Emanuel Bergmann: „Mit kindlicher Freude schreiben“

Emanuel Bergmann liest im Kulturcafé aus seinem Roman „Tahara“, an seiner Seite Antonia Stock von der Buchhandlung „Libra“. Foto: sura

Oberursel (aks). Emanuel Bergmann kam mit dem Fahrrad nach Oberursel und betrat in bester Stimmung das bis auf den letzten Platz belegte Kulturcafé, herzlich begrüßt von Antonia Stock, Inhaberin der Buchhandlung „Libra“. Balsam für seine Seele sei es jedes Mal, wenn er die Israel-Flagge am Oberurseler Rathaus wehen sehe, da möchte er der Bügermeisterin Antje Runge von ganzem Herzen danken, so teilt er spontan allen mit, was ihn bewegt.

Emanuel Bergmann ist Schriftsteller mit jüdischen Wurzeln, und der Titel seines zweiten Romans „Tahara“ spielt auf den Zustand der rituellen Reinheit in der jüdischen Tradition an, die den vordergründigen Plot zunächst nicht zu tangieren scheint und erst gegen Ende für die Auflösung der „Amour fou“ zwischen Marcel und Héloïe sorgt.

Die spannende Geschichte spielt in der schillernden Welt der Filmfestspiele in Cannes, wo Bergmann die teils rauschhaften Eitelkeiten im Filmbusiness verortet, die er selbst 20 Jahre lang in den USA als Journalist in „fast tausend Interviews“ erlebt und verinnerlicht hat: „Eine Welt voller Glitzer und Abgründe“. Sein Protagonist, der renommierte Filmkritiker Marcel Klein, ist eine „knurrige“ Persönlichkeit, der „die Kunst des Glücklichseins nie erlebt hat“. Mit seinen Interviews bemüht er sich, die gefühlte Langeweile seiner weltberühmten Gesprächspartner zu überwinden, und wird damit selbst zum Lügner.

Liebe, Lüge und Humor

Bergmann liest an diesem Abend nicht aus seinem Buch, sondern aus Texten, die er eigens für seine Lesung geschrieben hat. „Achtung, das sind Unikate“.

Seine Geschichte beinhalte zwar autobiografische Elemente, die „sich so fragmentarisch ereignet haben“, allerdings seien alle Personen frei erfunden (außer Roberto Croci, der ihm sein OK gab für das vergnügliche Zitat: „Ein Leben ohne Drink ist nicht mehr zu ertragen!“). Vor allem die Vaterfigur, im Buch „ein Schmock“, habe nichts mit seinem Vater Michel zu tun, selbst renommierter Autor („Die Teilacher“ und „Mameleben“), mit dem er „liebevoll“ verbunden sei.

Literatur sei immer „Liebe und Tod: Wir leben, um zu lieben. Wir leben, um zu sterben.“ Sein neuester Roman sei „eine ehrliche Liebesgeschichte und Überleitung in nachdenklichere Gefilde“. Marcel und Héloïse leben eine wilde toxische Liebe aus, romantisch situiert in Südfrankreich, die durch ihre Aufrichtigkeit am Ende Heilung bringt. Er beschreibe eindringlich, wie vor allem die eigenen Dämonen und Traumata die Menschen und ihre Beziehungen „von innen kaputt machten“.

Dabei kommt der Humor nicht zu kurz, der seine Geschichten so unterhaltsam macht. „Romane ohne Humor verstehe ich nicht, Geschichten kann man nur mit Witz, mit Bonmots erzählen“. Für Lacher im Publikum sorgt sein spontanes Geständnis, dass er selbst keine Romane lese, „lieber Sachbücher und Geschichtsbücher“. Buchhandlungen vermeide er, da fühle er sich wie einer, der seine Sucht unter Aufwendung aller Kräfte bekämpfe – so ähnlich wie seine Sucht nach Schokolade, bekennt er mit einem feinen Grinsen.

Schreiben, wenn alle schlafen

Vor zweieinhalb Jahren zog er mit seiner Frau und den kleinen Zwillingen nach Deutschland in den Taunus, „ein Idyll“, wo er „so gern in den Wald und auf den Spielplatz“ geht. Ein Kulturschock nach 30 Jahren in Los Angeles? Los Angeles sei nach wie vor seine Traumstadt, aber mit kleinen Kindern sei das Leben jetzt anders: „Plötzlich braucht man Betreuung und Spielplätze“ und „keine Wege, die über Autobahnen zum Spielplatz führen wo der Sand so heiß ist, dass die Kinder sich die Füße verbrennen“. Die Stimmung im Kulturcafé ist an diesem Abend herzlich zugewandt und empathisch, fast wie bei Freunden. Die Anwesenden scheinen die lockere aufrichtige Art des Autors und bekennenden Vaters zu mögen. „Ich rede gern mit Menschen“ – wahrscheinlich können nur so seine facettenreichen und authentischen Geschichten entstehen. Nach „Der Trick“, der wundersamen Überlebensgeschichte eines Zauberers, geht nun sein zweiter Roman, der in einer völlig anderen Welt voller Glamour, mit viel Schein und wenig Sein, spielt, an den Start. Geschrieben hat er ihn in „seiner Schicht“, wenn er sich bei der Rundum-Betreuung der neugeborenen Zwillinge mit seiner Frau abwechselte – „die anstrengendste Zeit meines Lebens“. Statt dem Kuss der Muse, auf den er nicht warten konnte, half ihm beim Schreiben ein Gläschen Champagner, wenn alle schliefen. Die Leser ahnen es schon: Ab und zu ploppen die extrafeinen Blubberbläschen höchst vergnüglich zwischen den Zeilen auf.



X