Für eine Landwirtschaft, die nachhaltig und wirtschaftlich ist

Landwirte aus dem Hochtaunuskreis sind mit ihren Traktoren auf den Feldberg gefahren, um auf Schwachstellen und Widersprüche in der Agrarpolitik hinzuweisen. Foto: Lüdecke

Hochtaunus (how). „Die Politik treibt es auf die Spitze“, sagen Landwirte in ganz Deutschland und weisen mit diesem Satz darauf hin, dass die geplante Agrarpolitik an der Realität vorbeigeht. Viele haben sich im vergangenen Jahr bundesweit zu der Initiative „LandSchafftVerbindung“ zusammengeschlossen, und diese Initive hatte anlässlich der Tagung des Agrarausschusses des Bundesrats am vorigen Freitag zu bundesweiten Kundgebungen aufgerufen.

Etwa 50 Landwirte aus dem Hochtaunuskreis nahmen das Motto wörtlich und erklommen mit etwa 30 Traktoren die Spitze des Feldbergs. Sie sind stolz, dass sie mit ihrer höchsten Veranstaltung in Hessen wirklich „spitze“ waren. „Wir hatten gute Gespräche mit ein paar Verbrauchern bei einer Tasse Kaffee und Kuchen, sowie Wurst vom Grill“, berichtet Oliver Lüdecke aus Bommersheim. Was die Hochtaunus-Landwirte aber am meisten gefreut hat: Der Erste Kreisbeigeortnete Thorsten Schorr kam auch auf den Feldberg, um seine Sympathie für das Anliegen der Bauern zu zeigen und sie zu ermutigen, die Bevölkerung auf die Situation der Landwirtschaft aufmerksam zu machen.

Worum geht es den Landwirten? „Landwirtschaft beziehungsweise die Natur ist extrem komplex und kann nicht immer einfach per Gesetz geregelt werden.“ Mit diesen Worten fasst eine Mitteilung von „LandSchafftVerbindung“ das Anliegen zusammen. Die meisten Betriebe existierten seit Generationen. Die Fruchtbarkeit der Böden sei so gut wie noch nie. Mit immer weniger Dünger könnten höhere Erträge erzielt werden. Das sei der beste Beweis, dass die vergangenen Jahrzehnte gut gewirtschaftet wurde. Nicht umsonst entdeckt man bei den aktuellen Protesten der Landwirte Schilder wie „Landwirte denken in Generationen – nicht in Wahlperioden“

Der Boden sei für alle Betriebe die Produktionsgrundlage. Schon aus diesem Grund habe jeder Landwirt eine große Verantwortung und sei sich dessen absolut bewusst. Auch noch die nachfolgende Generation soll von den landwirtschaftlich genutzten Flächen gute Ernten einfahren.

Aber es werde immer komplizierter: „Auflagen, Verordnungen, jedes Jahr was Neues. Es werden zum Beispiel Zeiträume geregelt, wann bestimmte Maßnahmen durchgeführt sein müssen. Was ist aber, wenn die Natur selbst die Zeiträume anders definiert? Es hilft nichts. Gesetz ist Gesetz. Auch wenn man dann quasi gegen die Natur arbeitet“, heiß es in der Mitteilung. Werden Blühflächen auf sogenannten ökologischen Vorrangflächen als Feldrandstreifen angelegt, so ist die Aussaat im zeitigen Frühjahr durchzuführen, obwohl die Saat sehr frostempfindlich ist. Aber damit nicht genug. Dieser Blühstreifen muss auch noch bis zu einem Stichtag samt seinen Vorzügen für Insekten und das Niederwild beseitigt werden.

Rapsöl contra Palmöl

Im Rapsanbau kommen einige Insektizide und Fungizide zum Einsatz. Raps biologisch zu produzieren, sei fast unmöglich. Doch es werde Wert auf eine hohe Bienenverträglichkeit gelegt. Ein Teil der Maßnahmen wird sogar nachts außerhalb der Flugzeit der Insekten durchgeführt. Außerdem gibt es mittlerweile technische Einrichtungen, um Pflanzenschutzmittel so auszubringen, dass die von den Insekten beflogene Blüte nicht behandelt wird. Allerdings sei niemand bereit, diesen Mehraufwand zu honorieren. Rapsöl stehe in Konkurrenz zu billigem Palmöl, für das oftmals Regenwald abgeholzt wird.

