Ausstellung zeigt Szenen einer römischen Stadt

Saalburg-Direktor Dr. Carsten Amrhein zeigt den eisernen „Pfahlschuh“, der von der Gründung der Stadt Trier durch die Römer zeugt. Foto: a.ber

Hochtaunus (a.ber). Im Winterhalbjahr 18/17 vor Christus schlugen sie den sprichwörtlichen Pflock ein: Die römischen Eroberer trieben nördlich der Alpen in ihrer neuen Provinz Gallia Belgica am Ufer der Mosel Eichenpfähle in den Boden, um die erste Brücke über den Fluss zu bauen. Die zugespitzten Pfähle hatten sie mit eisernen „Pfahlschuhen“ versehen, die sich gut in den Flussgrund rammen ließen. Die Vision der Eroberer keltischer Landstriche: ein Fernstraßennetz vom Mittelmeer bis an den Rhein. Der römische Kaiser Augustus gründete dann auch gleich Augusta Treverorum, das heutige Trier. Eine Metropole entwickelte sich. Verwaltung und Handel, Handwerk und repräsentative Bauten, Märkte und Luxus, Lärm und Dreck: Die Sonderausstellung „Spot an! Szenen einer römischen Stadt“, die jetzt auf der Saalburg eröffnet wurde, zeigt all dies in Bild, Wort und Ton – und fasziniert und verblüfft damit, wie ähnlich sich städtisches Leben vor mehr als 2000 Jahren und in unserer Zeit sind.

„Was haben die Kohorten auf der Saalburg an der Limesgrenze eigentlich geschützt?“, fragte Saalburg-Direktor Dr. Carsten Amrhein bei der Präsentation der Sonderschau, die das Rheinische Landesmuseum Trier als Wanderausstellung zusammengestellt und auf die Taunushöhe bei Bad Homburg geschickt hat. „Zum Beispiel die Metropolregion Trier – aber was genau? Was meinen wir mit römischer Kultur und Zivilisation?“ Dem Gegenstand, dem wir Heutigen uns in der Fabrica-Halle der Saalburg anhand von zehn Schlaglichtern, Spots auf städtisches Leben in der Antike nähern können, standen viele Bewohner Galliens ab dem 2. Jahrhundert vor Christus wohl erstmal fassungslos gegenüber. Denn die Römer brachten durch ihre Eroberungszüge über die Alpen nicht nur nackte Gewalt mit, sondern auch gewaltige kulturelle Zumutungen und Neuerungen. Die Wenigsten der 2000 Städte im Römischen Reich waren Metropolen; in vielen Ortsgründungen verlief der „Kulturschock“ für die Einheimischen wohl eher milde, obwohl schon die Einführung von Schrift, Latein als Amtssprache und Münzwesen Herausforderungen waren.

Doch Augusta Treverorum wuchs schnell zur Metropole heran. Mediterrane Stadtkultur, geplanter Städtebau, Straßen mit Bürgersteigen, Villen und Paläste, riesige Tempel, Aquädukte und Abwasserkanäle, mondänes Unterhaltungsprogramm mit Thermen und Theatern, kulinarischer und modischer Luxus – als Kaiser Konstantin um 300 nach Christus in Trier seine Kaiserresidenz bezog, hatte die römische Oberschicht dort schon längst Lärm, Schmutz und Dekadenz als urbane Begleiterscheinung eingepreist. „Die Kaiserthermen waren die größten nördlich der Alpen, wir hier an der Grenze zum ‚Barbaricum‘ haben nichts Gleichwertiges“, meint Archäologe Carsten Amrhein.

Der Direktor der Saalburg ist froh, dass er die Trierer Wanderausstellung nun eröffnen kann und ermuntert Einzelbesucher und Schulklassen ausdrücklich, zu kommen. Nach einem langen Coronawinter mit sehr wenigen Besuchern im Limeskastell ermögliche die bis Ende Oktober geöffnete Sonderschau aufgrund der Länge der Ausstellungszeit allen einen entspannten Besuch. Die didaktische Aufbereitung des Themas durch die Kuratorinnen Dr. Korana Deppmeyer und Dr. Maria Carmen D’Onza vom Rheinischen Landesmuseum Trier ist beeindruckend: Je eine große lindgrüne Medienstation in der Halle, „Spot“ genannt, führt anhand eines antiken Original-Gegenstands und eines kleinen Films in Ton und Schrift in den jeweiligen Aspekt urbanen Lebens ein. Schautafeln und weitere Originale aus dem Bestand des archäologischen Museums Trier ergänzen diese. So führt der eiserne „Pfahlschuh“ der ersten Moselbrücke die Metropolgründung vor Augen, der Marmorkopf der Kaiserin Livia, Frau des Augustus, und antike Vermessungsgeräte zum Städtebau zeugen von der Frühzeit Triers.

