Luchs „M12“ besucht die Frankfurt International School

Das Sportgelände der Frankfurt International School ist offensichtlich nicht nur für Sportler äußerst attraktiv. Auch Luchs „M12“ unternimmt hier gerne einen Spaziergang und genießt ein Sonnenbad.Foto: FIS Media Team

Oberursel (pit). M12 lautet der überaus nüchterne Name eines überaus unternehmungslustigen und ungewöhnlich wenig scheuen Tieres, das am vergangenen Freitag für viel Aufregung an der Frankfurt International School (FIS) sorgte. Ein Luchs hatte es sich am Morgen auf dem Kunstrasen des Sportgeländes gemütlich gemacht und obwohl er für ziemlich viel Trubel auf dem Platz sorgte, dachte er gar nicht daran, sein Sonnenbad abzubrechen. Schließlich hielt sein Publikum ja respektvoll Abstand, legte lediglich mit Kameras auf ihn an. „Wir informierten zunächst unseren Hausmeister und der nahm dann Kontakt zum Förster auf“, berichtet Vera Thiers, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei der FIS. Der konnte versichern, dass von dem Tier zu keinem Moment eine Gefahr ausgegangen sei: „Luchse greifen keine Menschen an.“ Zu den Beutetieren des „Lauerjägers“ gehören Hasen, Vögel, kleines Rotwild, machmal vielleicht auch eine Wildkatze, wenn sie die Auseinandersetzung sucht. Daher ist er für Hunde auch erst eine Gefahr, wenn sie ihn angreifen oder ihm seine Beute streitig machen.

Spannend ist darüber hinaus die Tatsache, dass M12 den Medien kein Unbekannter ist, weil sich diese scheue Katzenart vorzugsweise im Verborgenen hält. Doch sein ungewöhnlicher Lebenslauf lässt sich recht gut verfolgen. Im April 2018 wurde M12 im Alter von rund 11 Monaten das erste Mal im Rahmen des Luchsprojekts Harz des BUND eingefangen, Genproben wurden entnommen, er wurde fotografiert, mit einem Sender versehen und wieder freigelassen. Die folgenden Monate verliefen recht unspektakulär, aber überaus reisefreudig. Wie seinen GPS-Daten zu entnehmen war, wanderte M12 von Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen und von dort durchquerte er Hessen bis in den Süden. „Die ganze Zeit über war er vollkommen unauffällig, nur ein einziges Mal wurde er von einem Jäger gesichtet“, berichtet Diplom-Biologin Martina Denk vom Arbeitskreis Hessenluchs des BUND. Im November 2018 sei dann naturgemäß der Sender ausgefallen und auch das Halsband habe sich an der dafür von vornherein vorgesehenen Sollbruchstelle geöffnet und verabschiedet. Gefunden wurde es in Baden Württemberg. M12 war also weiter gen Süden gezogen. Und blieb weiter unauffällig. Bis zum Januar 2020. Da wurde er zunächst mehrfach rund um den Wildpark Alte Fasanerie gesichtet, in dem sowohl männliche als auch ein weiblicher Luchs lebt. „Alle Luchse haben individuelle Flecken im Fell, daher lassen sie sich anhand von Bildern wiedererkennen“, verrät Martina Denk. Viele solcher Bilder wiederum entstehen durch im Wald installierte Fotofallen.

Aber offensichtlich hatte M12 gar kein großes Interesse an seinen Artgenossen. Vielmehr drang er in das Gehege der Mufflons ein, um dort ein Tier zu reißen. „Von den Wunden des toten Tieres wurden Proben entnommen und aufgrund der Genanalysen, die das Forschungsinstitut Senckenberg vornahm, konnte M12 eindeutig identifiziert werden“, so die Biologin. Und obwohl er kurz darauf in eine eigens für ihn aufgestellte Falle ging und zu den anderen Luchsen gesteckt wurde, war der Aufenthalt der ansehnlichen Katze nur von kurzer Dauer. Denn der wildlebende Geselle, der zwar mit drei Jahren geschlechtsreif geworden ist, hatte wenig Familiensinn, ließ sich vom Zaun nicht aufhalten und ging wieder auf Wanderschaft, um schließlich im Juli bei Butzbach und im August im Hochtaunus aufzutauchen. Für Martina Denk ist vor allem die Wesensänderung des früher scheuen Luchses bemerkenswert: „Vermutlich hat er sich in der Zeit, die er im Umkreis der Alten Fasanerie verbrachte, an Menschen und Autos gewöhnt und seine natürliche Zurückhaltung allmählich verloren.“ Sie freut sich jedoch sehr darüber, dass in Hessen aktuell vermutlich fünf Luchse leben und betont nachdrücklich: „Luchse greifen weder Erwachsene noch Kinder an.“ Für Hauskatzen sei eine Gefahr nicht auszuschließen, jedoch: „Warum sollte er?“ Sein Beuteschema sei schließlich ein ganz anderes. Allerdings sollten weder M12 noch andere Luchse angefüttert werden, da sie sich sonst noch näher zu den Menschen gesellen. Nähere Informationen zu diesem Thema gibt es im Internet unter www.luchs-in-hessen.de. Dort finden sich auch die Ansprechpartner in den Landkreisen, die sich über die Meldung einer Luchs-Sichtung sehr freuen.

M12 wurde übrigens letztlich nicht durch einen Schiedsrichter, sondern durch zwei Polizeibeamte vom Sportplatz der FIS verwiesen. Sie klatschten im respektvollen Abstand in die Hände, woraufhin er gemessenen Schrittes über die Brücke und durch das hierfür eigens geöffnete Tor in den Wald zurückkehrte. Wo er das Gelände betreten hat ist allerdings nicht ganz klar: „Vielleicht hat er in der Fasanerie erkannt, dass Zäune kein Hindernis für ihn sein müssen“, mutmaßt Martina Denk.



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