Oberursel (bg). „Schon 16 Uhr, ach du Schreck, Uhrenvergleich“, damit begrüßte Hausherr Jan Spangenberg die große Besucherschar in der Auferstehungskirche und fuhr fort: „Heute wollen wir eine gute Zeit miteinander verbringen.“ Alle Plätze waren voll besetzt, im Raum knisterte es vor lauter Anspannung. Die Kinder saßen förmlich in den Startlöchern und fieberten ihrem großen Auftritt entgegen.
Seit dem Frühjahr hatten sie sich auf den großen Tag vorbereitet und dafür geprobt, die jungen Sänger des evangelischen Kinder- und Jugendchors. Unter der Leitung von Kantorin Gunilla Pfeiffer hatten sie intensiv das Musical „Ausgetickt? Die Stunde der Uhren“ einstudiert. Eine humorvolle, musikalische Geschichte mit Tiefgang von Gerhard Meyer und Gerhard Weiler.
Ein Sack Flöhe hüten ist wahrscheinlich einfacher als diese wuselige Schar, fast alle noch im Grundschulalter. Aber Gunilla Pfeiffer machte das energiegeladen und mit einer Engelsgeduld. Der Spaß, den alle Kinder beim gemeinsamen Singen und den Vorbereitungen hatten, spielte dabei bestimmt eine wichtige Rolle. Mit Musik geht eben vieles leichter. Vor dem Startschuss berichtete die Kantorin, dass sie selbst vor 40 Jahren zum ersten Mal bei einer Aufführung auf der Bühne stand und seitdem die Musik nicht mehr losgelassen hat. „Ihr werdet euch bestimmt immer an den heutigen Tag erinnern“, versprach sie, und dann ging es los.
Uhren haben auch Gefühle
Der Uhrenchor begann mit dem Song „Ticken und tacken“ und beschwerte sich „Wir dürfen nicht lachen, keinen Blödsinn machen“.
Ein fantastisches Musical kam zur Aufführung bei dem Uhren Gefühle haben und gegen das ewige Gehetze im Takt der Zeit rebellierten. Ein kleine Band mit Sirpa Vouri am Klavier, Heike Knäbel an der Flöte, Uli Wanka am E-Bass und Tobias Baum am Schlagzeug begleitete den Chor und die jungen Solisten einfühlsam und punktgenau. Die Ton- und Lichttechnik lag in den Händen von Oliver Lorscheid „Die Alleslöser“, Oberursel.
Auf der Bühne in der kleinen Kirche standen zwei Betten mit zwei echten Schlafmützen darin. Bobby der Aufziehwecker und Elvis der Radiowecker gaben sich alle Mühe, aber sie bekamen die Schlafenden nicht wach. Dazu sang der Uhrenchor „Der Wecker geht mir auf den Wecker“. Jedes Mal, wenn er laut scheppernd klingelte, wackelte Emil Pfeiffer als grüner Wecker Bobby mit zwei Glocken auf dem Kopf dazu heftig. Auch die Rockmusik von Elvis, wenn Ava Emmens den gleichnamigen Radiowecker einschaltete, nutzte rein gar nichts. Bobby reichte es, er beschwerte sich bitterlich, natürlich musikalisch, beschloss abzuhauen und überredete den Radiowecker, mitzukommen. Das war gefährlich, beide hatten große Angst vor der Super-Uhr, die streng über alle Uhren wachte. Ihre Flucht wurde natürlich bemerkt, und sofort gab es Alarm im Uhrenland, denn da herrschten strenge Regeln, einfach abhauen war nicht erlaubt.
Die Super-Uhr war Chef über alle Uhren. Sie fand sich super und hatte alles im Griff. Ihr Motto „Uhren müssen spuren“. Und Sebastian Bucher war ein echt fieser Chef, führte ein strenges Regiment, hielt alle Uhren am Laufen und kommandierte „Öli“, das Ölkännchen und „Schrauber“ den Schraubenzieher zu jeder Uhr, die mal schlapp machte. Sofort schickte er seine Spürhunde nach den beiden Ausreißern aus.
