Zuschauer und Zauberkünstler beeindrucken sich gegenseitig

Das Publikum beweist, dass es trotz Starkregens Sitzfleisch hat, und „Hochstapler“ Stefan Sprenger, dass ein rotes Tuch mehr ist als ein Modeaccessoire. Foto: Herzog/Kunstgriff

Oberursel (ow). Brotmesser, Milchreis, Zocker. Welche anderen Wörter lassen sich aus diesen drei Wörtern bilden? Ganz einfach: Trick, Orscheler, Sommer – und aus den vier verbleibenden Buchstaben E, B, Z und S lässt sich mit Drehungen und Spiegelungen sowie etwas Fantasie noch das Datum zaubern: 3.8.21. Passt! Schließlich war der 3. August 21, und schließlich ist das Wortspiel Bestandteil des Orscheler Sommer.

Die Ursprungswörter hatten die Zuschauer dem Mann auf der Bühne zugerufen. Wörter, die sie zufällig Zeitungsschnipseln entnommen hatten. Irgendwas muss Andreas Fleckenstein, der Mann auf der Bühne da doch manipuliert haben. Nun gut, sein Auftritt ist Teil der großen Zaubershow im Orscheler Sommer. Da liegt es nah, dass der Trick nicht nur als Lösungswort dabei ist. Aber wie Fleckenstein an sein Wörter-Ziel gekommen ist? Das kann niemand im Publikum nachvollziehen.

Auch die Kunstgriff-Mitglieder sind beeindruckt, wie der Orscheler Sommer trickreich herbeigezaubert werden kann. An dieser Stelle im abendlichen Programm sind sie ebenso wie erstaunlich viele Besucher auf dem Hof der Schule Mitte schon wieder etwas entspannter. Der heftige Regen hat aufgehört, etwa 200 Gäste haben wetterfest bewundernswert ausgeharrt – was die Künstler der Magie enorm beeindruckt hat – und Monsieur Brezelberger führt nun mit frankfurterisch-französischem Akzent genial durchs magische Programm.

Das Beste aus Zuschauer-, Kunstgriff- und Künstlersicht: Trotz der Vorhersage auf dem Regenradar, dass es nach spätestens einer halben Stunde wieder regnet, bleibt es den Rest des Abends trocken. Die Show kann ungetrübt fortgesetzt werden. Des Wetters Unbill ist irgendwann vergessen, auch wenn noch so einige Füße nass sind. Die Gäste versuchen nun, hinter die zauberhaften Tricks zu kommen. Vergeblich. Wie werden aus einem in die Luft geworfenen Kartenspiel mit einem Regenschirm die vom Publikum bestimmten Karten aufgespießt? Wie ist das Zwei-Euro-Stück mit den Initialen von Frank Grimmer in die kleine Glasflasche rein und wieder raus gekommen? Wie wird aus dem grob gezeichneten Gesicht eine echte Bowlingkugel, die aus dem Zeichenblock fällt? Wie wird aus dem angeblich unberechenbaren Zuschauer ein leicht zu durchschauender Gast? Und was bedeutet es, dass in einer mit Ketten verspannten Kiste mit einem Block Eis etwas steckt, das in die Scheinwelt führt? Dr. Harry Keaton – seine Hände sind mit einer Million Euro versichert –, Andreas Fleckenstein – er hatte das Programm zusammengestellt –, Monsieur Brezelberger, Preisträger unter anderem bei Weltmeisterschaften der Zauberkunst, und Stefan Sprenger, ein Wort-, Hand- und Kopfverdreher, lassen viele Fragen offen.

Auch das Rätsel um einen 50-Mark-Schein bleibt ungelöst. Wie kam der Fünfziger, der vorher markiert worden war, in den dicken Eisblock, den ein Zuschauer zum Schluss der Show mit einem Hammer zertrümmert? Okay, nun ist die Schein-Welt also entdeckt. Aber wie schafft es Dr. Harry Keaton aus einem 50-Euro-Schein einen Hunderter zu falten? Dem Zuschauer, der den Schein zur Verfügung gestellt hatte, sollte es egal gewesen sein, durfte er doch den größeren Schein behalten.

Einige Besucher, die sich zur Zaubershow angemeldet hatten, waren ob der miserablen Wetterprognose nicht gekommen. Sie haben etwas versäumt. Andererseits schaut der Kunstgriff, ob er auch im Sommer 2022 Zauber und Magie auf die Bühne bringen kann. Wenn die Künstler Geld verdoppeln können, sollte das klappen. Der Zuschauer, der plötzlich 100 statt 50 Euro in der Tasche hatte, soll den „Gewinn“ übrigens in die Orscheler-Sommer-Spendenbox gesteckt haben – noch ein Zeichen, dass es auch im kommenden Jahr zauberhaft wird.



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