Tollitäten erobern die Macht im Rathaus

Mit einem Großaufgebot sind die Narren zum Sturm auf das Rathaus angerückt. Mit ihrer Kanone verleiht die Stadtgarde Niederhöchstadt (l.)den Forderungen von Yvonn I. und Patrick I. (Mitte) sowie Emilia I. und Leonhard I. (r.) den nötigen Nachdruck. Foto: ach

Von Beppo Bachfischer

Oberursel. Es sah schon aus, als wolle die Bürgermeisterin kampflos ihr Rathaus der übermächtigen Narrenmeute überlassen, die am Samstag zum Sturm geblasen hatte. Doch plötzlich zeigte sie sich mit ihren Recken auf der Rathausmauer wieder kampfeslustig. Das Prinzenpaar Patrick I. und Yvonn I. sowie das Kinderprinzenpaar Leonhard I. und Emilia I. mit ihren Unterstützern mussten schon ordentlich auftrumpfen und mehrfach die Kanone der Stadtgarde vom Kappen-Club Niederhöchstadt abfeuern lassen, um an den Stadtschlüssel zu gelangen.

Eindrucksvoll bewegte sich die schier unüberschaubare Masse der Angreifer mit befreundeten Tollitäten wie Prinzessin Janina I. vom Bad Homburger Carnevalverein „Heiterkeit“, Prinzessin Fabiana I. vom Usinger Carneval Verein (UCV), Andrea I., 76. Sodenia der Sodener Karneval Gesellschaft, und Prinz Sascha I. vom Kransberger Narren Club mit ihrem Hofstaat vom Rahmtor über den Fastnachtsbrunnen durch die Vorstadt zum Rathausplatz und wurde dabei immer stärker. Vor der Stadthalle nahmen Vertreter der Karnevalvereine aus Oberursel, Steinbach, Bad Homburg und der gesamten Umgebung, unterstützt von zahlreichen Bürgern, Aufstellung und machten sich bereit, die Macht im Rathaus zu übernehmen. Die Brandschützer hatten für das feuerwehrbegeisterte Prinzenpaar die Drehleiter bereitgestellt, ließen es um Punkt 11.11 Uhr in den Korb steigen und hievten es auf Augenhöhe mit den Mächtigen im Rathaus – und noch immer höher, sodass für jeden sichtbar war, wie die neue Rangordnung aussehen sollte. Auch auf Seiten der Verteidiger wurde alles aufgeboten, was Rang und Namen hatte vom Stadtverordnetenvorsteher über den Magistrat bis hin zu Brunnenkönigin Felicitas I.

„Mit euch hab ich heut net gerechnet, auch wollt ich, ich wär euch net begegnet. Den ganzen Firlefanz um Fastnacht rum find ich nur albern und aach dumm.“ So schroff begrüßte Bürgermeisterin Antje Runge die Besucher, die zur Musik der Brassband des Karnevalvereins „Frohsinn“ und mit guter Laune, aber nicht unbedingt mit den besten Absichten vor dem Rathaus aufgezogen waren. Das Prinzenpaar redete in seiner Antwort nicht lange um den Brei herum: „Zusammen räumen wir hier auf. Das wird echt gut, verlass dich drauf.“ Patrick, der bekanntlich bereits 2011/12 als Prinz auf dem närrischen Thron saß, forderte: „Lass uns Narren in dein Haus, da kenne ich mich bestens aus, habe hier schon mal regiert und war dabei sehr engagiert!“ Yvonne unterstrich: „Diesmal sind wir sogar zwei, mein Mann hat seine Frau dabei. Liebe Antje, lass es sein, am Ende kommen wir doch hinein!“ Nun schaltete sich auch das Kinderprinzenpaar ein: „Auch wir sind hier mit hergekommen, haben den Rathausplatz schon eingenommen. Nun noch die Treppe und das Tor, das stellen wir uns nicht schwierig vor.“ Leonhard vermutete: „Aber der Bürgermeisterin steht wohl nur nach Flucht der Sinn.“ Und Emilia drohte: „Stellt sie sich nicht der Narrenmacht, wird das Rathaus plattgemacht!“ Moderator Thomas Poppitz rief ihr noch hinterher: „Hallo Antje, wo willst du hin? Steht dir nach Feiern nicht der Sinn? Ich weiß, die Stadtkasse ist leer, doch wo bleibt die Gegenwehr?“

Da kehrten die Rathaus-Verteidiger schnell zurück, allerdings nur, um in den Kanonendonner des „Alten Fritz“ zu geraten. Da fiel der Bürgermeisterin die „Donnerursel“ ein: „Macht uff des Tor und Feuer frei uff de buntig Narretei!“ Und mit furchteinflößendem „Pffft!“ ließ sie Konfetti über den Platz regnen. Das brachte das Kinderprinzenpaar zum Lachen: „Dieser Knall war heiße Luft, der ist ja hier und gleich verpufft. Deine Kanone, so sei hier vernomme, ist wie das Rathaus in die Jahre gekomme!“ Das Volk lachte herzhaft, und das Prinzenpaar befand. „Antje, nun ist es genug. Du bist doch besonnen und auch klug. Beuge dich der Übermacht, denn ab jetzt herrscht Fassenacht!“ Sie zeigte sich einsichtig: „Die Tore uffgemacht, Schluss jetzt mit dem Knalle, sonst bringt ihr noch des Haus zu Falle. Ich wünsche euch ne tolle Sause, bin dann mal fort und mach ne Pause.“

Das Tor öffnete, die Massen strömten in das Rathaus, freuten sich über Schokoküsse, die ihnen von den Besiegten gereicht wurden, und konnten sich im Vorbeilaufen überzeugen, dass die restlos leere Stadtkasse allenfalls dazu taugte, als Mülleimer für die Packungen der schnabulierten Süßigkeiten zu dienen. Im großen Sitzungssaal versammelten sich Sieger und Besiegte, um mit einem dreifachen „Orschel Helau“ die Fastnacht zu feiern und ein buntes Unterhaltungsprogramm mit den Garden der Vereine zu genießen. Selbstverständlich nicht, ohne dass die Bürgermeisterin den Stadtschlüssel, wie es sich gehört, weitergegeben hätte. Dass damit bis Aschermittwoch die charmante Frauenpower in der Stadt geschwächt werden könnte, braucht niemand zu befürchten. Von den neuen Herrschern war es Yvonn I., die sich mit entschlossenem Griff den Schlüssel als Insignium der närrischen Macht schnappte.

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