Verhaftet wegen „Hochverrat“: Verlegung von Stolpersteinen

Jacob Rexroth war Mitglied der KPD und Kassierer der Partei. Er starb zwei Wochen nach seiner Verhaftung in der Untersuchungshaft.Foto: gt

Oberursel (ow). Seit dem 1. November gibt es drei neue Stolpersteine in Oberursel. Initiiert wurden die Stolpersteine von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) Hochtaunus und der Feldbergschule. Weitere Unterstützung fand das Vorhaben bei der Stadt und der Initiative Opferdenkmal. Im März und im November 2022 hatten bereits die ersten beiden Verlegungen stattgefunden.

Viele Oberurseler haben seither mit Spenden das Projekt unterstützt und Patenschaften für Stolpersteine übernommen. Stolpersteine erinnern vor dem letzten selbstgewählten Wohnsitz an die Menschen, die durch den NS-Staat zu Tode kamen, und an die Schicksale ihrer Familienmitglieder. Damit werden ihre Lebensgeschichten dort, wo diese Menschen einst gelebt haben, wieder präsent.

Bürgermeisterin Antje Runge eröffnete die Verlegung, Angelika Rieber, Historikerin und Vorsitzende der GCJZ Hochtaunus, erläuterte die Lebenswege der Opfer und ihre Familiengeschichten. Biografien stellen die Menschen und deren Lebensgeschichten in den Mittelpunkt. Mit ihnen erhalten die Opfer einen Namen und ein Gesicht.

Mitglieder der Stolperstein-AG der Feldbergschule kommentierten die Biografien der Opfer und verlasen Grußworte von Angehörigen. Es handelte sich um eine sogenannte Gemeinschaftsverlegung. Mit Unterstützung des BSO verlegten Schüler der Feldbergschule die Steine selbst. Mit der musikalischen Begleitung der Verlegung durch Johanna Mohr vom Gymnasium Oberursel erhielt die Verlegung einen würdigen Rahmen.

Mit dem Stolperstein zur Erinnerung an Paul Katzenstein in der Lindenstraße 4 begann die Verlegung. Von Frankfurt kommend zog der in Kassel geborene Kaufmann 1930 nach Oberursel. Bereits drei Jahre später floh Katzenstein nach Belgien. Dort war sein Leben nach der Besetzung Westeuropas 1940 erneut bedroht. Er wurde verhaftet und über das Zwischenlager Mechelen/Maline 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Theodor Creizenach, der unweit entfernt in der Austraße 1 lebte, war sogenannter „Halbjude“, da seine Mutter nicht jüdisch war. Wie seine Schwester Elisabeth wurde Creizenach protestantisch erzogen und in der Christuskirche konfirmiert. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor der Historiker seine Stellung als Schriftführer des Vereins für Geschichte und Landeskunde in Frankfurt. Auch die geplante Habilitation war nicht mehr möglich. Mit Vorträgen und Nachhilfeunterricht finanzierte er den Lebensunterhalt für seine verwitwete Mutter und für ihn. Am 24. Juni 1939 wurde Creizenach verhaftet und wenig später in der Gefängniszelle tot aufgefunden. Welche Hintergründe seine Verhaftung hatte, ist nicht bekannt. Da Creizenachs Schwester Elisabeth – und möglicherweise auch er selbst – enge Kontakte hatte mit Mitgliedern der SAP, der auch Willi Brandt angehörte, ist nicht ausgeschlossen, dass es politische Gründe für seine Inhaftierung gab.

Schülerinnen der Feldbergschule verlasen ein Grußwort von Keith Nickols, einem Großneffen von Creizenach, der bei der Verlegung nicht anwesend sein konnte, aber großen Anteil daran nahm: „Vielen Dank, dass Sie hierhergekommen sind, um Theodor Creizenach zu gedenken und dazu beizutragen, dass sein kurzes Leben, das ihm grausam genommen wurde, nicht in Vergessenheit gerät.“ Ein weiteres Mitglied der weitverzweigten Familie Creizenach, Katharina Stadelmann-Nichtern, war zu der Verlegung gekommen, ebenso wie die Patin des Stolpersteins, Lieselotte Bieback-Diel.

Wie Creizenach starb auch Jacob Rexroth in der Untersuchungshaft. Er wurde wegen seiner Mitgliedschaft in der KPD verhaftet. Da er Kassierer der Partei war und damit die Namen aller Mitglieder kannte, ist davon auszugehen, dass er gefoltert wurde. Zwei Wochen nach seiner Verhaftung am 17. Januar 1937 war Rexroth tot. Wenige Wochen später wurden in einer groß angelegten Verhaftungswelle vier weitere Oberurseler inhaftiert, da sie laut Anklageschrift „in den Jahren 1933-1936 in Oberursel, Bad Homburg v.d.H. und anderen Orten in der Umgebung von Frankfurt gemeinschaftlich und fortgesetzt handelnd hochverräterisch“ tätig waren, indem sie durch Zahlung von Mitgliedsbeiträgen einen organisatorischen Zusammenhalt aufrechterhielten und sich gegenseitig unterstützen. Friedrich Rück, Ferdinand Munch, Wilhelm Marx und Wilhelm Schneider wurden zu mehreren Jahren Zuchthaus und Gefängnis verurteilt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs engagierte sich der Oberurseler Paul Grünewald, selbst ein früherer Häftling des KZ Buchenwald, den Verfolgten des Naziregimes, so auch der Witwe von Rexroth, beizustehen. Für sein gesellschaftliches Engagement wurde Grünewald, dessen Tochter Kristin Becker-Grünewald an der Verlegung teilnahm, 1991 mit der Johanna-Kirchner-Medaille ausgezeichnet. Ein Schüler der Feldbergschule würdigte Rexroths Einsatz für Menschen in Not und betonte die Bedeutung von Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht in unserer Demokratie. Einen feierlichen Abschluss fand die Verlegung durch einen weiteren musikalischen Beitrag von Mohr.



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