Frauen der ersten Stunde schwelgen in Erinnerungen

Oberursel (bg). Manches Mal muteten die Erzählungen von Elisabeth Knoth und Ilse Sommerfeld wie eine Zeitreise in ein Abenteuer-Wunderland an. Die Frauen der ersten Stunde berichteten teilweise Unglaubliches über die Anfänge des Alten- und Pflegeheims der Arbeiterwohlfahrt (Awo) an der Kronberger Straße. Als Stichwortgeberin fungierte Katrin Hechler, Kreisbeigeordnete und Sozialdezernentin des Hochtaunuskreises, sowie Vorsitzende der Awo im Hochtaunus.

Die Frauen hatten auf roten Sesseln Platz genommen und schwelgten in guten Erinnerungen. Bei diesem Rückblick ging es nicht um Fragen der Pflege, sondern um die handfeste Arbeit der beiden Frauen, die 1974 maßgeblich die neue Einrichtung aufgebaut und sich mit viel Einsatz und Herzblut für die Bewohner engagiert hatten. Noch heute ist Elisabeth Knoth bei den Sommerfesten des Hauses am Waffelstand im Einsatz. Katrin Hechler stellte dazu fest: „Die Arbeit für die Awo hält wirklich fit.“ Die meisten Sätze, gerade von Elisabeth Knoth, begannen mit: „Das kann man sich heute gar mehr vorstellen.“

Tatsächlich hat sich in 45 Jahren viel verändert. Damals gab es keine Computer, keine Pflegeversicherung, kaum Alten- und Pflegeheime, und auch viele Hilfs- und Pflegemittel waren nicht vorhanden. Dazu konnte Elisabeth Knoth die Geschichte vom ersten Rollstuhl erzählen, der 1983 für die Bewohner des Hauses angeschafft worden war. Lange hatte die Awo Oberursel dafür gesammelt, bis die 1700 Mark zusammen waren. Auch Rollatoren gab es noch nicht.

Auf der Baustelle

Als Ilse Sommerfeld ihre Stelle antrat, zog sie praktisch auf eine Baustelle. Die erste Leiterin der Einrichtung wohnte im Personalhaus. Dort gab es drei Wohnungen und zwölf Einzelzimmer für Pflegekräfte. Auch Georg Stangl, damals Bezirksvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Frankfurt, zog mit ein. „Die Not war groß, es kamen die ersten Heimbewohner, die wir aufnehmen sollten. Dabei war das Treppenhaus noch gar nicht fertig. Wir haben dann die Menschen, die schlecht zu Fuß oder bettlägerig waren, erstmal im Erdgeschoss untergebracht. Einen Fahrstuhl hatten wir noch nicht, der wurde erst später eingebaut“, erinnert sie sich.

Überhaupt wurden viele Dinge sehr unkonventionell und pragmatisch gelöst. Die Mitglieder der Awo Oberursel packten tatkräftig mit an, denn das Geld war knapp. Wichtig war immer das gute menschliche Miteinander, man half sich gegenseitig und arbeitete vertrauensvoll Hand in Hand. Sie selbst half regelmäßig in der Wäscherei mit aus, Awo-Helfer unterstützten den Hausmeister beim Kehren der Straße und Rasenmähen. Die langjährige Awo-Vorsitzende erinnerte auch daran, dass Lina Himmelhuber – alten Orschlern noch als „Wohlfahrts-Lina“ bekannt – und Gustav Lang die treibenden Kräfte gewesen waren, die dafür gesorgt hatten, dass die Awo das Haus in Oberursel errichtete, das in den ersten Jahren noch den Namen Georg Stangls trug. Damals hatte es für 100 Bewohner Platz, die zum Teil in Drei- und Zwei-Bett-Zimmern untergebracht waren. Pflegenotstand gab es damals schon, berichtete Ilse Sommerfeld.

In den 1980-Jahren kamen fünf Pflegerinnen aus Thailand ins Awo-Haus. „Die Awo war ein wirklich guter Arbeitgeber, in dem Haus hat es sich immer gut arbeiten lassen. Mir hat die Arbeit viel Freude bereitet. Dadurch, dass ich am Ort war, war ich immer ansprechbar. Eigentlich hatte ich nie Feierabend, manche Büroarbeit habe ich am Abend erledigt“, erzählte Sommerfeld. Heute führen Christiane Rink und Leyla Saglam das Traute-und-Hans Matthöfer-Haus. Bis 1991 war Ilse Sommerfeld in dem Haus, das sie maßgeblich mitaufgebaut hat, als gute Seele im Einsatz, dann ging sie in Rente. Ihre letzte Amtshandlung damals war die Einstellung von Christiane Rink.

Alles auf den Kopf gestellt

In besonders guter Erinnerung sind beiden Erzählerinnen die schöne Feste geblieben. „Dabei haben wir die ganze Oberurseler Geschäftswelt angebettelt, um Spenden für unsere Tombola zu bekommen. Aber die haben alle das Haus gerne unterstützt, das war damals wirklich ein guter Zusammenhalt“, sagte Elisabeth Knoth. Die Fastnachtsfeier war der Höhepunkt. Der Speisesaal wurde geschmückt, die Bewohner kamen verkleidet. „An Fastnacht, da war immer die Hölle los, alles wurde auf den Kopf gestellt. Oft waren die Märchenerzähler Klaus Offen und Rolf Affemann da, es gab Vorträge und Polonaisen durchs ganze Haus“, erinnerte sich Elisabeth Knoth.

Mit ihrer Lebensklugheit, dem menschlichen Miteinander und dem beherzten Anpacken hatten die beiden Frauen der ersten Stunde für die Bewohner ein lebendiges Haus gestaltet, in dem man auch mit wenig Geld gut leben konnte.

Mit ihren Erinnerungen an die vergangenen 45 Jahre bescherten sie obendrein den zahlreichen Gästen eine kurzweilige Stunde. Darunter befanden sich neben einer großen Zahl von Heimbewohnern auch Bürgermeister Hans-Georg Brum und Hildegard Klär, die Vorsitzende der Europa-Union Hochtaunus. Sie kennt die Wäscherei des Hauses noch von einem Praktikum.



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