Wohnbau darf Straßenbau nicht behindern

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Als „Orscheler Gleisdreieck“ ist das Gelände zwischen U- und S-Bahn-Gleisen westlich des Bahnhofs in den örtlichen Politik- und Stadtplaner-Jargon eingegangen. Jetzt steht dort ein für die Stadtentwicklung wichtiges Projekt, so Bürgermeister Hans-Georg Brum, vor dem planerischen Abschluss.

Gestern Abend stand nun der endgültige Beschluss zum Bebauungsplan „Nr. 252 Nassauer Straße 1“ im Ausschuss für Bau-, Umwelt- und Klimaschutz auf der Tagesordnung, in der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 15. Juli soll das neue Stadtparlament den B-Plan als Satzung beschließen. Mehrheiten dafür sind längst gesichert. Wichtigstes Planungsziel: Der Bau von 67 Eigentumswohnungen in fünf Gebäuden mit jeweils drei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss und einem sechsten Baukörper, der sich in der Spitze des Grundstücks mit sieben Vollgeschossen und einer Penthouse-Ebene erheben wird. Korrespondierend mit einem ähnlichen Gebäude auf der anderen Seite der S-Bahn-Linienführung, etwa in Höhe der Stelle, wo sich U- und S-Bahn auf zwei Ebenen kreuzen.

Man mag es kaum glauben, aber im Gleisdreieck, das eigentlich ein sichelförmiges, spitz zulaufendes Grundstück ist, soll ein Ensemble entstehen, das trotzdem mit „städtebaulicher Leichtigkeit und Offenheit“ daherkommt, „elegant und doch funktional“ sei, so Brum. Ralf Sadowski, Geschäftsführer des Investors Wilma Wohnen Süd RM GmbH, nennt den Begriff Dreieck „fast übertrieben, eigentlich ist es ein langer Schlauch“. Ein „schwieriges Grundstück“, formuliert Kerstin Giger von der Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Oberursel (Sewo) vorsichtig, die Sewo hat das Gelände vermarktet, ein kleiner Teil war ein städtisches Grundstück. Eine Herausforderung für Planer und Architekten, gilt es doch, einen kaum 25 Meter breiten Streifen mit rund 5900 Quadratmeter Fläche zu bebauen, wobei auf der einen Längsseite noch Raum für einen Radschnellweg Richtung Frankfurt und auf der anderen ein Fußweg abgeknappst werden soll. Auf der einen Seite düsen U-Bahnen zweigleisig Richtung Frankfurt und zurück, auf der anderen S-Bahnen und Taunusbahn in kurzen Abständen.

Die Wilma-Immobilien-Gruppe hat im Bieterverfahren und im Wettbewerb das überzeugendste Konzept aus Sicht der Stadtpolitik vorgelegt und schließlich den Zuschlag bekommen. Weil das Plangebiet im gültigen Bebauungsplan für Bahnhofsvorplatz und Nassauer Entlastungsstraße liegt, wurde ein Teilbereich rausgeschnitten und geändert und nur speziell für das Vorhaben aufgestellt, ein „Durchführungsvertrag“ mit der Stadt regelt alle Einzelheiten. Es ist ein komplexes Vertragswerk, in dem auch festgeschrieben ist, dass mindestens 15 Wohneinheiten mit einer Mietpreisbindung über 15 Jahre zu einem Preis von 9,40 Euro pro Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese Wohnungen werden günstiger auf den Markt kommen. Ein sehr wichtiger Punkt für die Stadt: Durch das Wohnbau-Projekt darf die Planung für die Verlängerung der Nassauer Straße entlang der nördlichen Grundstücksgrenze für den Anschluss an die Weingärtenumgehung juristisch nicht anfechtbar sein.

„Leichtigkeit und hochwertiges Wohnen“ zwischen den Gleisen verspricht auch Wilma-Geschäftsführer Sadowski. „Offen, einladend und weitgehend autofrei“ werde das Gelände sein. Knapp 20 Meter nach der Einfahrt auf das Grundstück geht es für Autofahrer, die aus Richtung Frankfurter Landstraße kommen werden, in die Tiefgarage, der Rest ist auto- freie Zone. Für den modernen Stadtmenschen, der den besten ÖPNV-Anschluss am Bahnhof in Blickweite hat, wird es rund 150 überdachte und beleuchtete Fahrrad-Abstellplätze geben. Die Wohnungen werden von einem bis vier Zimmer in einer Größe zwischen 41 und 154 Quadratmeter annonciert, eine Verbindung zwischen den Gebäuden wird es im Erdgeschoss geben, für individuelle und gemeinsame Gartenbereiche soll auch noch Platz sein. Und für die Anfahrt der Müllabfuhr bis in den hinteren Bereich sowie die Feuerwehr im Bedarfsfall. Stichworte wie „Grundriss-Organisation“ und „Tiefgaragen-Arrondierung“ werden bei der Beschreibung gerne genutzt. Die Baugenehmigung erwartet Ralf Sadowski spätestens im vierten Quartal, ab Februar soll es richtig losgehen im Gleisdreieck, Anfang 2024 könnten dann die ersten Bewohner einziehen.

Das ist der aktuelle Plan. Das alte Bahnwärterhäuschen direkt am Bahnübergang in der Adenauerallee zwischen den Schienen von U- und S-Bahn wird bleiben – als Verbindungsglied zwischen Vergangenheit und Zukunft. Längst ist es zum Kulturdenkmal umgewidmet worden und steht daher unter besonderem Schutz. Das mit Schindeln gedeckte Häuschen soll in seinem nostalgischen Ambiente die Eingangssituation zur neuen Wohnwelt markieren. Und weiterhin dem internationalen Verein Windrose zur Verfügung stehen.

Einfahrt zum neuen Wohnglück zwischen U- und S-Bahn. Das alte Schrankenwärterhäuschen mit Denkmalschutz darf bleiben, daneben geht es ziemlich schnell in die Tiefgarage, für Autos ist kein Platz auf dem „schmalen Handtuch“, wo die Wohnblöcke entstehen. Fotos: js

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