Taunus-Karnevalszug gerettet, Abschlusstreff sucht Unterstützer

Sie alle ziehen an einer Luftschlange – äh, an einem Strang –, wenn es darum geht, den Oberurselern und zigtausend Besuchern einen erlebnisreichen Karnevalssonntag zu bieten (v. l.): Ludwig Reuscher, Antje Runge, Prinzenpaar Patrick I. und Yvonn I. mit Hofmarschall Karsten Wolf, Harry Hecker und Andrea Königslehner. Foto: gt

Oberursel (ach). „Der Taunus-Karnevalszug darf nicht sterben“, sagt Narrenratsvorsitzender Harry Hecker. Seit 150 Jahren schlägle er sich durch die Stadt, gehöre einfach zu Oberursel, sei eine Art „lokaler Gesichtspflege“ und wichtig für das Stadtmarketing. Als Teil des Rheinischen Karnevals, der im Dezember 2015 in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der Deutschen Unesco-Kommission aufgenommen wurde, sei der Taunus-Karneval ein bedeutender Integrationsfaktor und Leitkultur. Es sei gute Tradition, dass nach dem Karnevalszug, der in diesem Jahr auf 1,7 Kilometern Länge 190 Zugnummern mit mehr als 2500 Teilnehmern zählte, die Mitwirkeden aus dem Taunus und weit darüber hinaus zusammen mit vielen der 40 000 bis 50 000 Zuschauern in der Stadthalle zur After-Zug-Party zusammenkommen, das Wiedersehen in dieser Gemeinschaft feiern, sich austauschen und nach der Bekanntgabe den Gewinnern der Zugpreise gratulieren.

Das alles ist in Gefahr durch die angespannte Finanzsituation der Stadt, die zum Sparen zwingt. Der Vereinsring Oberursel als Veranstalter kann allein die Kosten dieser Großveranstaltung von deutlich über 100 000 Euro allein nicht tragen. Weniger als bisher, aber immerhin 60 000 Euro sind von der Stadt als Zuschuss zu erwarten, 5000 Euro ist dem Kultur- und Sportförderverein Oberursel (KSfO) die breite Öffentlichkeitswirkung des Taunus-Karnevalzugs wert, und 45 000 Euro bringt der Vereinsring auf, hauptsächlich mithilfe des Hauptsponsors Frankfurter Volksbank, eines weiteren Sponsors in ähnlicher Größenordnung, der ungenannt bleiben möchte, und einer Vielzahl lokaler Firmen und Unternehmen, die „angebettelt“ wurden, wie Vorsitzender Ludwig Reuscher erklärt. Nach intensiven Gesprächen zwischen der Stadt und dem Vorstand des Vereinsrings wird dieser 2024 die Kosten für teure Gewerke wie die Reinigung der Zugstrecke, die Anmietung und Reinigung der Toiletten und die Security übernehmen. „Die Sicherheit und das Säubern der Stadt haben oberste Priorität“, unterstreicht Reuscher. Weil im Gegenzug Abstriche an anderen Stellen gemacht werden müssen, werde es unter anderem im Zug weniger Musikgruppen und an der Strecke weniger Moderationspunkte geben. „Der Vereinsring hat größtes Engagement gezeigt, durch Umorganisationen zu Einsparungen zu kommen“, freut sich Bürgermeisterin Antje Runge. So kann der traditionelle Taunus-Karnevalszug am Karnevalssonntag, 11. Februar 2024, ab 14.11 Uhr wieder stattfinden.

