Streik und Protest: Am 14. Juni bleiben alle Apotheken zu

Miriam Oster und Mitarbeiterin Rosamaria May müssen jeden Tag mit hohem Zeitaufwand hunderte Rezepten akribisch abarbeiten.  Foto: js

Oberursel. Heute jährt sich der „Tag der Apotheke“ zum 25. Mal, am kommenden Mittwoch, 14. Juni, sind alle Apotheken im Stadtgebiet geschlossen. Ihre Inhaber sind im Streik, die gesamte Branche beteiligt sich an den Protestaktionen, zu denen die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) aufgerufen hat. Mittelpunkt ist der eintägige Warnstreik, der Hessische Apothekerverband organisiert eine zentrale Kundgebung vor der Staatskanzlei in der Landeshauptstadt Wiesbaden. Tausende Apotheker in weißen Kitteln werden dort zur Demo erwartet.

„Alle Oberurseler Apotheken streiken und demonstrieren in Wiesbaden“, konnte Miriam Oster gestern melden. Die Inhaberin der Columbus-Apotheke in der Vorstadt wird mit ihrer gesamten Belegschaft zur Kundgebung nach Wiesbaden aufbrechen, um für die Inter-essen der Branche zu kämpfen. Im Vorstand des Hessischen Apothekerverbands ist sie für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, für den Tag vor dem Streik ist ein Info-Tag geplant, aber auch in der gesamten Woche bis zum eintägigen Streik wollen die Apotheken um Verständnis für die Aktion werben und mit ihren Kunden ins Gespräch kommen. Denn am 14. Juni wird es keinen Service wie gewohnt geben, lediglich die Birken-Apotheke im Stadtteil Weißkirchen wird für den üblichen Notdienst 24 Stunden rund um die Uhr im Einsatz sein und den Dienst durch die dabei übliche Klappe versehen.

„Wir wollten nie streiken, aber es hilft nichts.“ So hat es eine Apothekensprecherin aus Bayern formuliert. Der kurze Satz fasst die Stimmung in der Branche punktgenau zusammen. Und trifft den Punkt, den auch Miriam Oster unterstreichen würde. „Wir wollen bleiben, wir wollen die Kunden versorgen, wir machen gute Arbeit“, sagt sie, die ihren Job mit Leidenschaft betreibt wie alle anderen auch. Dennoch: Das „Aber“ wird von Jahr zu Jahr größer, die Apothekerschaft fühlt sich nicht wirklich ernst genommen in der komplexen und gleichzeitig fragilen Gesundheitsversorgung. „Das Stresslevel wächst, weil es angesichts von Lieferengpässen ständig um Notlösungen geht, die einen riesigen Mehraufwand bedeuten“, so Miriam Oster. Darauf wollen sie in Wiesbaden und mit den Protestplakaten an der verschlossenen Tür aufmerksam machen, ihr Einsatz gilt der Stabilisierung der Apotheken am Ort. „Der Aspekt nicht angepasster Honorierung ist wichtig, vor allem aber geht es um Erleichterung der Arbeit und die Abschaffung überbordender Bürokratie.“

Und um die Bedeutung der Apotheken für die medizinische Versorgung im Land. Hunderte Apotheken hätten in den vergangenen Jahren zugemacht, weiß Oster, vor allem werde das Stadt-Land-Gefälle immer größer. Auf dem Land gebe es Regionen, da müssten schon bis zu 40 Kilometer bis zur nächsten Apotheke gefahren werden. In Oberursel sind bereits vier Apotheken in wenigen Jahren weggefallen, außer der Alten Apotheke in der Vorstadt die Holzweg-Apotheke, die Taunus-Apotheke am Homm-Kreisel und gerade zuletzt die Schützen-Apotheke in der Liebfrauenstraße. Wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektive ist die Generierung von Nachwuchs schwieriger geworden, der Notdienst verteilt sich auf weniger Schultern, das macht die Arbeit nicht unbedingt attraktiv, ist aber für die medizinische Versorgung unter dem Punkt „Gemeinwohlpflichten“ eminent wichtig.

Die Columbus-Apotheke weist im Schaufenster auf den „Bundesweiten Protesttag“ hin. Die Plakate sind auffallend gestaltet mit schrägen roten Streifen, wie Warnschilder auf Straßen und Autobahnen, wenn Gefahr droht oder es zu einer Verengung kommt. Das passt ins Bild, „Gesundheit statt Mangel“ ist ein Schlagwort der Apotheker-Kampagne zum Protesttag. Ganz oben steht: Weniger Bürokratie beim Management der extremen Lieferengpässe, die von Fiebersäften über Insuline und Psychopharmaka bis zu Blutdruckmitteln und diversen Antibiotika reichen. „Die Krankenkassen sparen uns kaputt“, klagt Oster für die Branche, durch unerwünschte Rabattverträge mit den Zulieferern, vor allem aber durch zeitraubende Bürokratie. Jedes Rezept muss genau geprüft werden, das können täglich bis zu 200 und mehr sein. Streicht die Krankenkasse die Vergütung mit der sogenannten Nullretaxation, wenn auch nur die Dosis des Medikaments nicht korrekt angegeben ist, bleibt die Apotheke auf den Kosten sitzen. Rund zwei Stunden gehen jeden Tag dafür drauf, Zeit, die für den Dienst am Kunden fehlt. Für diese Mehrarbeit erwarten die Apotheken einen fairen Ausgleich. Auch dafür wollen sie in Wiesbaden streiten.

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