Aber es regte sich Widerstand. Seine neue Sekretärin, die goldige Rita Rolex, very charming Lilian Ringrose in der Rolle, spionierte ihn heimlich aus. Inzwischen hatten Bobby und Elvis Unterschlupf bei der Sonnenuhr (Nora Schaub), der alten Gegenspielerin der Super-Uhr gefunden. Sie kam aus einer anderen Zeit, einer Zeit der Ruhe ohne Hektik. Sie riet den beiden, den Kampf gegen die Super-Uhr aufzunehmen, dabei könne ihnen auch die Spieluhr (Mila von Jussis) helfen. Sie misst die Zeit in Melodien und gab ihr einen schönen Klang. Die Super-Uhr duldete das nicht und sperrte sie deshalb ein. Doch langsam hatten auch die anderen Uhren wie Sanduhr, Kuckucksuhr, Baduhr, Schuluhr, Stechuhr, Staubuhr, alte Schlossuhr, besoffene Uhren oder die immer schön rumeiernde Eieruhr die Nase voll. Und gar die rote Armbanduhr (Laura Windecker), die tickte nicht mehr richtig. Aber sie war ein hoffnungsloser Reparaturauftrag für Öli und Schrauber, die kamen da nicht weiter und wollten sie zum Schrott werfen. Sie hatte sich nämlich in die Tau-cheruhr (Julia David), den Mann aus Chrom und Stahl verguckt, aber es dauerte ziemlich lange bis es bei ihm funkte. Dann hatte auch er keine Lust mehr auf den blinden Gehorsam und das ewige Gehetze im Takt der Zeit. Als es Bobby und Elvis mit Hilfe von Rita Rolex gelang, die Spieluhr zu befreien, hatte die Super-Uhr verloren und tickte selbst nicht mehr richtig.
Alles mündete in das begeisternde Finale mit dem Song „Hurra es ist soweit, wir haben keine Zeit für die Zeit, jetzt weht hier ein anderer Wind, weil wir freie Uhren sind“.
Begeistertes Publikum
Was für eine zauberhafte Uhrenwelt wurde dem Publikum, darunter natürlich Eltern, Großeltern und Geschwister der jungen Akteure, mit dieser fantastischen Aufführung geboten. Das Musical wurde zur Stunde der Kinder, die über sich selbst hinauswuchsen und dafür bekamen sie nach jedem gelungenen Auftritt gleich begeisterten Applaus, der zum Schluss gar nicht enden wollte. Der Uhrenchor hatte ein gewaltiges Pensum an mitreißenden Liedern, in einer großen musikalischen Spannweite von Balladen, Hip-Hop-Rap über Rock bis Walzer oder Marschmusik, zu singen und machte das ganz famos.
Die beinahe 30 Chorkinder – alle im Grundschulalter bis zur Klasse 6 – hatten selbstverständlich runde Uhren in Schwarz/Weiß oder auch in Farbe umhängen. Unterstützt wurden sie sängerisch, vor allem wenn es mehrstimmig wurde, von den Mitgliedern des Jugendchors. „Gefühlt haben wir wohl 1000 Uhren gebastelt“, bekannte Pfeiffer lachend. Die Kostüme teils witzig, pfiffig wie die Sand- oder Eieruhr, romantisch wie die Spieluhr, goldig, ganz in Rot oder der passende Chef-Anzug, alles selbst gemacht und organisiert. Ebenso wie das Bühnenbild, das je nach Szene von fleißigen Helfern rasch umgebaut wurde. Dabei kamen als Running Gag immer die zwei Stoppuhren – echt cool Johann Pfeiffer und Jonas Berlipp zum Einsatz – mit dem Spruch „Ich habe einen Knopf auf dem Kopf“. Diesen konnte das Publikum am Ende auswendig mitsprechen. Die Auferstehungskirche in der Ebertstraße bot eine fabelhafte Kulisse für das Musical. Zu ihrer Geschichte gehört auch, dass sie Ende der 1950er Jahre als evangelisches Jugendheim errichtet wurde mit einer kleinen Bühne, um dort Theater spielen zu können. Erst viele Jahre später wurde aus dem Jugendheim mit den vielen Gruppenräumen die Auferstehungskirche und die kleine Bühne zum Altarraum umgestaltet.