Viele heimische landwirtschaftliche Erzeugnisse stehen in Konkurrenz zu billigeren Produkten auf dem Weltmarkt oder innerhalb der EU. Eine Abgrenzung sei politisch scheinbar gewollt. So soll das Mercosur-Abkommen es beispielsweise ermöglichen, dass 40 000 Tonnen billiges Rindfleisch aus Südamerika in die EU kommen. Hier stelle sich die Frage der Nachhaltigkeit, wenn für den Futteranbau gentechnisch verändertes Soja auf gerodeten Regenwaldflächen produziert wird. Vom Transportweg und der „transparenten“, von Glyphosat geprägten Produktion wollen die Landwirte gar nicht sprechen.

In Zukunft sollen in Deutschland weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Gleichzeitig soll weniger CO2 produziert werden – ein großen Zielkonflikt. Denn werden zum Beispiel weniger Herbizide zur Bekämpfung von Unkraut eingesetzt, erfordert das zwangsläufig eine erhöhte mechanische Bearbeitung mit Pflug oder Egge. Dies ist mit einem höheren Dieselverbrauch verbunden. Außerdem werden Humus abgebaut, Nährstoffe freigesetzt, das Bodengefüge mit seinen Lebewesen auf den Kopf gestellt und andere Tiere durch mehr Bodenbearbeitung gestört oder vernichtet.

In einigen „roten Gebieten“ soll 20 Prozent unter Bedarf gedüngt werden. Die Landwirte machen Bodenproben und kalkulieren den Bedarf der Pflanzen genau. Nicht ohne Grund sind die Nitratwerte in Bad Homburg, Oberursel, Wehrheim und anderen Kommunen im grünen Bereich. Trotzdem gibt es „rote Gebiete“. Verantwortlich sind nach Überzeugung der Landwirte Messstellen in größerer Entfernung, deren Messwerte nicht in Ordnung sind und Geologen, die die roten Gebiete gestalten.

Es gebe eine EU-Vorgabe, Nitratwerte zu beobachten und gegebenenfalls darauf zu reagieren, aber jedes Land könne die Art und Weise selbst bestimmen. Auch innerhalb Deutschlands gebe es große Unterschiede bezüglich der Messverfahren und Methodik. Die Vergleichbarkeit der Daten in Deutschland und der EU sei daher nicht gegeben.

Im Ballungsgebiet ist das Thema Landfraß von sehr großer Bedeutung. Jeden Tag werden rund 70 Hektar in Deutschland zugebaut – mehr als der lndwirtschaftliche Durchschnittsbetrieb im Hochtaunuskreis umfasst. Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt bei etwa 45 Hektar. Werden größere Baugebiete realisiert, sind diese aus Sicht der Bauern existenzbedrohend. Außerdem werde mit jedem Hektar, der in Deutschland verlorengeht, die Abhängigkeit vom Ausland größer: „Dem Verbrauer sollte dabei bewusst sein, dass in Deutschland gentechnikfrei und nach modernsten Erkenntnissen gewirtschaftet wird. Die hohe Lebenserwartung der Menschen kommt nicht von ungefähr.“

Fortschritt koste Geld. Mehrerlöse dafür, dass umweltverträglicher produziert wird, seien jedoch nicht realisierbar. Für den Einsatz der Technik werde ein gutes Mobilfunknetz gebraucht, das gerade im ländlichen Raum oftmals jedoch nicht ausreichend vorhanden sei. Ähnliches gelte für das Tierwohl. Würden nur halb so viele Tiere pro Stall gehalten, verdoppele sich der Festkostenanteil pro Tier. Aber höhere Preise seien nicht durchsetzbar. „Ganz im Gegenteil: Der Handel bestimmt den Preis und nicht der Landwirt als Produzent.“ Es sei wichtig, dass die Betriebe wieder mehr Planungssicherheit bekommen. Die Landwirtschaft müsse realistisch, nachhaltig und wirtschaftlich bleiben.



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