Dass der Taunuskarnevalzug der Höhepunkt der fünften Jahreszeit und bei Besuchern und Zugteilnehmern gleichermaßen beliebt ist, weiß keiner besser als Prinz Patrick I., der schon 2012 an der Spitze der Taunus-Fassenacht stand und nun zusammen mit seiner Frau, Prinzessin Yvonn I., das erste Prinzenpaar in der bis 1929 zurückreichenden Ahnengalerie der Oberurseler Tollitäten stellt. Besonders die fünf Oberurseler Karnevalsvereine freuten sich auf den Zug. Die eigenen Sitzungstermine mit rund 20 Veranstaltungen, von denen jede etwa 300 Besucher zählt, sind dann vorbei, und am Karnevalsonntag wird im Kollektiv gefeiert. Außer Karnevalsvereinen beteiligen sich viele andere Vereine, Organisationen und Interessensgruppen. Alle Teilnehmer leisten außer ihrem ehrenamtlichen Engagement einen immensen Beitrag, denn der Bau und der Erhalt der Wagen, das Schneidern der Kostüme und natürlich die Süßigkeiten für die Gäste an der Zugstrecke werden von den Vereinen und deren Mitgliedern finanziert.

Dass der Taunus-Karnevalszug in Oberursel auch bei Teilnehmern und Besuchern aus der weiteren Umgebung immer beliebter wird, liegt nach Ansicht des Vereinsringchefs auch daran, dass er sich als gut organisierter, auf Sicherheit bedachter „Familienumzug“ einen Namen gemacht hat, bei dem auch das Miteinander während und nach dem Zug hohen Stellenwert genieße. Mit dem Ergebnis, dass die gesamte Zugstrecke lückenlos von Zuschauern gesäumt ist. „Und wenn du dann auf deinem Wagen von oben auf den mit jubelnden Menschen prall gefüllten Marktplatz oder in den Holzweg einfährst, das vergisst du nie“, kommt Patrick I. ins Schwärmen.

Da die Kosten für den Zug deutlich gestiegen sind, fehlt dem Vereinsring das Geld für die Finanzierung des beliebten Abschlusstreffs nach dem Zug in der Stadthalle. Damit das Feiern danach nicht zu kurz kommt, möchte der Vereinsring die After-Zug-Party über die Crowdfunding-Plattform „TaunaCrowd“ der Stadtwerke Oberursel und Bad Homburg finanzieren. Die Bürgermeisterin unterstützt diese Initiative: „Die Menschen müssen verstehen, dass das Geld in den Kommunen nicht mehr so locker sitzt und Veranstaltungen wie die After-Zug-Party nicht mehr allein über die städtischen Gesellschaften oder über die Vereine finanziert werden können. Ich bin mir sicher, dass das Projekt erfolgreich sein wird und die Karnevalsbegeisterten gerne einen kleinen Beitrag zur Finanzierung dieser Veranstaltung in der Stadthalle leisten werden.“

6000 Euro müssen bis zum 17. Januar zusammenkommen, damit die gesamten Kosten für den Saal, die Technik, die Security und alles, was sonst dazu gehört, gedeckt sind. Die Beteiligten räumen ein, dass es bei der Aktion aber nicht um die After-Zug-Party allein geht, sondern um einen „Solidaritätsbeitrag für den ganzen Karnevalsonntag“, der mit dem Prinzenempfang am Vormittag beginne und nach dem Taunus-Karnevalszug mit der Gemeinschaftsveranstaltung seinen Abschluss finde, wie Reuscher darlegt. Es habe deshalb auch Überlegungen gegeben, das Crowdfunding für den Taunus-Karnevalszug zu starten. Andrea Königslehner, Leiterin Marketing und Kommunikation bei den Stadtwerken, hätte diesem Versuch allerdings wenig Chancen eingeräumt: „Die Menschen gehen davon aus, dass Feste und Großveranstaltungen sowieso stattfinden, auch ohne Spenden.“ Dass dem nicht so ist, macht die Bürgermeisterin deutlich: „Die Stadt muss 2024 den Betrag von 60 000 Euro für Veranstaltungen einsparen. Ohne die enge Zusammenarbeit mit Vereinen und kreative Lösungen zu finden, würde das bedeuten, dass entweder der Karnevalszug oder das Brunnenfest oder der Weihnachtsmarkt nicht stattfinden könnte.

Das TaunaCrowd-Projekt „After-Zug-Party“ des Vereinsrings Oberursel kann bis 17. Januar 2024 im Internet unter www.taunacrowd.de/afterzugparty unterstützt werden.



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