit ihrem Kollegen Tobias Eckert aus dem Wirtschaftsausschuss zu Besuch beim Betriebsrat von Rolls-Royce, um sich über die aktuelle Situation zu informieren. „Wir wussten, dass es dort keine positiven Nachrichten geben würde“ so Barth. Zu dem Zeitpunkt war schon klar, dass es ohne empfindliche Einschnitte bei dem Triebwerkehersteller für Flugzeuge nicht funktionieren würde. Erst lastete der Brexit auf dem Unternehmen und nun auch noch die Corona-Krise, die die Luftfahrt sicher noch länger beschäftigen wird als manch andere Branche. Branchenkenner gehen davon aus, dass sich bis zum Jahr 2024 die Zahlen nicht wesentlich erholen werden. Von Personaleinsparungen im niedrigen dreistelligen Bereich am Standort Oberursel, wo derzeit 1000 Mitarbeiter tätig sind, war bei dem Besuch schon die Rede. Nicht nur, dass Bestellungen verschoben oder gar storniert werden, auch die Einbrüche im Wartungsgeschäft bei weniger Flugbewegungen belasten das Unternehmen. Größter Kunde von Rolls Royce ist die Lufthansa.
Kurzarbeit verlängern
Dass nun konkret etwa ein Viertel der Oberurseler Belegschaft betroffen ist, bezeichnet Barth als „schockierend“. Eine große Hilfe sei das Kurzarbeitergeld, hatte Betriebsratsvorsitzender Rolf-Dieter Dreyer in dem Gespräch betont. Das laufe aber Ende des Jahres aus. Barth fordert daher nun, dass man in besonders nachhaltig betroffenen Branchen – und dazu gehöre die Luftfahrt – auf Bundesebene darüber nachdenken solle, das Kurzarbeitergeld weiter zu verlängern. „Nicht mit der Gießkanne, da sich manche Wirtschaftsbereiche zwischenzeitlich erholt haben, aber gezielt muss man bestimmte Branchen weiter unterstützen“, so Barth. Dafür werde sie sich einsetzen. Auch seien in den betroffenen Unternehmen innovative Ideen gefragt, etwa attraktive Brückenteilzeitmodelle für ältere Mitarbeiter.
Auch wenn die Entscheidungsbefugnisse in Oberursel beschränkt seien, da die Unternehmensstrategie von Rolls-Royce nach wie vor in Großbritannien bestimmt werde, müsse alles unternommen werden, um so viele Arbeitsplätze wie möglich dieses wichtigen Arbeitgebers in der Region zu halten, betont die Abgeordnete. Das gelte auch für die verschiedenen Ebenen der Politik.
Auch SPD-Bürgermeisterkandidatin Antje Runge nennt diesen Abbau von Arbeitsplätzen „eine Katastrophe für die Menschen und die Zukunft des hiesigen Standorts“. Sie weist zugleich auf die lokale Bedeutung von Rolls Royce hin: „Rolls-Royce ist seit 1892 in Oberursel angesiedelt und hat sich als anerkannter Produktionsstandort etabliert. Damit ist Oberursel auf der einen Seite eine Stadt des produzierenden Gewerbes, auf der anderen Seite siedeln sich viele moderne Dienstleistungsunternehmen in der Stadt an. Beides ist charakteristisch für Oberursel und macht unsere Stadt zukunftsfähig. Wenn bei rund 1000 Rolls-Royce-Mitarbeitern 250 Stellen aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Luftfahrt wegfallen, trifft das die Betroffenen und ihre Familien hart. Leiharbeitnehmer mitgerechnet, geht es sogar um 300 Stellen.“
Ein Instrument zum Erhalt der Arbeitsplätze sei eine tarifliche Absenkung der Arbeitszeit im Dialog mit den Arbeitnehmervertretern, so Runge. Runge stimmt mit Barth überein, dass weiterhin die Politik gefordert sei, Lösungen für die Luftfahrindustrie zu suchen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil prüfe eine Verlängerung der Kurzarbeit für besonders betroffene Branchen. Außerdem müssten mögliche Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes und aus dem geplanten europäischen Wiederaufbaufonds einbezogen werden.
Mit Blick auf die Zukunft gehe es darum, jetzt mit Augenmaß zu handeln und zur Krisenüberbrückung die Kurzarbeit auf 24 Monate zu verlängern. Ziel müsse es sein, „die Mehrzahl der Arbeitsplätze über die mehrjährige Phase der Konsolidierung zu erhalten. Wenn die Luftfahrtindustrie wieder anzieht, braucht das Unternehmen Fachkräfte für den Neustart.“ Die Zukunft liege in innovativen und kraftstoffsparenden Antrieben, und nur mit qualifiziertem Personal könne Rolls-Royce diese Weiterentwicklung realisieren.