Alle laufen für Vielfalt in der „offenen Stadt“ Oberursel

Laufen, rennen, gehen, rollen, jeder wie er will oder kann, beim „Lauf für Integration“ geht es nicht um Siegerzeiten, eher darum, zusammen stark zu sein. Foto: js

Hochtaunus (how). „Wir laufen für Vielfalt.“ Es steht auf Lauf-Shirts, es klingt aus den Mikros, jeder trägt den Gedanken mit sich beim „Integrativen Zimmersmühlenlauf“. Mehr als 1000 Frauen, Männer, Kinder, Jugendliche haben wie immer am letzten Donnerstag im August ein buntes Zeichen für jene gewünschte bunte Gesellschaft, in der alle ihren Platz haben, eindrucksvoll gesetzt. Der „Lauf für Integration“ war wie alle Jahre wieder eine bunte Demonstration mit integrierter Party auf der Laufstrecke, am Wegesrand und später im Hof der Oberurseler Werkstätten.

Kurz vor dem Start werden noch Begleitläufer gesucht. Manche brauchen das, weil sie alleine nicht können, andere wünschen sich das einfach, weil es schöner ist, das gute Gefühl der Gemeinsamkeit zu teilen. Flugs ist Sally Kulemann da, die Handballerin nimmt spontan Martin Röckel an die Hand für den verkürzten Integrationslauf über 1,5 Kilometer durchs Gewerbegebiet Süd. Ralf Belz ist sowieso immer da am letzten August-Donnerstag, seit der Premiere 2006. Er arbeitet bei den Oberurseler Werkstätten für Menschen mit Behinderung und schiebt Thomas Weber im Rollstuhl recht flott durch die Straßen. Es sind viele hier unterwegs, die immer da sind, der bunte Zimmersmühlenlauf ist ein fester Termin in ihrem Laufkalender, gute Tradition eben. Von Jahr zu Jahr wachsen manche Gruppen, so standen nach 427 Startern bei der Premiere im Jahr 2017 plötzlich mehr als 2000 Namen auf den Startlisten. Begeistert gefeiert von allen, die dabei waren. Man trifft sich, man sieht sich, die Atmosphäre ist entspannt, es geht nicht um Siegerzeiten, es geht um viel mehr, und genau das macht den Zimmersmühlenlauf zu einem Ereignis, zu dem alle gerne wiederkommen.

Natürlich ist Marcus Scholl da, er trägt die Nummer 611 und läuft sogar eine Runde mit als Rollstuhlschieber. Er hat den „Lauf für Integration“ einst mit dem früheren Leiter der Werkstätten ins Leben gerufen, hat die Grundlagen für das Erfolgsmodell gelegt, das Konzept entwickelt. Nach der Coronapause reaktiviert im vergangenen Jahr, steigt die Zahl der Läufer wieder, über 1000 bescherten den Veranstaltern ein schönes Ergebnis, Tendenz steigend. „Wir haben die Tausend wieder geknackt, das ist schön“, freut sich der heutige Citymanager. Seine Chefin, Bürgermeisterin Antje Runge, ist auch da. Im flotten Laufdress für eine Runde im Integrationslauf, als Verteilerin von Wasser nach dem Zieleinlauf und am Mikro auf der Kommandobrücke vor dem offiziellen Startzeichen. Hat schnell ausgerechnet, dass der „Zimmersmühlenlauf volljährig geworden ist“ und seit der Geburt trotz der Corona-Auszeit mehr als 22 000 auf die Straße gebracht hat, die für das gemeinsame Ziel laufen. „Oberursel zeigt, wir stehen für Vielfalt, stehen zusammen“, ruft Runge den Menschen zu und bekommt dafür viel Beifall. Die Stimmung ist bestens, fröhlich, gelöst und entspannt, für diesen Moment stimmt all das, was als Ziel der inzwischen traditionellen Veranstaltung ausgegeben wird. Bis hin zum lockeren Auslaufen in der Partyzone auf dem Hof, wo die integrative Band „Hörsturtz“ mit Live-Musik für den rechten Background sorgt.

Mehr als 1000 Gewinner

Hat eigentlich jemand den Lauf gewonnen? Ja, jeder der im Ziel mal mit Riesenjubel, mal mit der Welle empfangen wird, hat hier gewonnen. Die Laufzeit spielt dabei keine Rolle, wichtig ist die Zeit, die so unterschiedliche Menschen rund um die Werkstätten gemeinsam verbringen. Deswegen ist nach dem Lauf auch schon wieder vor dem Lauf und umgekehrt, dauern das Vorspiel am Straßenrand und das Nachspiel im Werkstatthof auch viel länger als der je nach Wahl nur 1,5 bis zu sechs Kilometer lange Lauf. Die Kirchengemeinde St. Ursula kommt mit einer Laufgruppe, der Hochtaunuskreis bringt 41 Läufer auf die Straße, der Landrat und sein Vize kommen zum Grußwort im aktuellen Laufshirt der Saison und freuen sich, dass so viele gekommen sind in die „offene Stadt“ Oberursel, die Frankfurt International School (FIS) ist mit über 30 „Runnern“ am Start, Firmen nutzen traditionell das Ereignis für Teambuilding in den eigenen Reihen und eine positive Außendarstellung, diesmal stellt die Süwag mit 69 Startern das größte Team. Noch besser und besonders umjubelt der Pulk, der die Oberurseler Werkstätten vertritt, nämlich mit 138 Männern und Frauen genau doppelt so viele. Und die Männer mit Zylinder auf den Köpfen, die Läufer in Flipflops, Badelatschen und Schnürschlappen, ach, eigentlich jeder, der seinen Teil zum integrativen Lebensgefühl beigetragen hat.

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