„Ein Weg wird nicht kürzer, wenn man ihn rennt“

Oberursel (nel). In der Stadthalle traf schwarzer Humor auf Achtsamkeitslehre: Die Krimikomödie „Achtsam morden“ nach dem Bestseller von Karsten Dusse sorgte am vergangenen Dienstagabend für ein mordsvergnügliches Theatererlebnis. Nahezu alle Plätze waren besetzt, das Publikum bekam eine rasante Mischung aus Krimi, Satire und Lebenshilfe zu sehen.

Die VHS Hochtaunus als Organisatorin des Stadttheaters legte auch beim letzten Theater in diesem Jahr Wert auf Qualität und Professionalität, und zwar vor Ort: ohne weite Wege in die Spielstätten benachbarter Großstädte, ohne Staus, Parkplatzsuche oder lange Heimreisen. Stargast war diesmal Martin Lindow, der in die Rolle von Anwalt Björn Diemel schlüpfte.

Im Mittelpunkt des Stücks stand also der Strafverteidiger Björn Diemel (Martin Lindow), der auf Druck seiner Frau ein Achtsamkeitsseminar besucht und dort lernt, seinen stressigen Alltag bewusster zu gestalten – was er schließlich auch auf seine kriminellen Mandanten anwendet. Der barfuß im Schneidersitz sitzende Achtsamkeitscoach Joschka Breitner (Stephan Bürgi) mit grünem Tee erfüllt dabei sämtliche Klischees eines spirituellen Lehrers, fragt ruhig „Wie fühlen Sie sich?“ und führt Publikum und Hauptfigur in gemeinsame Atemübungen ein. Die scheinbar harmlosen Sätze wie „Wenn man den Moment nicht bewertet, ist er auch nicht negativ“ werden im Lauf des Abends zur Grundlage für Diemels sehr endgültige Problemlösungen.

Getragen wird der Abend allein von drei Schauspielern: während Martin Lindow seiner Rolle des Anwalts Björn Diemel durchgehend treu bleibt, befinden sich Ronja Jenko und Stephan Bürgi in einem stetigen Wechsel in atemberaubendem Tempo zwischen den verschiedensten Figuren. Mit wechselnden Dialekten, manchmal kleineren, manchmal größeren Kostümänderungen und präzisem Timing verwandeln sie sich in Achtsamkeitscoach, Mafiaboss, Komplizin, Kollegin oder Passant und füllen so eine vollständige und komplexe Unterwelt mit nur drei Personen auf der Bühne.

Besonders die Sitzungen mit Joschka, der auch manchmal spontan in Diemels Alltag eingreift, und die Szenen mit dem kriminellen Mandanten, der „achtsam“ aus dem Weg geräumt wird, sorgten für viele Lacher im Saal. Denn während Björn Diemel sehr achtsam und bewusst einen Nachmittag mit seiner Tochter Emily am See verbringt, wird es Dragan im Kofferraum langsam etwas zu heiß…bis es dann zu spät ist.

Das Theater setzt auf Tempo, klar gezeichnete Typen und viel Wortwitz, ohne die ernste Ebene der Überforderung im Berufs- und Familienleben völlig zu verlieren. Zwischen Slapstick, Galgenhumor und geschickt eingebauten Lebensweisheiten zeigt die Inszenierung, wie sehr Menschen in ihren Gewohnheiten gefangen sein können – und wie radikal es wird, wenn jemand diese Regeln plötzlich konsequent anwendet. Die Reaktionen am Ende sprachen für sich: Ein Publikum, das gelacht und achtsam geatmet hat und so schließlich sichtlich vergnügt die Stadthalle verließ

Björn Diemel (Martin Lindow) lernt, trotz aller Hektik und Vorfälle mit seinem Achtsamkeits-Coach Joschka Breitner (Stephan Bürgi) ruhig zu atmen.Foto: Dietrich Dettmann



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