Gedenkfeier am Steinkopf zum Absturz des Rosinenbombers vor 75 Jahren

Bürgermeister Leonhard Helm bei seiner Rede. Im Hintergrund die Hinterbliebenen von Karl Victor Hagen. Fotos: Diehl

Königstein (nd) – Am Samstag, 14. Oktober, gegen 16 Uhr trafen sich bei überraschend gutem Wetter viele Menschen am Steinkopf, um derer zu gedenken, die beim Absturz eines Rosinenbombers vor nunmehr 75 Jahren ums Leben kamen, und um gleichzeitig der Einweihung der neu gestalteten Gedenkstätte beizuwohnen.

Die Luftbrücke Frankfurt - Berlin

In der Nacht auf den 24. Juli 1948 riegelte die Sowjetunion alle Land- und Wasserwege, die von West-Berlin zum westlichen Teil Deutschlands führten, ab. Begründung war die vorher von den Westalliierten eingeleitete Währungsreform. Die Bewohner der zerbombten und nun isolierten Stadt litten unter Hunger, und auch lebenswichtige Güter wie z.B. Heizkohle waren Mangelware. Kurzerhand rief der damalige Militärgouverneur der amerikanischen Zone, Lucius D. Clay, eine Luftbrücke ins Leben, und bereits zwei Tage nach Beginn der Blockade starteten die ersten Transportflugzeuge von der Rhein-Main Air Base Frankfurt und dem Flugplatz Wiesbaden-Erbenheim in Richtung West-Berlin. Im Minutentakt landeten Flugzeuge auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof, brachten lebenswichtige Güter zu den eingeschlossenen Menschen und flogen Hilfsbedürftige, vor allem Kinder und Senioren, aus der nun abgeriegelten Zone aus. Der Spitzname „Rosinenbomber“ (engl. Candy-Bomber) wurde zum geflügelten Wort, weil die Piloten kleine selbstgebastelte Fallschirme aus Taschentüchern mit Süßigkeiten für die Kinder abwarfen. Initiator dieser schönen Idee war US Air Force-Pilot Gail Seymour Halvorsen. Bis zum Ende der Berlinblockade am 12. Mai 1949 wurden allein aus Frankfurt und Wiesbaden 2,11 Millionen Tonnen Güter nach West-Berlin transportiert.

Der Absturz des Rosinenbombers am Steinkopf

Was Leben brachte, brachte vielen Menschen auch den Tod, denn mindestens zwanzig Rosinenbomber stürzen bei der Rettungsaktion ab. Der erste Absturz überhaupt ereignete sich am 8. Juli 1948 am Steinkopf im Taunus. Die Maschine, die höchstwahrscheinlich überladen war, streifte auf 570 m Höhe die Baumwipfel und stürzte in den Wald, wobei alle Insassen ums Leben kamen. Die Besatzung bestand aus zwei Piloten der US Air Force, 1st Lt. Georg B. Smith und 1st Lt. Leland V. Williams, sowie dem deutschstämmigen Angestellten des Army-Departments, Karl Victor Hagen. Ein weiterer Rosinenbomber stürzte im Dezember des gleichen Jahres bei Altenhain ab. Der Pilot, der gerade noch verhindern konnte, dass das Flugzeug auf Altenhain stürzte, kam bei dem Absturz ums Leben – die anderen Passagiere überlebten.

