Wirtschaftsminister bearbeitet glühendes Eisen

Oberursel (js). In der Metallmanufaktur Velte im Gewerbegebiet Drei Hasen sind alle Ausbildungsplätze belegt. Der Betrieb bietet 25 Menschen Arbeit, Lohn und Brot, Fachkräftemangel gibt es nicht. Der Laden läuft seit 50 Jahren, ein Vorzeigeprojekt. Hohen Besuch gab es vor ein paar Tagen. Da kamen Hessens Wirtschaftsminister Kameh Mansoori und Frank Martin, Regionaldirektor Hessen der Bundesanstalt für Arbeit (BA), vorbei, um jüngste Zahlen zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt mit Sorgenfalten im Gesicht zu präsentieren.

Geschäftsführer Dirk Velte, Obermeister der Metallbauer-Innung im Hochtaunuskreis und stellvertretender Kreishandwerksmeister, kennt die Sorgen seiner Gäste. Die Firma gilt aber gleichzeitig als Musterbeispiel, wie es laufen könnte, wenn alle Parameter stimmen. Wenn sich die Grundmuster etwa bei der Vermittlung von Ausbildungsplätzen nicht so sehr gewandelt hätten in einem sich extrem ändernden Arbeitsmarkt. Mit einem derzeit hohen Angebot (knapp 34 680 Stellen) an Ausbildungsplätzen im Hessenland, einer fast identischen Nachfrage (nur 33 weniger als Plätze vorhanden) und trotzdem noch 2400 Interessenten ohne Ausbildungsplatz und 4400 unbesetzten Lehrstellen. Die Experten der BA sprechen da von einem Bewerbermarkt. Nicht nur die jungen Menschen bewerben sich um den richtigen Arbeitsplatz, die Unternehmen bewerben sich um die richtigen Kandidaten für ihr Angebot. Und das geht nicht auf bei hohen Ansprüchen auf beiden Seiten. Bis Jahresende aber, im „fünften Quartal“, wie die Vermittler sagen, werde sich das wohl noch etwas angleichen.

Die Metallmanufaktur hat dieses Problem nicht, zuletzt gab es 14 Bewerbungen auf zwei Plätze, kann Velte dem Minister und dem Mann von der Arbeitsagentur berichten. Das ist der normale Schnitt über die Jahre, Azubi-Mangel unbekannt. Im Schaufenster der Manufaktur stehen drei goldene Hasen, die der Meister mal aus Spaß und Hingucker für eine Handwerksschau produziert hat. Ein Sinnbild auch für den goldenen Boden des Handwerks. Alle sechs Lehrstellen mit dreieinhalb Jahren Lehrzeit sind mit je zwei jungen Menschen für jedes Lehrjahr besetzt. Dirk Velte hat die Auswahl, alle Kandidaten haben vorab bereits ein Praktikum im Betrieb absolviert.

Zurzeit ist in der großen Werkstatt mit bunten Glasfenstern an einer Lichtseite im Duft von Feuer und geschlagenem Eisen auch eine junge Frau beschäftigt. Dort arbeitet Jule Güldenberg an der Restaurierung eines schmiedeeiserneren Wappens von der Hoftoranlage der Villa Meister in Sindlingen. Die 20-Jährige ist im zweiten Ausbildungsjahr zur Metallbauerin, Fachrichtung Gestaltung, ihr Abitur hat sie in der Tasche, vielleicht folgt noch die „Meisterin“ nach der Ausbildung, Jule Güldenberg hat sozusagen Feuer gefangen zwischen den Feuerstellen. Aber erstmal muss das Wappen repariert und wieder schön und glänzend werden, eher eine filigrane Herausforderung. Und für den Betrieb ein Gewinn, denn Innovation im Handwerk im Tagesgeschäft spricht sich bei potenziellen Kunden herum, die Metallmanufaktur Velte hat einige Standbeine im Geschäft.

Dirk Velte ist eher der positive, optimistische Typ. Vor allem ein Macher, mit Ideen, Spielwitz, handwerklicher Expertise und dem Blick für Zusammenhänge auf den unterschiedlichsten Ebenen. Ein schlichtes Leitmotiv begegnet dem aufmerksamen Besucher im Empfangsraum. Von oben, von einem Regal, ganz dezent und unaufdringlich. „Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht. Und hat’s einfach gemacht.“ Eine Maxime, die gilt, nur so funktioniert es. Klar, dass man bei dieser Denkweise auch mal die Denkrichtung ändern muss und vor allem bereit sein muss für Neues. Zum Beispiel für digitales Schweißen am Simulator mit Kontrolle am Bildschirm.

So ein Gerät hatte Velte beim jüngsten Herbstmarkt der Handwerker dabei. Schmied Dirk Velte ist ja auch Ausbilder und als Mitglied der Innung im Fachverband Metall Hessen organisiert. Lernen am Bildschirm, das ist die zeitgemäße Idee, die sie auch an der Meisterschule für Metallbauer im Gewerbegebiet Süd anwenden wollen, wo Velte bisweilen unterrichtet. Lernen, wie man eine saubere Schweißnaht zieht, ohne Ressourcen-Verbrauch, ohne Material, ohne Feuer, ohne spezielle Kleidung. Nur eine Maske wie aus einem Space-X-Film, sonst nichts. So wird Nachwuchs geworben, in den Jahren zuvor hat Chef-Sohn Tim zur Werbung mal schnell ein paar Eintracht-Adler am Stand der Manufaktur geschweißt. Auch das kam gut an. Er studiert jetzt Architektur.

Ohne vorheriges Praktikum in der Schmiede wird niemand Lehrling im Haus Velte. Mit vollem Programm und Vollzeit ohne Ausreden, auch mal am Samstag. Und Mitarbeiten von Anfang an. „Die müssen das reale Leben kennenlernen“, sagt Meister Velte, „nicht nebendran stehen, sondern mit dabei sein“. Von jedem wird Flexibilität im Schaffen verlangt. Und Einsatz im Sinne des Unternehmens. Das heute 25-köpfige Team, darunter zehn „Eigengewächse“, muss funktionieren, „aber man muss sich auch wohlfühlen“. Jeder für sich und alle zusammen, auch dafür ist ein Praktikum ein guter Test. Um die 80 Azubis hat das Unternehmen so in den 51 Jahren seit der Gründung durchgebracht, nur drei haben vorzeitig hingeschmissen, fast alle sind dem Werkstoff Metall treu geblieben. Für ein spontanes Kurzpraktikum hat sich bei der Werkstattbegehung nach den ernüchternden Zahlen auch Wirtschaftsminister Mansoori beworben. Im Feuerglanz, beim Beobachten von Messer-Schmied Janosch Hollisch juckte es ihn in den Fingern. Klar durfte er zum Hammer greifen und mal kurz das glühende Eisen bearbeiten.

Wirtschaftsminister Kameh Mansoori (2. v l.) im Gespräch mit (v. l.): Dirk Velte, Frank Martin und Johannes Paul von der Presseabteilung der Bundesagentur. Foto: js

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