Freier Blick zur Uhlandsruhe

Die „Häschenschule“ im Schulwald wird beim „Bergwaldprojekt“ auf Vordermann gebracht. Hier arbeiten die Jungs am Abflussgraben vom kleinen Teich, ihn wird eine neue Brücke überspannen. Die Damen haben sich eine kurze Pause vor der Schultafel redlich verdient. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Im Stadtwald kreischen die Sägen, Axtschläge sind zu hören. Doch wenn in dieser Woche Bäume im Stadtwald fallen, dann ist das keine Beseitigung von Borkenkäfer- und Dürreschäden. Es sind auch nur wenige, die fallen, im näheren Umfeld der Uhlandsruhe mit ihrer Schutzhütte. Alte Blickachsen sollen hergestellt werden, im Wald wird an der Erhaltung vielfältiger Ökosysteme gearbeitet. Freiwillige Helfer wirken im Rahmen des „Bergwaldprojekts“ daran mit, Partner sind die Stadt, der Forst, die Stadtwerke als Initiator und die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

In der „Häschenschule“, einem Teil des Oberurseler Schulwald-Projekts, bereiten zwei junge Männer den Bau einer Brücke vor. Sie soll über den Abflussgraben des kleinen Teichs unterhalb der Schutz- und Lernhütten führen. Die alte Brücke war morsch, es wurde Zeit. Einer bereitet den Graben vor, der andere sägt mit der Motorsäge die zwei Meter langen Stücke für die Basis der Brücke aus einem Kastanienstamm. Die Erle daneben wird noch für die Brückenkonstruktion gebraucht, am dritten Tag haben sich einzelne Teams schon aufeinander eingespielt. Aus der gesamten Republik kommen die freiwilligen Waldarbeiter, Bergwald-Projektleiter Henning Aulich, ein Mann aus dem südlichen Brandenburg, ist am Sonntag mit 16 Frauen und Männern in den Stadtwald gekommen. Wer nicht im Schulwald an der Brücke oder am Barfußpfad arbeitet, ist an diesem Tag ein Stück weiter oben rund um die alte „Uhlandsruhe“ beschäftigt.

„Waldästhetik“

Alte Oberurseler kennen die Schutzhütte oberhalb der Bank, die auf den „Rodelbahnblick“ verweist, nicht weit entfernt von der Quelle „Roter Born“, noch ganz gut. Um 1880 vom Bürgerverein und vom Taunusklub erbaut, der Name erinnert an den Dichter Ludwig Uhland, der als Mitglied des Paulskirchen-Parlaments 1848 viel im Taunus unterwegs gewesen sein soll. Zuletzt war die Hütte nur noch zu erahnen, das Waldstück davor zugewachsen. Jetzt ist die Blickachse von der Rodelbahn über die Bank hinauf wieder frei, seitlich ist der zur Hütte strebende kleine Weg nun von Benjes-Hecken gesäumt. Revierförster Luis Kriszeleit und Henning Aulich flechten Worte wie „Besucherlenkung“ und „Waldästhetik“ ein. Die Menschen sollen ja in den Wald kommen und wie einst Uhland ihn auch ein bisschen als Bildungsstätte für Leib, Geist und Seele verstehen. Die freigeschnittene Achse, für die ein paar „unterständige Buchen“ fallen mussten, setzt auch einige uralte Eichen gut in Szene. Eine mit Schild versehene „Elsbeere“, ein altes Wildobst in der Art des hier wohlbekannten Speierlings zur Verfeinerung des Apfelweins, fällt mit herbstrot gefärbten Blättern sofort ins Auge.

Der Schutz, der Erhalt und die Pflege des Waldes ist Zweck und Ziel des international tätigen Vereins Bergwaldprojekt. Die Abhängigkeit des Menschen von seinen Lebensgrundlagen verständlich zu machen, ist sein hohes Ziel, eine breite Öffentlichkeit für einen verträglichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen des Waldes zu sensibilisieren. Menschen wie Stefanie Gaebe kommen deshalb für eine Woche in den Stadtwald, sie spricht ganz bewusst von „Bewusstseinserweiterung“, wenn sie über ihren Einsatz nachdenkt. Eine Woche Urlaub hat sie dafür genommen, als Bildungsurlaub wird die Arbeit für den Wald noch nicht anerkannt. Für einen internationalen Versicherungsmakler arbeitet sie im „anderen Leben“ in Frankfurt, immer vom Büro aus, der Taunuswald ist der Triathletin ein Freund durch viele Trainingseinheiten auf dem Fahrrad oder in Laufschuhen. In dieser Woche kommt sie dem Freund sehr nahe und arbeitet dabei mit Menschen zusammen, die gleichen Sinnes sind. Wie Johanna Amann, zünftig gekleidet von den Bergschuhen bis zum Filzhut, der gut bei Regen schützt. Ein Team, eine Idee, ein Ziel.

Am Wochenende wird das Team noch wachsen, am Samstag beim „großen Baumpflanztag“ wollen viele Freiwillige mithelfen. Mehr als 4000 Setzlinge sollen in den Boden gebracht werden, die ausgesuchte Stelle oberhalb der Emminghaushütte haben Revierförster Luis Kriszeleit und seine Männer bereits eingezäunt. Das muss sein, sonst wären die Setzlinge vor Wildverbiss nicht geschützt. Nicht nur darauf ist zu achten, denn auch neue Samen werden auf den Schadflächen verteilt, die durch Dürre und „Borkenkäfer-Kalamität“ entstanden sind, wie die Fachleute sagen. Diese dürfen nicht einfach auf dem übermäßigen Roh-Humus verteilt werden, sie benötigen den Kontakt mit dem darunter liegenden Mineralboden, um anwachsen zu können. „Kita-Kinder und Grundschüler haben schon jede Menge Saatgut gesammelt, die Saattermine aber mussten aufgrund der Corona-Pandemie leider abgesagt werden“, so Kriszeleit.

Eiche, Linde, Buche

Auf der Suche nach den passenden Bäumen für den „klimatoleranten Umbau“ des Stadtwaldes nach dem Abräumen von annähernd 40 000 Festmeter Schadholz in zwei Jahren fiel die Wahl bisher auf Eiche, Linde und Hainbuche, auch die Esskastanie habe sich bei der selbstständigen Verjüngung bewährt, heißt es im Wald. Welcher Baum am Ende das Rennen macht, ist noch nicht klar. Hinzu kommen Elsbeere, Nussbaum und Kirsche, einiges hat sich dank Kinderhilfe in den Randbereichen des Waldes schon getan. „Mehr Licht“ ruft der Förster indes an der Uhlandsruhe aus, nicht nur der Blick hinauf von der Rodelbahn soll frei sein, auch der Blick über der Hütte zum Himmel. Damit das neue Dach, das die Bergwaldhelfer bis zum Wochenende noch abdichten wollen, nicht wieder unter der Staunässe fault, wenn es unter dem Blätterdach der Buchen zu wenig Sonne abbekommt.

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