Sinti und Roma, die fast vergessenen Opfer

Oberursel (ow). Die Initiative Opferdenkmal hat zum 80-jährigen Bestehen des Gedenkens an die Novemberpogrome ein ganz besonderes Thema: „Sinti und Roma, die fast vergessenen Opfer des Nationalsozialismus“.

„Was haben Sinti und Roma mit den Novemberpogromen zu tun?“ Im Prinzip nichts, so die Vorsitzende des Vereins, Annette Andernacht, und doch so viel. Zu „Volks- und Reichsfeinden“ gehörten im NS-Regime alle Menschen, die keinen Platz in der nationalsozialistischen Vorstellung der deutschen Volksgemeinschaft hatten. Dazu zählten neben Juden vor allem „Zigeuner“. Sinti und Roma wurden von den Nationalsozialisten ab 1933 schrittweise ausgegrenzt, entrechtet und verfolgt. Alle Schikanen gegen Juden wurden auch auf Sinti und Roma angewandt.

Jens Uhlig, Oberursels Stadtkämmerer, überbrachte die Grüße der Bürgermeisterin, Antje Runge, und betonte in seiner Rede, dass „wir uns alle vehement gegen Antisemitismus und Antiziganismus, also gegen Ausgrenzung anderer, einsetzten müssen“.

Walter Breinl, der viele Jahre der Arbeitsgemeinschaft „Nie wieder 1933“ angehörte, beleuchtete in seinem Vortrag über Sinti und Roma die jahrhundertelange, zum Teil sehr leidvolle Geschichte dieser Minderheitengruppe. Breinl stellte dar, wie sie aus Berufsorganisationen wie der Handwerkskammer oder den Unterabteilungen der Reichskulturkammer ausgeschlossen wurden. Ab März 1939 erhielten sie statt ihrer deutschen Pässe, die eingezogen wurden, mit einem „Z“ gekennzeichnete „Rasseausweise“. Ihre nahezu vollständige Registrierung erleichterte die Deportationen von Sinti und Roma, die nach der jüdischen Bevölkerung die größte Opfergruppe des Völkermords in Europa wurden.

An vielen Stellen stellte Breinl einen lokalen Bezug her, so zum Beispiel zu Robert Ritter, der 1951 in der Klinik Hohemark verstorben war. Ritter war Psychiater und leitete als Rassentheoretiker die rassenhygienische Forschungsstelle im Naziregime. Nach 1945 war er bei der Stadt Frankfurt als Obermedizinalrat angestellt, zusammen mit seiner Assistentin Eva Justin, die ihn früher bei seinen Forschungsversuchen über Sinti und Roma unterstützt hatte. Bis 1945 wurden alle, die er als „Zigeuner“ eingestuft hatte, nach Auschwitz oder in andere KZ deportiert, was zumeist deren Tod bedeutete. Über 500 000 Sinti und Roma wurden so ohne Gnade getötet.

Ihre eigene Musik

Spricht man über Sinti und Roma, so bleibt es nicht aus, dass auch über ihre Musik gesprochen wird, die die europäische Musik in vielfältiger Weise geprägt hat. Im Anschluss an den Vortrag verzauberte das „Roger Moreno Trio“ mit authentischer Sinti- und Roma-Musik in ihrer ganzen vielseitigen Bandbreite das Publikum. Der schweizerisch-holländische Sinto-Komponist und -Musiker Roger Moreno-Rathgeb (Akkordeon, Gesang und musikalische Leitung) und seine Begleiter Markus Reinhardt (Geige) und Janusch Hallema (Kontrabass und Gesang) gehören zu den besten ihres Genres. Sehr ergreifend für alle war, als Reinhardt die Gelegenheit ergriff und über das Schicksal seiner Familie berichtete und wie er dieses gerade mit seiner Musik verarbeitet.

Veranstalter des Abends waren neben der Initiative Opferdenkmal der Kultur- und Sportförderverein Oberursel, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, der Verein Kunstgriff, die Feldbergschule Oberursel, das Kulturcafé Windrose und der Kulturkreis Oberursel, Schirmherrin war Bürgermeisterin Antje Runge.



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