„Ein antikes ‚Twitter‘“ nennt der Saalburgdirektor die Überreste von Lehmputz aus dem 1. Jahrhundert nach Christus, die von einem Haus auf dem Viehmarkt stammen und in dem sich Sklaven und Freigelassene wie Amandus der Liebenswerte oder Iucundus der Aufrichtige mit Namens-Graffiti verewigten.

Das Trierer Museum hat auch eine ganze Reihe kleiner Sandstein-Köpfe nach Bad Homburg geschickt: ungeschönte Gesichter einer Stadt, teils mit Fehlbildungen und Gaumenspalte. Im Spot „Leben in einer römischen Großstadt“ findet sich auch die antike Bronzestatuette eines Treverers mit einem wetterfesten schweren Woll-Kapuzenmantel: Sie zeugt davon, dass die Römer durchaus auch praktische Dinge von den einheimischen Kelten übernahmen. In den Spots „Wasser für die Stadt“ und „Spektakel für die Massen“ wird es für die Ausstellungsbesucher sehr unterhaltsam.

Öffentliche Latrinen mit Steinsitzen für bis zu 40 Personen nebeneinander seien in der Antike „Orte mit sozialer Funktion“ gewesen, heißt es im umfangreichen bebilderten Begleitheft zur Ausstellung; und der Film über die prächtigen Barbarathermen könnte glatt mit der Thermen- und Badewelt Sinsheim konkurrieren. „Kultur und Luxus sind in der römischen Metropole voll angekommen“, lautet der Kommentar von Saalburg-Direktor Amrhein. „Und Haarnadeln, wie dieses antike Stück hier, kann man heute auch im Abfluss der Taunus-Therme finden.“

Dass die Kuratorinnen an jedem Spot auch antike Zeitzeugen und Schriftsteller mit Zitaten zu Wort kommen lassen, mache die Schau für ihn als Altertumswissenschaftler so lebendig, sagt Dr. Carsten Amrhein. „Vor uns verstellt die Menge den Weg, von hinten drängt die Masse nach … einer stößt mich mit dem Ellbogen … und es hängt mir der Nagel eines Militärschuhs im Zeh … man zerreißt mir die eben erst geflickte Tunica“, beschreibt der Satirendichter Juvenal Anfang des 2. Jahrhunderts nach Christus den Ansturm der Bewohner auf ein Event im Amphitheater; die umfangreichen Informationen über die riesigen Theater- und Circus-Spektakel in Trier lassen staunen.

Auch die Stationen über die römische Glaubenswelt mit Göttern, Gaben und Opfern und der kultischen Verehrung des römischen Kaisers sowie über das römische Jenseits werden durch zahlreiche Originale bereichert: Die orientalische Fruchtbarkeitsgöttin Kybele – die wie einige gallisch-heidnische Götter ebenso ihren Platz für Verehrung in der Metropole hatte – trieb ihren Geliebten Attis, der sie betrog, in den Wahnsinn, und der Jüngling kastrierte sich selbst, wie die Bronzestatuette aus dem antiken Trier bezeugt, die Ausgräber in der Mosel fanden. Archäologie at its best. Die Begleittexte sind in Deutsch, Englisch und Französisch verfasst.

!Die Sonderausstellung „Spot an! Szenen einer römischen Stadt“ des Rheinischen Landesmuseums Trier im Römerkastell Saalburg kann bis zum 31. Oktober ohne Anmeldung täglich von 9 bis 18 Uhr (im Februar noch 9 bis 16 Uhr und montags geschlossen) besichtigt werden. Eintritt: sieben Euro für Erwachsene, fünf Euro für Kinder ab sechs Jahren (Familienkarten und Ermäßigungen möglich). Buchungen für Gruppen unter Telefon 06175-937420 oder per E-Mail an cornelia.krieger[at]saalburgmuseum[dot]de.

 

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