Plastizität des Gehirns: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans

Oberursel (ow). Der Seniorenbeauftragte der Stadt, Katrin Fink, sind seit Jahren die Themen „Gesund älter werden“ und „differenziertes Altersbild“ sehr wichtig. In dieser Folge geht es um „Plastizität des Gehirns: Was Hänschen nicht lernt – lernt Hans dann“.

Bei einem Telefonat fragte Katrin Fink, ob die Anruferin eine E-Mail-Adresse habe, und erhielt folgende Antwort: „Nein, ich bin 80.“ Die jetzige Generation 80+ ist aufgewachsen mit dem Leitsatz „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ und hat ihn oft verinnerlicht. Dabei sagen Wissenschaft und Forschung schon seit Jahren, was mit zahlreichen Studien bestätigt wurde: Lernen ist bis ins hohe Alter möglich, unter anderem aufgrund der Plastizität des Gehirns.

Plastizität ist die Eigenschaft einzelner Synapsen, Nervenzellen und ganzer Gehirnareale, sich in Abhängigkeit ihrer Nutzung zu verändern. Plastizität meint somit die Fertigkeit des Körpers, Verluste zu regulieren, etwa nach einem Schlaganfall mit einem anderen Gehirnareal neu wieder sprechen und laufen zu lernen. Neuverschaltungen zwischen verschiedenen Netzwerken im Hirn entstehen, wenn man lernt. Je häufiger Nervenverbindungen genutzt werden, umso fester wird die Verbindung und umso besser sitzt das Gelernte. Das Gehirn kann man trainieren wie einen Muskel – das ganze Leben lang.

Natürlich nimmt im Lauf des Lebens die biologische Plastizität und auch die sogenannte flüssige (fluide) Intelligenz ab, also unter anderem die schnelle Auffassungsgabe, Anpassungsfähigkeit und Kombinationsgabe. Daher gewinnen Sechsjährige beim Memory-Spielen mit den Großeltern. Das Gehirn braucht im Alter länger, um sich neu, anders beziehungsweise stärker zu vernetzen. Erwachsene lernen also nicht unbedingt schlechter als Kinder, aber anders. Das heißt, dass das Lerntempo und der Lerninhalt angepasst werden sollten, um Frustration und Enttäuschung zu vermeiden.

Im Gegensatz zur verringerten flüssigen Intelligenz ist die kristalline Intelligenz, die „Altersweisheit“, im Alter erhöht, denn sie beruht auf Erfahrungen und vorhandenem Wissen. Es gibt einige praktische Tipps, wie man ohne große Anstrengung und mit einer Menge Spaß die eigene kristalline Intelligenz fördern kann:

Interessiert und mit offenen Augen durchs Leben gehen nach dem Motto „Stillstand ist Rückschritt“, wieder „Wer wird Millionär?“ schauen, Apps wie „Quizduell“ herunterladen und zu bedenken, dass Ortswechsel und Reisen bilden. 

Die aktuellste Empfehlung zur Demenzprävention als Ergänzung zu einem gesunden Lebenswandel mit Bewegung, Ernährung und Stressreduktion ist außer der Behebung von Hörverlusten immer mal wieder etwas Neues zu machen. Das muss kein Studium, exotischer Urlaub oder sonst etwas Größeres sein, es reicht, den gewohnten Spaziergang einmal anders herum zu laufen, mit der linken Hand die Zähne zu putzen und ähnliches. Es geht also darum, Gewohnheiten zu durchbrechen und dadurch dem Gehirn ungewohnte Impulse zu geben, damit es aus dem „Autopilot“ gerissen wird. Dadurch wird angeregt, neue Synapsen zwischen den Nervenzellen zu bilden, die das Grundgerüst sind für die Kompensation verlorener Nervenzellen beziehungsweise Nervenverbindungen, auch bei einer beginnenden oder länger vorhandenen und während einer Demenz. Besonders effektiv lernt das Gehirn mit Spaß und Freude.

Für Gespräche steht die Seniorenbeauftragte Katrin Fink montags, mittwochs und donnerstags zur Verfügung unter Telefon 06171-502289 oder per E-Mail an katrin.fink[at]oberursel[dot]de.



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