Kindheitserinnerungen am Radsportfeiertag

Ein bisschen wie Paris-Roubaix – das Hauptfeld rauscht über den Marktplatz. Foto: bh

Von Björn Hahn

Oberursel. Es ist immer wieder ein Spektakel. Wenn sich am 1. Mai die Radprofis – und jede Menge Amateure – quer durch den Taunus quälen, zieht es Jung und Alt an die anspruchsvolle Rennstrecke – natürlich auch in Oberursel.

„Ich war schon häufiger an der Strecke, das ist Tradition. Früher stand ich auch mal an der Großen Kurve, heute stehe ich mit meinen Kindern am Marktplatz“, sagt Carsten aus Bommersheim: „Das Radrennen verbinde ich mit meiner Kindheit.“ So geht es ganz vielen, die sich bei traumhaftem Kaiserwetter zur 61. Auflage des Radklassikers am Marktplatz und in der gesamten Stadt an der Strecke positionierten, um den Radsportlern zuzujubeln. „Wir sind mit den Kindern schon seit 9 Uhr unterwegs und schauen allen zu – zunächst den Amateuren und gleich den Profis“, sagt Isabel aus Oberursel, die immer wieder einen Blick auf die Strecke und nach den Kindern wirft, um nicht den großen Moment – die Durchfahrt der Radsportler – zu verpassen.

Aber die Zuschauer kommen auch aus anderen Orten in der Umgebung. „Wir wohnen in Kalbach“, erklärt Thomas, der gemeinsam mit seiner Freundin Ricarda am Marktplatz steht: „Wir hatten es schon länger vor, und heute sind wir auf die Fahrräder gestiegen und hierher gefahren.“ Das Radrennen sei eine tolle Tradition. Mit Tradition kennt sich auch Dieter aus. Der 75-Jährige kommt aus Sachsenhausen und war schon als Kind beim Radrennen dabei. „Ich bin durch meinen Vater und Großvater damit aufgewachsen, habe die Rückennummern vergeben und war schon immer im Radsportverein.“ Auch zur Tour de France im Sommer will er fahren. In Oberursel schaut der Frankfurter das Rennen aber zum ersten Mal. „Ich komme gerade vom Sandplacken und will nach dem Rennen noch meine Nichte besuchen – sie wohnt hier in Oberursel.“ Und so war es wenig überraschend, dass auch in diesem Jahr die Menschen wieder in mehreren Reihen am Marktplatz standen und die guten Plätzen – in der ersten Reihe oder an der Steigung zum Rahmtor – früh belegt waren. „In Oberursel herrscht am 1. Mai rund um die Strecke Volksfeststimmung, denn der Radklassiker ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil im Kalender der Sportenthusiasten. Hotspot ist der Marktplatz“, erklärt Bürgermeisterin Antje Runge, die selbstverständlich auch am Streckenrand zu finden war: „Die Stimmung an der Strecke war überragend. Als dann auch noch unser Lokalmatador John Degenkolb im Spitzentrio mit über fünf Minuten Vorsprung auf dem Marktplatz einfuhr und grüßte, gab es kein Halten mehr – auch am Rest der Strecke durch Oberursel wurde ,Dege‘ gefeiert.“

Und damit hatte sie recht. Zur Verwunderung vieler sportinteressierter Zuschauer setzte sich Degenkolb, dessen Start aufgrund anhaltender Kniebeschwerden lange unsicher war, bereits kurz nach dem Start mit zwei weiteren Profis ab und bildete die Fluchtgruppe, die erst über 100 Kilometer später vom unnachgiebigen Hauptfeld wieder geschluckt wurde. „Heute ist etwas Unerwartetes passiert: Ich habe die Bergwertung bei meinem Heimrennen gewonnen“, schrieb Degenkolb auf Instagram: „Ihr habt richtig gelesen: Ich war Erster am Feldberg und zweimal am legendären Mammolshainer Stich. Dann wurde das Rennen härter. Es wurde kurzzeitig unheimlich, aber am Ende hat es großen Spaß gemacht, und ihr, die Zuschauer ‚Amazing‘. Ein echter Radsportfeiertag...“ Und damit trifft es der 35-Jährige genau auf den Punkt: Denn egal, ob als Familie, als Freundesgruppe oder als Radsportbegeisterter, der 1. Mai bietet den Oberurselern jedes Jahr ein besonderes Spektakel.

!Am Ende wurde es für Lokalmatador John Degenkolb Platz 76. Als Erster durchs Ziel fuhr nach 201,5 Kilometern mit der Zeit von 4:46:48 Stunden der Belgier Maxim van Gils vor dem Spanier Alex Aranburu und dem US-Amerikaner Riley Sheehan. Bester Deutscher auf Rang 17 wurde Jonas Rutsch. Die kompletten Ergebnisse und weitere Informationen stehen im Internet unter www.eschborn-frankfurt.de.

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