OWG erwartet schwere Zeiten für Wohnungsbauunternehmen

Oberursel (ow). Rainer Zulauf fand bei der Eröffnung der 42. Vertreterversammlung (128. Generalversammlung) der Oberurseler Wohnungsgenossenschaft (OWG) in der Stadthalle deutliche Worte. „Wir stehen vor einer Zeitenwende“, stellte der Aufsichtsratsvorsitzende fest. „Im Jahr 2021 konnten wir noch fast normal wirtschaften. Aber jetzt kann niemand voraussehen, was auf uns alles zukommt“. Die Lage für die gesamte Branche skizzierte er als sehr schwierig. Die Krisensituation durch den Krieg in der Ukraine, die Lieferkettenprobleme und die enormen Kostensteigerungen hätten massive Auswirkungen auf den bezahlbaren Wohnungsbau. Gerade sozial orientierte Wohnungsbauunternehmen sähen sich gezwungen, Neubauprojekte zurückzustellen, 14 Prozent der Investoren würden den geplanten Bau neuer Mehrfamilienhäuser komplett aufgeben. Ähnlich dramatisch sei die Lage bei den Modernisierungsprojekten. In hohem Umfang würden klimaschonende und altersgerechte Umbauten von Wohnungen auf Eis gelegt. Der Staat müsse unterstützend eingreifen, forderte er.

Die Corona-Krise habe die OWG im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021 noch gut gemeistert. Wie seit vielen Jahren üblich konnte Zulauf den versammelten Wohnbaugenossen ein gute Bilanz vorlegen. Das Gesamtkapital der OWG betrug über 66 Millionen Euro, die Eigenkapitalquote lag bei 66 Prozent. Die Versammlung konnte auch diesmal wieder vier Prozent Dividende auf den Bilanzgewinn in Höhe von insgesamt 225 438 Euro an die Genossenschaftsmitglieder ausschütten.

In Vertretung für die hauptamtliche Geschäftsführerin Birgit Welter, deren Vertrag gerade für weitere fünf Jahre verlängert wurde, legte Stephan Schreck den Tätigkeitsbericht für das abgelaufene Geschäftsjahr vor. Demnach bewirtschaftete die OWG 1705 Wohnungen, die durchschnittliche Nutzungsgebühr lag im Jahr 2021 bei 6,87 Euro pro Quadratmeter. Der Genossenschaft gehörten 4514 Mitglieder an, die Fluktuationsrate war gering. In Kronberg-Oberhöchstadt wurde mit dem Neubauprojekt „Friedensstraße“ begonnen. Dort werden 60 Wohnungen, zwölf davon voraussichtlich öffentlich gefördert, sowie eine Tiefgarage für 67 Fahrzeuge und 15 oberirdische Stellplätze gebaut, im KfW-Effizienzstandard 55; der Bezug ist für das Jahr 2023 geplant. Die OWG rechnet mit voraussichtlichen Kosten in Höhe von 15,1 Millionen Euro. Der Neubau in der Bommersheimer Straße 68 mit acht Wohnungen und elf oberirdischen Stellplätzen konnte im Mai 2021 fertiggestellt werden. Die Baukosten dafür betrugen über 1.8 Millionen Euro. Weitere 4,4 Millionen Euro wurden für die Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen des Altbestands in der Dornbachstraße und in der Bommersheimer Straße ausgegeben. „Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine werden unsere Tätigkeit weiter sehr beeinflussen“, stellte das Vorstandsmitglied fest. „Wir müssen weiter mit steigenden Energiepreisen, steigenden Baukosten und Lieferengpässen rechnen. Wir werden dennoch alles daran setzten, die energetische Modernisierung und Erneuerung unseres Gebäudebestands weiter voranzutreiben“. Für das nächste Jahr plant die OWG die energetische Sanierung der Alexander-Hess-Straße 2-8 und eine Baugenehmigung für eine Nachverdichtung in der Straße „Zum Flemig“.

„Seit 125 Jahren ist die OWG ein verlässlicher Partner in Sachen Wohnungsbau und Wohnraumbewirtschaftung für die Städte Oberursel und Kronberg, wir werden auch jetzt den Kopf nicht in den Sand stecken“, so Rainer Zulauf. Er hofft optimistisch auf gemeinsame Projekte. Gerade eben habe ja die Stadt Oberursel ein Konzept für den Bau von preiswerten Wohnungen beschlossen. Aber auf die Mieter komme eine hohe Kostenlawine zu. Es sei sinnvoll schon jetzt Rücklagen zu bilden, denn die Heizkosten könnten sich verdoppeln. Er hoffe, dass niemand verloren gehe und der Staat bei Notfällen unterstützend eingreife.

Turnusgemäß wurden die ausscheidenden Aufsichtsratsmitglieder Karina Maas-Margraf und Wilfried Günther wieder in das Gremium gewählt. Edgar Parnet trat für eine erneute Wiederwahl nicht mehr an. „Du hast den Genossenschaftsgedanken mit deinem jahrzehntelangen ehrenamtlichen Einsatz vorbildlich und mit ganzem Herzen gelebt“, so bedankte sich Rainer Zulauf bei dem ausscheidenden Aufsichtsratsmitglied, der dem Gremium seit 1989 angehört hat. Edgar Parnet verabschiedet sich mit der schönen Feststellung: „Wenn es die OWG nicht gäbe, müsste sie erfunden werden“. Als seine Nachfolgerin wurde Stefanie Erbe vorgeschlagen, die einstimmig gewählt wurde. Seit ihrem sechsten Lebensjahr ist sie Mitglied in der Genossenschaft, Zahlen sind ihr tägliches Geschäft, sie arbeitet in der Finanzbranche. Zum Schluss gab Rainer Zulauf den Termin für das Jahresabschlusstreffen der gewählten Vertreter bekannt, es ist der 15. Dezember. Zwei Jahre war das Zusammensein wegen Corona ausgefallen.

Generationswechsel im Aufsichtsrat der OWG: Edgar Parnet gibt den Staffelstab weiter an Stefanie Erbe zur Unterstützung des Vorsitzenden Rainer Zulauf (v. l.). Foto: bg



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