Immer ausreichend Wasser, aber keine zerstörerische Flut

Die Protagonisten auf dem Podium (v. l.): Walter Lenz, Julia Antoni und Arne Klawitter.

Oberursel (js). Die Sommer werden heißer und trockener. Sie wurden extrem heißer und trockener in vier der vergangenen fünf Jahre. Die Grundwasserneubildung geht zurück, die Ergiebigkeit bei der Gewinnung aus Brunnen ist rückläufig. Steht uns Trinkwasser dauerhaft ausreichend zur Verfügung? Ihre rhetorische Frage beantwortet Julia Antoni selbst: „Nein, wir müssen uns Gedanken machen“, sagt die Geschäftsführerin der Stadtwerke Oberursel, die für die Wasserversorgung zuständig sind. „Wir stehen tendenziell nicht so schlecht da, müssen uns aber mit Einschränkungen arrangieren“, sagt der Hydrogeologe Walter Lenz, der sich im Boden unter den Taunushängen und unter der Stadt bis hinunter zu den Riedwiesen gut auskennt. „Die Wassergewinnung durch neue Brunnen wird aufwendiger und teurer.“ Auf der anderen Seite gibt es viel zu tun, um die Stadt und ihre Menschen auf Starkregenereignisse vorzubereiten, sagt der Ingenieur Arne Klawitter vom Planungsbüro aquadrat. Er arbeitet derzeit an einem „Klimaanpassungspaket“ für die Stadt Oberursel.

Drei Experten, so werden sie angekündigt für die erste Bürgerversammlung der Wahlperiode 2021-2026, drei Erkenntnisse. Ohne Dramatik werden sie dem interessierten Publikum vorgetragen, als wäre alles noch im grünen Bereich, zur Eile mahnt nur Bürgermeisterin Antje Runge im kurzen Vorwort an die rund 100 Bürger, die gekommen sind, um mehr zu erfahren zum spannenden Thema „Zu wenig, zu viel? – Wasser in Oberursel zwischen Trockenheit und Starkregen“. Der Vorhang im Hintergrund auf der Bühne der Stadthalle wirkt wie ein strahlender blaugrüner Wasserfall, „wir dürfen keine Zeit verlieren“, sagt die Bürgermeisterin. Es gehe nun um „strategische Maßnahmen vor Ort“, die ganze Stadtgesellschaft müsse mitarbeiten, „auch jetzt im frühen Stadium“. Auch Runge zeigt sich wie Stadtverordnetenvorsteher Lothar Köhler bei der Begrüßung und die Vortragenden „begeistert“, dass so viele zur Informationsveranstaltung gekommen sind, um das drängende Thema in Angriff zu nehmen. Es waren noch viele Stühle frei in der geräumigen Stadthalle.

Der Hydrogeologe Walter Lenz beruhigt: „Es gibt noch Wasser“. Erklärt am schematischen Profilschnitt der Vortaunushänge die geologisch-hydrogeologischen Rahmenbedingungen mit „gut geklüftetem Gestein“ und muldenartig eingefassten Wannen, die in guten Niederschlagsphasen schnell gefüllt sind. Spricht über die wichtigen Grundwasserstollen und Brunnenanlagen, unterirdische Abflüsse und wie schwierig es sei, „weitere gute Stellen zu finden wie die Riedwiesen“. Über Wochen und Monate wurden in diesem Jahr Bohrungen im Bommersheimer Feld durchgeführt, um neue Wasseradern aufzutun, nun ja, ein bisschen Hoffnung bleibt. „Es gibt noch relevante Reserven“, sagt Lenz, aber die Entwicklung von Bodenwasserhaushalt und Grundwasserneubildung sei rückläufig. In Zukunft – Lenz definiert einen Zeitraum von Jahrzehnten – würden wohl nur noch „25 bis 30 Prozent der früheren Werte“ erreicht.

Stadtwerke-Chefin Julia Antoni spricht über die „geologisch glückliche Lage“ der Stadt. Der hohe Grad der Eigengewinnung von Wasser minimiere den nötigen Zukauf und damit Abhängigkeiten von fremden Quellen. Der Wasserverbrauch steige mit wachsender Bevölkerungszahl, obwohl der Wasserverbrauch je Einwohner in der Tendenz sinke. Rund 127 Liter pro Person und Tag zeigt die Grafik vor dem blaugrünen Wasservorhang, das sei ordentlich, die Wasserversorgung sei für die „nächsten Jahre gesichert“, mit den Zulieferern gibt es Verträge bis 2030. Die vor vier Jahren etablierte Wasserampel „funktioniert ganz klasse“, so Antoni, hat noch nie Trinkwassernotstand angezeigt und stand auch im heißen Sommer 2022 stets auf Gelb, was ein „hervorragendes Ergebnis“ sei. Die Sensibilisierung der Bevölkerung für Einsparpotenziale sei gelungen. Ohne zwei Millionen Euro jährliche Investition in den Erhalt der Infrastruktur sei der heutige Standard aber nicht zu halten.

Trockenheit auf der einen Seite, Wasserüberfluss in Extremphasen auf der anderen Seite. Dafür soll der Ingenieur Arne Klawitter Möglichkeiten der Prävention aufzeigen. „Maßnahmenkonzepte“ und „Klimaanpassungspaket“ sind die Stichworte. Was auf diesem Gebiet bereits gemacht wird und welche weiteren Möglichkeiten es gibt, das interessiert die Menschen im Saal am meisten. „Wassersensible Stadtplanung“ mahnt der Bommersheimer Bürger Klaus Hieronymi an, vor allem bei der Entwicklung von Neubaugebieten wie jetzt eben in Bommersheim geplant an der Mutter-Teresa-Straße. „Das vermisse ich vollständig in der Stadt.“ Zuviel Trinkwasser werde immer noch für Klospülung verwendet, gleichzeitig fließe Regenwasser ungenutzt ab, moniert Peter Cornel von der Oberurseler Klimainitiative, eine neue Zisternensatzung sei dringend erforderlich. Dazu nickt die Bürgermeisterin heftig, „dabei sind wir auf dem Weg“. Auch beim Thema Brauchwasserwiederverwertung, bei Neubauten soll in Zukunft viel mehr auf diesem Terrain eingeplant werden. Auch das Gemeinnützige Siedlungswerk (GSW) als Bauträger an der Mutter-Teresa-Straße habe „viel vor auf den Dächern“.

Die summierten möglichen Maßnahmen zur Prävention mit Blick auf Starkregenereignisse wird die Stadt wohl demnächst im Klimaanpassungskonzept vorstellen. Arne Klawitters Vorschläge für „mögliche Maßnahmen gegen Starkregen“ und eine „wassersensitive Stadtentwicklung“ waren in der Bürgerversammlung ein Vorgeschmack darauf. Entsiegelung und wasserdurchlässige Beläge, Rasengittersteine, Sickerpflaster, „Straßenbegleitende Versickerungs- und Retentionsmulden“, die Zusammenarbeit mit Land- und Forstwirtschaft in allen Bereichen der Prävention, Grün- und Blaudächer für einen Wasserrückhalt von bis zu 60 Prozent im Jahr, der Bau von künstlichen „Biberdämmen“ als Fließhindernisse an schnellen Fließgewässern, Muldenspeicher an Forst- und Wirtschaftswegen, es gibt viel zu tun, so Klawitter. Dazu „risikoangepasste Gebäudegestaltung“, ein Bereich, in dem die Bürger vor allem selbst aktiv werden müssen.

Weitere Artikelbilder



X