Durchschaut und erklärt wird das Wetter in Oberstedten

Die Daten von seiner privaten Funkwetterstation bekommt Andreas Friedrich bequem ins Arbeitszimmer übertragen, wo er sie seit 1972 auf Karteikarten per Hand notiert. Foto: fch

Oberursel (fch). Viele Gespräche drehen sich um das Wetter. Zu nass, zu trocken, zu windig, zu warm oder zu kalt. Gefällt das Wetter, dann lautet das Urteil: „Petrus hat es gut mit uns gemeint“. Apostel Petrus wird im Christentum und im Volksglauben als „Wettergott“ bezeichnet. Der als Himmelspförtner verehrte Apostel, der die himmlischen Schleusen öffnet und schließt, sorgt damit für Regen oder Sonnenschein. Sein Vorgänger als „Wettermacher“ war in unseren Breiten der germanischen Wettergott Donar, auch als Thor bekannt.

Heute haben viele Bürger eine Wetter-App auf ihrem Mobiltelefon und verfolgen aufmerksam in den Medien die Wettervorhersagen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach. Pressesprecher und Tornadobeauftragter des DWD ist Diplom-Meteorologe Andreas Friedrich. Der gebürtige Wiesbadener, der seit Mai 2006 in Oberstedten lebt, und seine Kollegen setzen bei ihren Vorhersagen zur Wetterlage auf exakte Messungen und wissenschaftlich fundierte Modellvorhersagen. Der Berufswunsch von Andreas Friedrich stand schon früh fest. „Wir hatten in der Grundschule 1966 eine Projektwoche zur Wetterkunde.“ Da traf der Neunjährige die Entscheidung, Meteorologe werden zu wollen und abends das Wetter im Fernsehen zu moderieren.

Gesagt, getan. „Angefangen habe ich mit einem Thermometer auf dem Balkon und einer Windfahne auf dem Dach meines Elternhauses in Rüsselsheim. Meine erste private Wetteraufzeichnung datiert vom 1. Dezember 1966. Da habe ich morgens vier Grad Celsius, mittags fünf Grad und abends sechs Grad gemessen.“ Nach dem Abitur studierte er von Oktober 1977 bis Oktober 1984 Meteorologie an der Technischen Universität in Darmstadt. Mit dem Diplom in der Tasche nahm er im Januar 1985 seinen Dienst beim nationalen Wetterdienst in Offenbach auf. Noch 38 Jahre später sagt der 65-Jährige voller Begeisterung: „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Mir macht meine Arbeit bis heute großen Spaß.“

Millionen interessierter Zuschauer

Beim DWD hat der Diplom-Meteorologe in den ersten Jahren im Schichtdienst in der Analyse- und Vorhersage-Zentrale gearbeitet. Danach leitete er von 1994 bis Ende 2003 das Medien-Service-Zentrums im DWD. Er war in dieser Funktion verantwortlich für spezielle Produktionen und Dienstleistungen für Medien. „2001 kamen erste private Anbieter auf den Markt. Der DWD änderte seine Strategie und konzentrierte sich auf Vorhersagen.“ Andreas Friedrich wechselte nach der Auflösung des DWD-Medien-Service-Zentrums zur Vorhersage- und Beratungszentrale. Im Februar 2012 erfolgte sein interner Wechsel zur Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Dort ist er unter anderem verantwortlich für das DWD-TV-Studio und als Pressesprecher Ansprechpartner für die Medien. Seine Informationen zur Flutkatastrophe im Ahrtal wurden unter anderem in China von mehr als 100 Millionen Zuschauern aufmerksam verfolgt.

Bereits im Juli 2004 wurde Andreas Friedrich vom DWD-Vorstand zum Tornado-Beauftragten ernannt. Wer glaubt, Tornados gebe es nur in den USA und dort vor allem im Mittleren Westen und nicht in Deutschland, der irrt. „In Deutschland werden jährlich bis zu 80 Tornados nachgewiesen“, sagt er. Die schnellsten Winde der Welt erreichen Geschwindigkeiten von mehr als 500 Kilometern pro Stunde. Sie hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Zu den Aufgaben als Tornado-Beauftragter gehören unter anderem die Bearbeitung von Medienanfragen zum Thema Tornado, die wissenschaftliche Koordination aller Tätigkeiten um dieses Thema, das Sammeln aller Informationen bezüglich Tornados sowie die Pflege nationaler und internationaler Kontakte zu anderen Einrichtungen.

Arbeitszimmer als Fernsehstudio

„Das Thema Wetter ist spannend. Jeder Arbeitstag ist anders. Ist das Wetter ruhig, dann habe ich einen ruhigen Arbeitstag. Bei extremen Wetterlagen sieht es anders aus. Da bin ich als Interviewpartner von TV- und Radiosendern wie auch Printmedien ein gefragter Gesprächspartner.“ Seit März 2020 arbeitet der Experte wie fast 75 Prozent der knapp 2000 DWD-Mitarbeiter in Deutschland bis zu 100 Prozent im Homeoffice. Dafür wurde eine Internetverbindung von Offenbach nach Oberstedten hergestellt. In seinem Oberurseler Garten empfängt er regelmäßig Fernsehteams. Sein Arbeitszimmer kann er bei Bedarf in ein Fernsehstudio umbauen, aus dem er via Skype oder Zoom zu Fernsehsendern schaltet.

Im Garten hat der regelmäßige Leser der „Oberurseler Woche“ eine private Funkwetterstation mit einem sieben Meter hohen Windmast stehen. „Der wurde im August 2020 von einem Sturm zerstört.“ Die mit Hilfe der Funkwetterstation ermittelten Daten wie Temperatur, Luftdruck, Wind oder Niederschläge überträgt er seit 1972 per Hand auf Karteikarten und wertet sie täglich um 21 Uhr aus. Die Aufzeichnungen des DWD und anderer Wetterdienste zeigten, dass extreme Wet-terereignisse mit dem Klimawandel zunehmen. Durch die Klimaerwärmung gebe es im Sommer mehr starke Niederschläge und Unwetter, dagegen seien Orkane im Winter normal, so Friedrich. Meteorologen könnten aufgrund der heutigen Technik und der internationalen Vernetzung bereits Tage vorher erkennen, ob eine Wetterlage die „Zutaten“ für schwere Gewitter, Überschwemmungen, Hagel inklusive der Körnergröße oder Orkanböen hat. Das gelte auch für das Risiko für das Auftreten von Tornados. Andreas Friedrich, der Ende Mai in Ruhestand geht, empfiehlt allen, die Wettervorhersage aufmerksam zu verfolgen und sich bei gefährlichen Wetterlagen rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

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