Einweihung der neugestalteten Gedenkstätte

An vielen Orten in Deutschland, so auch in Hessen, wurde der Luftbrücke und ihrer insgesamt 85 Opfer gedacht. So ist unter anderem in Erding, wo 1st Lt. Leland V. Williams stationiert war, ein Stadtviertel nach ihm benannt – Williamsville. Auch am Steinkopf wurde im Jahr 2016 eine Gedenkstätte für die drei Todesopfer des Absturzes eingeweiht. Diese wurde nun neu gestaltet: Eine Bank wurde am Absturzort aufgestellt und Hinweistafeln im Design des Naturparks Hochtaunus weisen jetzt den Weg dorthin. Zur Einweihung hatten Norbert Kandzorra (persönlich verhindert) und Historiker Dr. John Provan vom Verein Luftbrücke Frankfurt - Berlin 1948 - 1949 e. V., Thomas Zellhofer vom Verein Stimme für Ruppertshain e. V. und die Stadt Königstein eingeladen. Viele waren der Einladung gefolgt, darunter der Bürgermeister von Kelkheim, Albrecht Kündiger, der Bürgermeister von Königstein, Leonhard Helm, Nachfahren des zivilen Unglücksopfers Karl Victor Hagen, der Vorstand der Siedlungsgemeinschaft Williamsville aus Erding, deutsche und amerikanische Soldaten sowie Zeitzeugen (z.B. Felix Böhm, der damals den Aufprall der Maschine vom Typ Dakota C47 hörte). Die Enthüllung der Tafeln war mit einem feierlichen und würdevollen Akt verbunden: Ein Solotrompeter der US Air Force ließ jene Melodie erklingen, die bei amerikanischen Militärbegräbnissen gespielt wird, und die Sopranistin Daria Tymoshenko aus Kiew/Ukraine begleitete die Zeremonie ebenfalls musikalisch. Die Anwesenden lauschten andächtig, und während der anschließenden Schweigeminute waren nur die Geräusche des Waldes zu hören. „Ich bin dankbar, dass wir heute hier gedenken können“, merkte Bürgermeister Leonhard Helm in seiner Rede an. Die Gäste waren teilweise von weit her angereist: Unter anderem waren die Tochter von Karl Victor Hagen, Nina Hagen (nicht die deutsche Sängerin, auch wenn diese ebenfalls mit ihm verwandt ist), mit ihrer Tochter Sophie Malholm und sein Sohn Anthony Hagen mit seiner Frau Linley Pennebaker Hagen aus den USA angereist. Eine Zeitzeugin berichtete, dass sie selbst als Kind die Rosinenbomber in Berlin erlebte und obwohl sie schon lange in Ruppertshain wohne, erst in diesem Jahr von dem Absturz erfahren habe. Sie trug ein selbstgeschriebenes Gedicht sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch vor. Im Anschluss an die Enthüllung der neugestalteten Tafeln folgte der Aufstieg zur eigentlichen Absturzstelle, den trotz des sehr steilen Weges auch die älteren Besucher tapfer meisterten. Am Absturzort befindet sich ein großer Steinberg mit einem Kreuz darauf. Die Namen der Todesopfer sind auf einer steinernen Tafel vermerkt – eine Holzbank lädt zum Verweilen ein. In seiner Rede erinnerte der Kelkheimer Bürgermeister Albrecht Kündiger daran, dass „es viele Menschen in anderen Ländern gibt, denen es heute genauso geht wie den Deutschen damals“. Während die Abendsonne magisch durch die Bäume schien, stimmten Daria Tymoshenko und der Solotrompeter gemeinsam „Amazing Grace“ an, bevor sich Stille über den Wald legte. Anthony Hagen (Sohn von Karl Victor Hagen) bedankte sich bei allen Beteiligten – vor 20 Jahren war er bereits einmal im Wald am Steinkopf gewesen und konnte die Absturzstelle damals nicht finden. Sichtlich bewegt stand er nun an dem Ort, an dem sein Vater starb. Er selbst hatte ihn nie kennengelernt, denn Karl Victor Hagen, der nicht nur an der Ausarbeitung der Luftbrücke und den Vorbereitungen zur Einführung der D-Mark beteiligt war, verunglückte wenige Monate, bevor sein Sohn geboren wurde. Vom guten Willen aller Beteiligten zeigte sich Anthony Hagen beeindruckt: „Good things can come from bad things“ waren seine Worte (Übersetzung: Aus schlechten Dingen können gute Dinge entstehen).

Die Gedenkstätte ist nicht nur ein Ort der Erinnerung an die Toten, sie ist auch ein Ort der Erinnerung an eine Zeit, in der aus Feinden Freunde wurden, denn „Gedenken ist wichtig – Befassen mit der eigenen Geschichte ist wichtig“, so Albrecht Kündiger.

Wegbeschreibung zur Gedenkstätte

Vom Parkplatz Landsgraben (Kelkheim-Ruppertshain):

Grüner Blatt-Weg über den Eichkopf bis zur 5-Wege-Kreuzung (Kunitzkyweg), geradeaus den breiten Rückeweg wählen, nach ungefähr 650 m kommt ein Pfad auf der rechten Seite, nach ca. 100 m erreicht man die Gedenkstätte.

Vom Parkplatz Naturfreundehaus (Billtalhöhe):

Grüner Blatt-Weg (Kramerweg) ca. 500 m gehen, dann links abschwenken, nach ca. 400 m den zweiten Rückeweg rechts wählen, nach ca. 100 m kommt ein Pfad auf der linken Seite, nach ca. 100 m erreicht man die Gedenkstätte. (gs)

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