Oberursel (ow). „Direkt vor den Hausaufgaben sollte man ASMR-Videos besser nicht anschauen“, rät die 15-jährige Jana Schlotmann, Schülerin des Gymnasiums Oberursel (GO), denn dadurch ließe die Konzentration nach. Ihre Erkenntnis stützt sie auf ihre erweiterte und vielfach verbesserte Projektarbeit über das neurologische Phänomen „ASMR“, die sie erneut beim Wettbewerb einreichte und die ihr den ersten Platz im Regionalwettbewerb bei „Jugend forscht“ einbrachte.
Von dem YouTube-Phänomen haben viele wahrscheinlich noch nichts gehört, auch wenn es sich als neuer Trend abzeichnet. Bei ASMR handelt es sich um Videos, die mit gedämpften Geräuschen, flüstern und sanften Klängen arbeiten. Auch Alltagsgeräusche wie Tütenrascheln oder leises knacken werden eingebaut. Dies soll beim Nutzer ein angenehmes Gefühl auslösen, das sich von Kopfhaut oder Nacken über den ganzen Körper ausbreitet.
Die 58. Runde des Regionalwettbewerbs Rhein-Main West von „Jugend forscht“ (Altersklasse ab 15 Jahren) und „Schüler experimentieren“ (Altersklasse bis 14 Jahre) stand unter dem Motto „Macht Ideen groß!“. Insgesamt 60 Jungforscher präsentierten im Senckenberg Institut & Museum Frankfurt ihre Forschungsergebnisse und standen zu ihren Arbeiten Rede und Antwort. Bereits vor Öffnung des Museums warteten die schon leicht aufgeregten Teilnehmer mit ihren Betreuern aus den Schulen am Eingangstor, um endlich in den „Saal der Wale und Elefanten“ eingelassen zu werden und ihre Projekte aufbauen zu können. Vier Wochen zuvor mussten alle eine mehrseitige Arbeit über ihr Forscher-Projekt einreichen und dabei den Vorgaben von Wissenschaftlichkeit genügen. Dafür bietet der deutschlandweit auf regionaler Ebene sowie Länder- und Bundesebene ausgetragene „Jugend-forscht“-Wettbewerb eine ausgezeichnete Plattform. Die Wettbewerbs-Paten „Provadis“, das größte Ausbildungsunternehmen Hessens, und „Senckenberg“, das international renommierte Forschungsinstitut und –museum unterstützen dies.
Und so konnte Jana Schlotmann aus der Klasse 10b mit ihrer Forschungsarbeit „ASMR – Was verbirgt sich hinter dem Trend?“ die Jury beeindrucken. Die Abkürzung ASMR steht für „Autonomous Sensory Meridian Response“ und beschreibt ein Phänomen, das ein kribbelndes Gefühl im Hinterkopf. Es wird bei manchen Menschen durch bestimmte Geräusche, Bilder oder rhythmische Berührungen ausgelöst. Wie das zustande kommt und was es mit einem macht, ist noch kaum untersucht. Es gibt inzwischen viele Video-Kanäle, die bei Nutzern entsprechend nachgefragt werden, um das beschrieben Gefühl zu bekommen. Auch scheint es einen Zusammenhang zur Synästhesie zu geben und auch das wollte Jana erforschen. Synästhetiker sind Menschen, die bei einem Sinnesreiz eine weitere, andere Empfindung haben, also zum Beispiel beim Hören von Musik oder Wörtern auch bestimmte Farben empfinden. Ob nun Synästhetiker besonders empfänglich für ASMR sind, war Teil einer umfangreichen Befragung der Schüler am Gymnasium Oberursel bis hin zur Oberstufe sowie der Eltern und Lehrer. Über einen QR-Code konnten die Teilnehmenden eine von Jana entwickelte und verbesserte Umfrage aufrufen, verschiedene ASMR-Video-Sequenzen anschauen und so am ersten Teil des Projektes mitwirken. Davor und danach mussten sie Konzentrationsaufgaben wie Kopfrechnen lösen und ihre Stimmung genau beschreiben. In einem völlig neu entwickelten zweiten Teil der ASMR-Untersuchung nahm Jana die körperlichen Auswirkungen genauer unter die Lupe. Dazu beriet sie sich umfassend mit Ärztinnen für Neurologie und entschied sich, mit einem Pulsoximeter die Herzschlagfrequenz von ausgewählten Probanden während der Teilnahme digital aufzuzeichnen und auszuwerten.
Die Auswertung ergab unter anderem, dass ASMR-Videos bei 50 Prozent der Teilnehmern die Stimmung verbesserte, aber die Konzentration verschlechterte und häufig den Puls senkte. Dabei ist die Wirkung der ASMR-erzeugenden Videos deutlich messbar und unterscheidet sich von „normalen“ Videos stark, besonders bei jüngeren Teilnehmern.
All das überzeugte die Jury, denn in ihrer Laudatio lobte sie, dass Jana „für ihre Arbeit brenne und die Ergebnisse unglaublich spannend präsentierte“. Im Fach „Biologie“ erhielt Jana den ersten Platz und gewann damit 75 Euro. Noch wichtiger ist für sie die damit verbundene Teilnahme am Landeswettbewerb „Jugend forscht“ am 29. und 30. März in Darmstadt. „Dass ich wieder dabei sein darf, freut mich sehr! Und natürlich hoffe ich, dass ich das Gymnasium Oberursel erfolgreich vertreten kann – auch wenn ich schon ein bisschen aufgeregt bin.“ wie Jana Schlotmann zugeben muss.
Jugend-forscht-AG-Leiter und Betreuer am Gymnasium Oberursel, Lehrer Jens Frowerk, ist da ganz zuversichtlich. Und jetzt drückt ihr das ganze Gymnasium die Daumen für die nächste Runde!“