Wohnungsgenossenschaft steuert durch turbulentes Fahrwasser

Oberursel (bg). Wie die gesamte Wohnungswirtschaft steht auch die Oberurseler Wohnungsgenossenschaft (OWG) vor riesigen Herausforderungen. In ihrer langjährigen Geschichte hat die Genossenschaft so etwas noch nicht erlebt. „Dem Wohnungsbau droht der Absturz“, so habe die Feststellung der Branche am Tag des Wohnbaus gelautet. Birgit Welter machte zu Beginn ihrer Ausführungen die Dramatik der Lage klar.

In ihrem Lagebericht über das abgelaufene Geschäftsjahr ließ es die hauptamtliche Geschäftsführerin an deutlichen Worten nicht fehlen: die hohe Inflation, die Kosten beim Wohnbau stiegen um mehr als 14 Prozent, steigende Zinsen, der Fachkräftemangel, unterbrochene Lieferketten, neue Gesetze zur Klimawende vom Bund und auch von der EU. „Mit der angestrebten Klimaneutralität steht die gesamt Wohnungswirtschaft vor einer Jahrhundertaufgabe“, sagte sie. Sie fürchtet, dass die Rahmenbedingungen nicht sozial verträglich umgesetzt werden können. Gerade die Sanierungskosten stiegen in astronomischen Höhen. Allein sei das nicht zu schaffen. Der Staat müsse hier mit verlässlichen Fördermodellen eingreifen, forderte sie. Die Wohnungswirtschaft brauche die staatliche Unterstützung, um die Heizungswende und den geplanten Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen umsetzen zu können. Von den neuen Vorschriften seien 45 Prozent des deutschen Wohnungsbestands und ein Drittel der OWG-Wohnungen betroffen.

Das Bauvorhaben „Friedrichstraße 2-8“ in Oberhöchstadt sei von den neuen Regulierungsvorschriften hart betroffen und könne nur unter größten Kraftanstrengungen und dem geballten Erfahrungsschatz der Beteiligten fortgesetzt werden. Die Gebäude würden nach dem Standard des KfW-Effizienzhauses 55 errichtet. Die OWG investiere in die vier Gebäude mit 60 Wohnungen, einer Tiefgarage und oberirdischen Stellplätzen 17 Millionen Euro. Welter zeigte sich zuversichtlich, dass im Frühjahr 2024 die neuen Wohnungen bezogen werden können. Weiter berichtete sie, dass die geplante energetische Sanierung der Häuser in der Alexander-Hess-Straße um ein Jahr verschoben werden musste, weil die benötigten Wärmepumpen nicht lieferbar waren. Für das abgelaufene Jahr 2022 sehen die Zahlen im Geschäftsbericht noch gut aus. Die Eigenkapitalquote betrug 64,8 Prozent, das Gesamtkapital 68,9311 Millionen Euro. Die OWG hat 1705 Wohnungen im Bestand, davon sind zehn Prozent öffentlich gefördert. Die durchschnittliche Nutzungsgebühr pro Quadratmeter Wohnfläche lag 2022 immer noch unter sieben Euro bei 6,94 Euro.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Zulauf freute sich über die rege Teilnahme an der 43. Vertreterversammlung oder der 129. Generalversammlung der OWG. Die 4569 Mitglieder hatten kürzlich ihre Vertreter gewählt, davon waren 34 zur Versammlung ins Rathaus gekommen. Unter den Gästen konnte er außer dem Stadtverordnetenvorsteher Lothar Köhler auch den Ehrenvorsitzenden Herman Banze begrüßen. „Seit 125 Jahren ist das Bauen unser Kerngeschäft“, führte er aus und erinnerte damit an das Jubiläumsjahr der OWG. „Sie wurde gegründet, um damals die große Wohnungsnot zu lindern. Wir wollen auch in den nächsten 125 Jahren unseren Beitrag leisten, dass Wohnen für alle bezahlbar bleibt. Gerade jetzt muss dringend gebaut werden, um die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entschärfen und damit Menschen nicht Angst vor Kündigungen haben müssen. Doch allein kann die gemeinnützige Wohnungswirtschaft das nicht leisten“, stellte er klar und mahnte einen engen Schulterschluss zwischen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft und Politik an.

Im Berichtsjahr 2022 erreichte die OWG mit ihrem Jahresabschluss eine Bilanzsumme von über 68 Millionen Euro und fuhr einen Gewinn von 227 591,59 Euro ein. Die Vertreter folgten dem Vorschlag, eine Dividende von vier Prozent auf die Anteile der Mitglieder, die insgesamt ein dividendenberechtigtes Geschäftsguthaben von knapp 5,7 Millionen Euro in Händen halten, auszuschütten. Bei den Wahlen zum Aufsichtsrat traten Günter Bastian und Detlef Henning zur Wiederwahl an und wurden einstimmig in ihrem Amt bestätigt.



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