„Wohntraum“ sucht Chance für neue Wohnprojekte

Beim OWG-Projekt an der Ecke Berliner Straße/Freiligrathstraße konnte die Initiative „Wohntraum“ erstmals einsteigen. Foto: js

Oberursel (js). Gemeinsames Wohnen im Alter. Offen für neue Wohnkonzepte, ob generationenverbindend oder altershomogen, auf jeden Fall mit Barrierefreiheit. In den Gebäuden, aber auch in den Köpfen. Mit diesen Ideen im Kopf haben knapp zwei Dutzend Frauen und Männer 2014 den Verein „Wohntraum“ gegründet. Einige Träume wurden bereits erfüllt, in zwei größeren Projekten, die beispielgebend sein könnten. Aber der Verein ist gewachsen und damit die Zahl der Träumenden, die beim Wohnen im Alter „andere“ Wege gehen möchten. Um die 100 Menschen sind dem Verein inzwischen beigetreten, die Interesse am gemeinschaftlichen Wohnen haben. Und längst schon steht eine dritte Initiative in den Startlöchern, die dem „Wohntraum“ neue Lebensräume schaffen will.

Ein wohnungspolitisch heißes Thema haben da Hildegard Calmano und Michael Müller und einige andere Frauen und Männer unter dem Stichwort „Bezahlbarer Wohnraum“ aufgegriffen. Weil sie nicht nur gemeinsame Sachen machen möchten, sondern auch noch im bezahlbaren Segment bleiben wollen oder nicht anders können. Ein kritisches Thema in Oberursel, gerne in Sonntagsreden und im parlamentarischen Diskurs aufgegriffen und im aktuellen Wahlkampf vielfach verwendet, umgesetzt aber nur in geringem Umfang. Im Sinne der „Wohnträumer“ ist es zu unterschiedlichen Konditionen bisher zweimal gelungen, zumindest unter dem Aspekt gemeinsames Wohnen. Die dritte Initiative aus dem Verein setzt sich punktgenau dafür ein, ihr Projekt: „Bezahlbar wohnen in Oberursel“. Sie setzt sich dafür ein, dass bei Bauprojekten immer auch ein Anteil geförderter Wohnungen entsteht, gemeinsames Wohnen soll darin für alle machbar sein, die es sich wünschen. Gesucht: entweder eine geeignete Immobilie oder ein Grundstück mit Bauträger und bereitwilligen Kooperationspartnern.

„Wir brauchen die Stadt“

Die Idee beinhaltet eine stadtpolitische Philosophie. Wohin will sich Oberursel entwickeln? Zu einem exklusiven Wohnort für Besserverdienende? Oder soll „Orschel“ ein Ort bleiben, in dem sich alle wohlfühlen und zu Hause sein können? Ein Ort, in dem Familien gefördert werden, aber auch Menschen, die die Familienzeit hinter sich haben, deren Kinder längst aus dem Haus sind und die trotzdem gemeinschaftlich, aber in eigenen Wohnungen selbstbestimmt leben wollen. Die Untergruppierung ist das jüngste Kind des Vereins Wohntraum, ihr Name ist Programm. Dahinter steckt aber „weder eine Hippie-Kommune noch eine Senioren-WG“, so Kontaktmann Michael Müller. „Es sind Männer und Frauen 50plus, die schon lange einen Bezug zu Oberursel haben und deswegen hier leben wollen. Gemeinsam ist ihnen der Wunsch nach modernem, kompaktem und pflegeleichtem Wohnraum in Gemeinschaft mit gleichgesinnten Menschen, gerne auch mit jungen Familien.“

Wer Wohnträume auf diese Art verwirklichen will, braucht „Kraft und Zeit und einen langen Atem“, hat Hildegard Calmano bei ihrem Bestreben erfahren. Die Gruppe etwa wirbt und sucht seit drei Jahren. Ist immer wieder in Gesprächen und Verhandlungen mit Bauträgern, sucht den Schulterschluss mit der Stadt, die sie auch als Vermittler braucht. Beim Spatenstich 2018 für das Vorzeigeobjekt auf dem Gelände der historischen Aumühle etwa hat Bürgermeister Hans-Georg Brum mit dem Spaten in der Hand vom „Spannungsbogen“ zwischen anfänglicher Skepsis und späterer Begeisterung für das „vorbildliche Ziel“ des Bauprojekts gesprochen. Bei der Schaffung von Wohnraum müssten Stadt und Investoren „zukunftsorientierte Wege gehen, denn wir brauchen neue Wohnmodelle“. In der Aumühlenstraße war es ein privater Investor, der den Wohntraum in elf barrierefreien, altersgerechten Wohnungen mit Gemeinschaftsraum und gemeinsamer Gartennutzung ermöglichte. Hier hat der Verein auch sein Büro, hier wohnt auch die Vorstandsvorsitzende, in die Kategorie bezahlbarer Wohnraum fällt das Projekt aber nur bei dehnbarer Begrifflichkeit.

Eher schon beim ersten realisierten Projekt in der Berliner Straße 73 in zentraler City-Lage wurde das erreicht. Dort hat man sich bereits ein Jahr vor dem Spatenstich auf dem alten Femso-Gelände in der Aumühlenstraße mit dem Kooperationspartner, der Oberurseler Wohnungsgenossenschaft (OWG), geeinigt und für elf der 15 Wohnungen ein Vorschlagsrecht vereinbart. Mieter sind Mitglied im Verein Wohntraum und in der OWG, bei der Erstbelegung kam ein halbes Dutzend Interessenten zum Zug. Dreh- und Angelpunkt des Miteinanders ist ein Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss, eine Dachterrasse bietet weitere Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten.

Erfolge, die auch Hildegard Calmano Hoffnung machen. Aber: „Wir brauchen die Stadt schon. Wir brauchen ein Projekt, wo geförderte Wohnungen mit drin sind.“ Oder eben ein Grundstück in Erbpacht. Seit drei Jahren wird verhandelt über eine Beteiligung an der Mutter-Teresa-Straße in Bommersheim, mit der Stadt, mit dem Gemeinnützigen Siedlungswerk (GSW) als möglichem Bauträger, der dort groß einsteigen will, es wäre ein vielversprechender Standort. Zentral, in Innenstadtnähe wäre natürlich ideal, aber da sind die Chancen gering. Freiwerdende Flächen wie etwa an der Marxstraße und auf dem Gelände der alten Hans-Thoma-Schule sollen aus Sicht der Stadt eher hochwertig vermarktet werden. „Irgendwo dazwischen müssen wir etwas finden“, so Calmano. Sachdienliche Hinweise und noch besser tatkräftige Unterstützung wären dabei sehr willkommen.

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