Michael Quast rückt Mistkäfer, Biene und Spinne in den Fokus

Oberursel (bg). Einen Bienenstich in der Sommerzeit, das kennen viele. Gemeint ist nicht der fluffig, leichte Kuchen bedeckt mit Mandeln und gefüllt wahlweise mit Creme oder Sahne, sondern der profane, schmerzende und schnell anschwellende Stich einer Honigbiene. Genießerisch geht man im Sommer barfuß über einen schönen Kleerasen, und schon ist es passiert. Dieses Szenario ließ Michael Quast vor dem inneren Auge der Zuhörer in der Stadthalle entstehen. Eines war sonnenklar: Jeder kannte das aus unschöner, eigener Erfahrung.

Alle Welt spricht vom Insektensterben. Michael Quast auch. „Kribbel – Krabbel“ mit diesem Programm gab es ein Wiedersehen mit dem bekannten Frankfurter Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter. Wegen der strengen Hygieneauflagen fand die Lesung nicht wie üblich in der kleinen, liebevoll restaurierten Kreuzkapelle statt; stattdessen musste der Kulturkreis Oberursel die Veranstaltung in die Stadthalle verlegen. Das Publikum saß an langen Tischen platziert weit auseinander. Die große Bühne zu bespielen war für den glänzenden Rezitator keine einfache Aufgabe. Seine Lesung entwickelt sich zur Lehrstunde mit vielen Fachvorträgen zum Thema Insektensterben.

Das gesammelte Wissen über den dramatischen Rückgang der Artenvielfalt trug er aus zahlreichen Zeitungsartikeln vor, die besagen: „Wenn eine Art verschwunden ist, dann ist sie weg.“ Von 600 Wildbienen ist jede zweite Art vom Aussterben bedroht. Die Zahlen lassen niemanden kalt. Unter den ausgewählten Autoren, die sich mit den Insekten und ihrer für die Ernährungskette der Menschen so wichtigen Bestäubungsleistung befassten, waren Kapazitäten wie Volker Mosbrugger, der langjährige Generaldirektor des Senckenbergmuseums, oder Jean-Henri Fabre.

Der französische Naturwissenschaftler und Autor lebte im 19. Jahrhundert und genoss auch unter Literaten großes Ansehen. Seine „Entomologischen Erinnerungen“ wurden weltberühmt und in viele Sprachen übersetzt. Da er seine Forschungsergebnisse in so kunstvoller Schreibweise verfasste, wurde er im Jahr 1912 sogar für den Nobelpreis für Literatur vorgeschlagen wurde. Michael Quast hatte für die Lesung Jean-Henri Fabres Arbeiten über die gemeine Schmeißfliege, die ihre Opfer kenntnisreich seziert, und den Mistkäfer ausgewählt.

Mit exaktem Forscherblick gewährte Jean-Henri Fabre in poetischer Sprache Einblicke in die meisterliche Präzisionsarbeit des gewöhnlichen Mistkäfers, genannt der Pillendreher. Unter großen Kraftanstrengungen dreht er aus Misthaufen die sprichwörtlichen Pillen mit Hilfe seiner für diese Aufgabe perfekt anatomischen ausgebildeten Hinterbeine. Wenn er diese Kügelchen in Sicherheit bringen willen, gesellt sich gerne ein weiterer Mistkäfer dazu. Scheinbar bietet der dem Kollegen bei der schweren Arbeit seine Hilfe an, aber, so fand Jean-Henri Fabre durch seine exakten Beobachtungen heraus, das sei nicht so. Es handele sich vielmehr um einen gemeinen Raubzug.

Außer den aufschlussreichen wissenschaftlichen Arbeiten hatte Michael Quast für sein Programm aber auch einen bunten, vergnüglichen Querschnitt literarischer Stücke zusammengetragen. Verfasst von literarischen Hochkarätern. Deren Einlass auf die Plagegeister fiel sehr unterschiedlich aus. Er las Texte von Christian Morgenstern, Robert Gernhardt und Peter Handke, der 2019 den Literaturnobelpreis erhalten hatte. Natürlich fehlte nicht die schaurige Novelle über die „Schwarze Spinne“ des Schweizer Dichters Jeremias Gotthelf, mit bürgerlichem Namen Albert Bitzius. Sein Landsmann Gottfried Keller bekannte, dass ihm in jungen Jahren Spinnen zuwider waren, „das Töten nahm kein Ende“, erst im Alter wurde er milder.

Bei Heinrich Heine menschelte es im Gedicht „Die Launen der Verliebten“. Das Gedicht beschreibt die Liebe eines Käfers zu einer gewöhnlichen Stubenfliege. Und Frankfurts berühmtester Sohn, Johann Wolfgang von Goethe, bezeichnete die leidigen Insekten gar als die wahren „Musageten“, denen er manche goldene Stunde verdanke.

Schauspieler und Regisseur Michael Quast gastiert mit seinem Programm „Kribbel – Krabbel“ in der Stadthalle. Foto: bg



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