Hochtaunus (sth). Wie das ist, wenn „keine Zeit zum Atmen“ bleibt, hat Selina Maria Franco noch selbst miterlebt. Seit gut anderthalb Jahren lässt sich die 19-Jährige im Rilano Hotel in Oberursel zur Hotelfachfrau ausbilden. Ein Frühstück mit 200 Gästen gehörte anfangs zum Alltag. Dann kam Corona.
Tummelten sich vormittags um halb elf einst noch die Langschläfer am Büfett, ist der Speisesaal des Rilano um diese Uhrzeit nun nahezu menschenleer. Selina sitzt mit ihrer Azubi-Kollegin Esila Teskiran an einem der großen Rundtische, die blonden Haare fallen ihr über die Schultern. Sie sagt: „Momentan gibt es vor allem viel zu putzen. So habe ich mir das nicht vorgestellt.“
Drei Monate lang hatte das Rilano während des ersten Lockdowns im Frühjahr des vergangenen Jahres geschlossen. Seitdem läuft der Hotelbetrieb auf Stand-by-Modus. Zwischen 30 und 50 Gäste habe man im Haus, überwiegend Geschäftsreisende, sagt Tanja Spandl, Leiterin der Hotelgastronomie. „Unsere Azubis kennen das teilweise schon gar nicht mehr, wenn hier Action ist. Stattdessen müssen sie viel putzen und desinfizieren.“
Esila Teskiran begann ihre Ausbildung im vergangenen Herbst, kurz vor dem zweiten Lockdown. Das Arbeiten zu gewöhnlichen Zeiten hat sie lediglich bei einem dreiwöchigen Praktikum erlebt. Dennoch ist die 18-Jährige dankbar, „dass ich hier nach meinem Praktikum einen Platz bekommen habe.“
Trotz der Umstände erlebt Esila das Arbeitsklima als „sehr familiär.“ Auch wenn die Gäste fehlen, würde sie viel lernen – vor allem Verantwortung. Da die Abteilungsleiter oft nicht vor Ort seien und viele feste Mitarbeiter – anders als die Azubis – in Kurzarbeit, „ist das hier wie unser eigenes Haus. Wir helfen uns gegenseitig aus der Patsche“. Sie würden nun viel mehr „auf die kleinen Dinge“ achten. „Mit manchen Gästen hat man mit der Zeit ein lockeres Verhältnis, unterhält sich mit ihnen“, erzählt Selina Maria.
Auch im Steigenberger Hotel Bad Homburg musste kein Azubi in Kurzarbeit, wie General Manager Michael Kain sagt. Während 65 Prozent der Angestellten nur zeitweise arbeiten, „sind die Azubis überall dabei, ob an der Rezeption, bei Reservierungen, Convention Sales, im Restaurant- und Barbereich oder in der Küche.“ Selbst im ersten Lockdown hatten die Azubis laut Kain gut zu tun: So mussten die Wasserleitungen in den Zimmern regelmäßig gespült werden, um Legionellen fernzuhalten, die Sauberkeit kontrolliert, das Telefon bedient werden. Derzeit habe man 20 bis 30 Gäste im Haus, „die wollen wir natürlich auch bestens betreuen. Es gibt genug zu tun.“ Auch Kain sieht die Azubis nun in größerer Verantwortung. „Sie machen einen tollen Job, wir sind stolz auf sie.“
Dass seinen insgesamt 14 Auszubildenden durch Corona langfristige Nachteile entstehen, glaubt Kain nicht. „Wir unterstützen unsere Azubis, sie werden fit und gestärkt in die Prüfungen gehen.“ Da auch die berufsschulischen Einheiten überwiegend online stattfinden, nutze man ein digitales System, mit dem die Azubis fachbezogene Tests machen können. „Durch die anonymisierten Ergebnisse sehen wir, wo vielleicht noch Handlungspotenzial ist.“
Anders als Michael Kain hat Frank Metlicar, General Manager des Rilano in Oberursel, ein nachlassendes Interesse an Ausbildungsberufen in der Hotellerie ausgemacht: „Das ist leider so, und ich kann es sogar verstehen, da unsere Branche ja gefühlt seit 14 Monaten im Lockdown ist.“ Die derzeit acht Azubis seines Hotels hätten sich jedoch „toll entwickelt. Verantwortung, Probleme lösen und mit Menschen umgehen, das lernen sie gerade umso mehr.“
Ein Eindruck, den Selina Maria und Esila bestätigen. Pandemiemüde Gäste, denen Sinn und Zweck von Handschuhen und Maske am Büfett nicht einleuchtet – da ist der richtige Mix aus Feingefühl und Durchsetzungsstärke gefragt: „Wir wachsen daran.“
Mit leichten Sorgen blickt Selina Maria auf ihre in einem Jahr anstehende Abschlussprüfung, „da habe ich schon Zweifel“. Ein eigentlich vorgesehenes Wein-Tasting verbieten die Hygienebestimmungen. „Die Aufgaben aus der Schule müssen wir selbstständig bearbeiten. Wenn man etwas nicht versteht, muss man sich das selbst aneignen.“
Die Arbeit zumindest geht den Azubis im Oberurseler Rilano wie im Bad Homburger Steigenberger Hotel nicht aus. Der Betrieb läuft weiter, anders als im Mercure Hotel in Friedrichsdorf, das derzeit geschlossen ist. Zur Situation der dortigen Azubis wollte sich Hoteldirektorin Sandra Schumacher-Bazzoli nicht äußern. Auch die Auszubildenden selbst stünden nicht zur Verfügung. Drei von ihnen würden sich gerade intensiv auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten.