„Der Beifall wollte kaum ein Ende nehmen“

Hausherr Pfarrer Reiner Göpfert bei der Begrüßung.Foto: bg

Oberursel (bg). Die adventlich geschmückte Christuskirche bot einen festlichen Rahmen für das alljährlich stattfindende Oratorienkonzert der Kantorei unter der Leitung von Gunilla Pfeiffer. Hausherr Pfarrer Reiner Göpfert freute sich genau wie alle Beteiligten über ein volles Haus. Dicht gedrängt standen mehr als 80 Sänger der evangelischen Kantorei auf der Empore. Vor ihnen hatte die Kammerphilharmonie Rhein-Main unter der Leitung von Holger Pusinelli Platz genommen. Bei diesem Konzert kamen auch noch Harfe und Percussion wie Trommel, Pauke und Becken zum Einsatz. Der Platz für alle Musizierende reichte kaum aus. Die fünf Solisten – angefangen bei Rahel Maas, Sopran, Ines Grego, Mezzosopran, Lea Becker, Alt, Joans Boy, Tenor bis Christos Pelekano, Bariton – waren seitlich platziert worden.

Aufgeführt wurde an diesem zweiten Advent das „Magnificat“ von John Rutter. Der zeitgenössische Komponist, der 1945 in London geboren wurde, gilt als einer der bedeutendsten und populärsten Komponisten von Chor- und Kirchenmusik. Für ihn hat Musik eine enorme Kraft. Chorsingen bedeutet ihm etwas Magisches, das Menschen friedlich zusammen führt und die Herzen aufschließt. Bei seiner Vertonung erweiterte der Komponist den liturgischen Magnificat-Text (Lukas Evangelium 1, 46 – 55) um ein altenglisches Mariengedicht, einen Psalm und Teile der Messe bis zum siebten Satz, dem „Gloria Patri“. Dabei belässt er es oft bei den originalen gregorianischen Psalm-Melodien. Das führt zu einer herrlichen „ruttertypischen“ Klangwelt zwischen Alt und Neu. Für viele Besucher waren das ganz neue Musikerlebnisse, die ihnen dargeboten wurden. Das galt in gleicher Weise für das „Oratorio de Noel“ von Camille Saint-Saens (1835 bis 1921). Es gilt als genialer Wurf des 23jährigen, der damals erst am Anfang seiner Laufbahn stand. Mit seinem Weihnachtsoratorium begibt sich der Franzose klanglich, liturgisch und kompositorische in neue Sphären. Er schafft es dabei, die Zuhörer mit seiner eindrucksvollen, spätromantischen Musik weihnachtlich zu verzaubern. Im Orchester verzichtet er auf sämtliche Blasinstrumente, dafür tritt zu den fünf Vokalsolisten, dem Chor und dem Streichorchester, die Harfe und die Orgel hinzu, von Organist Andreas Karthäuser wunderbar zum Einsatz gebracht wurde. Das sorgte für einen ungemeinen Farbenreichtum und Dynamik.

Beide Werke stellen hohe Anforderungen, nicht nur stimmlich an die Vokalsolisten, die Chöre, sondern auch an das gemeinsame Zusammenspiel. Intensiv hat sich die Kantorei seit Monaten auf diesen großen Auftritt vorbereitet. Die Kantorin hatte den Chormitgliedern viel abverlangt und sie zu Höchstleistungen hingeführt. Sorgfältig wurden die schwierigen Passagen immer wieder geprobt und einstudiert. Viele Stunden wurden an dem Programm gefeilt, es gab Einzelproben für alle Stimmlagen und zur Vorbereitung dann gemeinsame Proben mit dem Orchester. Hierbei ist Gunilla Pfeiffer in den höchsten Tönen zu loben. Mit großem Elan und ansteckender Begeisterung hat sie mit allen Mitwirkenden ein musikalisches Gesamtkunstwerk auf die Beine gestellt, das die Zuhörer emotional tief bewegte. Genauso wie John Rutter es beschrieben hat. Einfühlsam und hochkonzentriert führte sie die Musiker durch das anspruchsvolle Programm. Mit ihrem punktgenauen Dirigat sorgte sie für das Feintuning bei den wechselnden Einsätzen zwischen Solisten und Chören, dem Gesamtorchester oder den Streicher begleitet von der Orgel. Die Musik hat bei diesem Konzert alle ihre Wunderkraft entfaltet und die Menschen ergriffen. Bewegende Momente gab es in diesem traumhaften Konzert, in dem Weihnachten auf einmal ganz nah war, zuhauf. Das gilt schon für den herrlichen Auftakt beim „Magnificat anima mea“ von John Rutter. Ein Glanzstück der Kantorei gemeinsam mit der Sopranistin Rahel Maas und dem Tenor Jonas Boy im Wechsel, begleitet von den herrlichen Klängen des Orchesters mit Drumms und Percussion. Weiter über das lyrische „Of a Rose“, ein Marienlied aus dem 15. Jahrhundert. In einem himmlischen Klangteppich besingt es die Himmelskönigin und die Weihnachtsnacht in Bethlem. Gewebt von Tenor Jonas Boy, der schönen Altstimme von Lea Becker, dem leuchtenden Sopran von Rahel Mass im Wechsel oder gemeinsam mit der Kantorei, der Orgel und den Streichern und der Philharmonie. Weiter über den fabelhaften Einsatz der fünf Vokalsolisten gemeinsam mit dem Chor beim „Esurientes“ bis zum strahlenden finalen „Gloria Patri – Ehre sei dem Vater“ aller Muszierenden. Hier gab es vom begeisterten Publikum schon die ersten Bravo-Rufe für diese Leistung.

Nach einer kurzen Umbau-Phase, bei der auch noch Platz für den Jugendchor geschaffen wurde, erklang ein Prelude für Streicher und Orgel, ein echter Seelenschmeichler. Das „Oratorio de Noel“ setzt ein mit dem Weihnachtsevangelium nach Lukas 2, Vers 8 bis 14 „Und es waren Hirten …“ Mit nur wenigen dramatischen Ausnahmen herrscht in diesem Werk eine lyrisch-besinnliche Grundstimmung vor. Die Musik ist eine Meditation über Motive der Weihnachtsbotschaft, getragen von weicher Harmonik, schlichten Chorsätzen und dem fast kammermusikalischen Einsatz der Streicher mit Harfe und Orgel. Sie mündet in den festlichen Schlusschor, „Tollite Hostais, der das Oratorium feierlich beschließt. Traumhaft schön wurde er von allen Musizierenden auf künstlerisch hohem Niveau sehr bewegend gestaltet. Danach hielt es kaum noch jemand auf den harten Stühlen aus. Begeisterung und Rührung brachen sich gleichermaßen Bahn. Der Beifall wollte kaum ein Ende nehmen.



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