Vier Tonnen Schadstoffe aus dem Boden geholt

In einem Hinterhof (rotes Tor) neben der ehemaligen Bäckerei Schuckart befindet sich das kleine „Sanierungsgebiet“ seit einigen Jahren, die Zettel im Schaufenster verweisen auf Informationsmöglichkeiten für Bürger, das Büro im früheren Laden ist geschlossen. Foto: js

Oberursel (js). Die Botschaft ist kurz, klar und lässt viele aufatmen. Vor allem die Nachbarn und direkten Anwohner, nicht zuletzt die Stadt, die Millionen aufbringen musste, um ein „schmales Handtuch“ von Grundstück in der Eppsteiner Straße von giftigen Schadstoffen im Boden zu befreien. „Sanierungsziel erreicht“, heißt es nun vom zuletzt mit der Bodensanierung beauftragten Unternehmen und damit auch aus dem Rathaus. Die frohe Botschaft markiert das vorläufige Ende eines nervenaufreibenden Prozesses, der die Stadt, das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt, Umweltbehörden und -verbände und die örtliche Politik seit dem Jahr 2012 mal mehr, mal weniger intensiv beschäftigt hat. Und Stadt und Land mit etwa 400 000 Euro Kosten pro Jahr belastet hat, insgesamt an die drei Millionen Euro.

Die damals initiierte Sanierung durch Dampf-Luft-Injektion (DLI) war nach Stand der Dinge die einzige erfolgversprechende Alternative zum „Rückbauen“ mehrerer Häuser im direkten Umfeld des verseuchten Bodens, um an die Quelle des Übels durch Ausbaggern heranzukommen. Rückbauen, ein sanfter klingendes Wort für weiträumigen Abriss. Stattdessen Dampf-Luft-Injektion, heiße Luft also, um hochgiftige chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) aus dem Erdreich zu schaffen. Der heiße Dampf wurde in die Erde gepumpt, um die Schadstoffe zu lösen, das daraus entstehende kontaminierte Gemisch wieder abgesaugt und durch Aktivkohlefilter gereinigt. Tag für Tag, Jahr für Jahr, seit 2014 im aktuellen Verfahren von der Firma CDM Smith Consult GmbH aus Alsbach. Projektleiter Volker Schrenk erläuterte jetzt im Bauausschuss, wie es weitergehen soll.

Rund vier Tonnen Schadstoffe sind inzwischen aus dem Untergrund geholt worden, Verursacher war ein kleiner Betrieb der auf der rund 200 Quadratmeter großen Fläche in den 50er- bis 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts jede Menge Lösemittel gedankenlos entsorgt hatte. Bis zu 14 Meter tief hätte man das Gelände auskoffern müssen, „bautechnisch ein völliger Irrsinn“, so Umweltdezernent Christof Fink zur Begründung, warum das „Rückbauen“ keine Alternative war. Stattdessen Monat für Monat messen, wieviel CKW an die Oberfläche geschafft wird. Im Dezember 2015 etwa, am höchsten Punkt, waren das 160 Kilogramm im Monat, zuletzt im Juni nur noch drei Kilogramm, erläutert der Projektleiter. Heißt: Die aktuelle „Austragsmenge“ an Schadstoff betrage nur noch wenige Prozent im Verhältnis zum Beginn der Sanierung. Mit insgesamt 18 Sanierungsbrunnen wurde die Sanierungsfläche mit drei Teilgebieten durchlöchert, in 16 Brunnen liege die Schadstoffbelastung inzwischen im „grünen Bereich“. Nach einer Abkühlung des Sanierungsfeldes würde auch in den anderen beiden der Zielwert von 25 Milligramm CKW pro Kubikmeter in der Bodenluft erreicht.

In einer Tiefe von acht bis zwölf Metern beträgt die Temperatur des Bodens derzeit noch 80 bis 90 Grad, normal sind laut Schrenk acht bis neun Grad. Nun soll der Boden langsam abkühlen, die „Nachsorgephase“ werde noch etwa ein bis zwei Jahre dauern, sagt der Experte. In Abstimmung mit dem RP sei nun Ende Juli die Boden-Luft-Injektion beendet worden, die Bodenluftabsaugung werde bis zur vollständigen Abkühlung des Sanierungsfeldes weiter betrieben. Die weitere Entwicklung des Schadstoffaustrags soll in den kommenden Monaten beobachtet werden. Wenn alles wie geplant läuft, werden die Bodenwiederbelebungsgeräte Ende Januar 2020 endgültig abgeschaltet. Die positive Entwicklung spiegele sich auch in den Raumluftmessergebnissen im Umfeld, das Ziel sei mit Blick auf die betroffenen Bewohner erreicht worden.

Was bleibt, ist die Belastung des Grundwassers. Darin ist die CKW-Konzentration noch zu hoch, der „Sanierungsbedarf weiter vorhanden“, so Projektleiter Schrenk. Nach Genehmigung durch das RP wird das Verfahren der In-Situ-Chemischen Oxidation (ISCO) zum Einsatz kommen. Dabei wird ein Oxidationsmittel in das Grundwasser gegeben, die CKW werden dadurch in harmlose Verbindungen umgewandelt.

Die Wirkung des Mittels werde durch ein engmaschiges Monitoring überwacht, eine negative Beeinflussung könne ausgeschlossen werden, heißt es. Diese Form der Sanierung soll nach Abkühlung des Bodens beginnen. Das Verfahren habe keine Auswirkung auf die Tiefbrunnen der Stadt, versichert Volker Schrenk



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