„Schulinsel im Stadtgefüge“ mit hoher Funktionalität

Volker Räuber hat Lust am Fliegen. Als Pensionär will er den Pilotenschein machen.Foto: HB

ow-Schulinsel

Oberursel (ow). „So viele Experten zurück an der Schule – das erfordert Mut“! Mit diesen Worten eröffnete Schulleiter Volker Räuber gewohnt eloquent und treffsicher die von der Landesarchitekten- und Stadtplanerkammer organisierte Fachtagung zum Thema „Aktuelle Entwicklungen im Schulbau – Erweiterung und Sanierung“, die in der vergangenen Woche am Gymnasium Oberursel (GO)stattfand.

Den Schüler bot sich ein ungewohntes Bild, als sie ihre Rotunde gefüllt sahen mit nahezu 100 Architekten, Mitgliedern der Hochbau-Abteilung des Hochtaunuskreises und Angehörigen der Landesarchitektenkammer. Der Veranstalter hatte das GO als Veranstaltungsort der Fortbildung bewusst ausgewählt, gilt doch der 2013 eröffnete Erweiterungsbau als Vorzeigeobjekt im Schulneubau. Das mit der „Johann-Wilhelm-Lehr-Plakette für gute Architektur“ ausgezeichnete Gebäude wurde auch deshalb in Führungen von allen Teilnehmern neugierig inspiziert und bewundert. „Unsere Schule als Tagungsort ist eine gute Wahl“, bestätigte auch Räuber selbstbewusst, denn das GO sei nicht nur im pädagogischen Bereich eine sehr dynamische Schule, sondern auch im Baulichen. Es sei eine „Selbstständige Schule“ mit einem spezifischen G8/G9-Sondermodell und Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Musik, Sprachen und Naturwissenschaften. Diese besondere Qualität müsse auch im Zusammenhang mit dem neu gestalteten Gebäude gesehen werden.

Das Sich-Wohlfühlen

Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung seien zwei sehr wichtige Komponenten in der Schulgemeinde, die durch das pädagogische und moderne Raumkonzept verstärkt ermöglicht würden. Die „familiäre Atmosphäre“, ein „Sich-Wohlfühlen“ und damit ein erleichtertes Lernen am GO seien auch ein Erfolg des Gebäudes. Die Architektur schweiße die Schulgemeinde auch dadurch zusammen, dass es möglich sei, in der imposanten Aula Großveranstaltungen mit hohem qualitativen Anspruch durchzuführen.

Räuber dankte nicht nur den „V–Architekten“ aus Köln, die als Gewinner des Wettbewerbs unter der Leitung von Architekt Tim Denninger das Riesenprojekt des Erweiterungsbaus in Oberursel gestemmt haben. Auch dem Hochtaunuskreis und der Abteilung Hochbau mit ihrem Fachbereichsleiter Rainer Plomer und dem langjährigen Teamleiter Erhard Wolf gelte großes Lob. Für Wolf und sein Team sei es eine seit 2008 währende arbeitsintensive Aufgabe gewesen. Außerdem nannte Räuber den Fachbereichsleiter Jens Frowerk, der für die Schule jahrelang den Um- und Neubau konzeptionell und organisatorisch federführend begleitet hatte. Als Leiter des Arbeitskreises „Schulneubau“ war er als Sprecher und Vermittler der schulischen Ansprüche und baulichen Notwendigkeiten mit den Architekten und dem Hochbauamt in unzähligen Meetings aktiv.

Welche Anstrengungen und komplexe Überlegungen nötig waren, um den architektonisch modernen Anspruch im Zusammenspiel mit neuester Technik und örtlichen Voraussetzungen sowie dem Budget für die Projektverwirklichung in Einklang zu bringen, wurde von Denninger und Carl Wetter, Experte der Haustechnik im Hochtaunuskreis, in beeindruckenden Vorträgen erläutert. Auch Isabelle Göring, Geschäftsführerin der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, betonte die großen Herausforderungen und den Handlungsdruck im Schulbau und lobte gleichzeitig den gelungenen Entwicklungsraum am GO. Es sei eine bemerkenswerte „Schulinsel im Stadtgefüge“ entstanden, die die zwei Welten mit hoher Funktionalität verzahne.

Jens Frowerk verdeutlichte in seiner Darstellung des pädagogischen Konzepts für das neue Schulgebäude, wie wichtig die Kommunikation zwischen Architekten und Schule sei. Pädagogisches Arbeiten und die Organisation des Schulalltags erforderten viele verschiedene Räume, die Kommunikation und schulische Abläufe unterstützten. „Wir brauchen nicht eine Multifunktionshalle, sondern eine Vielzahl von flexibel nutzbaren Funktionsräumen wie die Mediothek, den Ganztagsbereich, Fachräume der einzelnen Wissenschaften sowie Bewegungsräume. Aber vor allem sind gelungene Räume für Kommunikation das Hauptarbeitsmittel“. So bezeichnete Frowerk die sich durchs ganze Gebäude ziehenden tiefen Fensterbände aus Holz als „geniale Lösung – so einfach und so schön“, da sie wie Sitzbänke in Nischen wirkten und schnell einer geschützten Kommunikation dienten. Die klaren Strukturen des Baus untermauerten die Pädagogik mit ihren Leitlinien am GO.

Der Sichtbeton

In beeindruckenden Bildern wurden den Teilnehmern in der Rotunde die Prinzipien des architektonischen Konzepts verdeutlicht: Transparenz und Licht, Geborgenheit und Offenheit durch Gestaltung und Verwendung spezieller Materialien. Im Klassenraum sei wiederum die erste Wand als Rahmen und Projektions- und Gestaltungsfläche für Schule wichtig, betonte Frowerk. Auch wenn die Frage des Sichtbetons immer wieder mit einem Augenzwinkern diskutiert werde, so sei doch die Wertschätzung, die man den Schülern durch das moderne, ästhetisch ansprechende und höchst funktionale Schulgebäude zum Ausdruck bringe, bedeutend für die gegenseitige Anerkennung und Motivation der Schüler. Diese brächten sich im Schulleben aktiv ein und beteiligten sich hervorragend etwa als Mentoren, in der Schülervertretung oder im ausgezeichneten Schulsanitätsdienst.

Das starke Engagement der Schule könne als Resonanz auf die Wertschätzung durch „gute Räume“ begriffen werden, schlussfolgerte Frowerk, dem man seine Begeisterung über die besondere Gestaltung des GO anmerkte. Daran anknüpfend mahnte Räuber mit Blick auf die vielen Schulen in Hessen, die sanierungsbedürftig seien, es gebe dringenden Nachholbedarf, der auch aus pädagogischer Sicht eine große Bedeutung habe.

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