Hochtaunus (ach). Seit Sonntagabend ist die politische hessische Landkarte schwarz mit ein paar grünen Sprenkeln. Wenn auch nicht in diesem Ausmaß, war es doch nicht überraschend, dass mit der Landtagswahl die „Ampel“ in Berlin zur Halbzeit „abgestraft“ wurde und die CDU deutliche Gewinne einfuhr. Auch dass die AfD von Protestwählern profitierte. Das war im Hochtaunuskreis nicht anders. Die Ergebnisse für die lange Zeit an der Fünf-Prozent-Marke zitternde FDP fielen hier jedoch deutlich höher aus, was durchaus daran gelegen haben mag, dass ihr Spitzenkandidat der ehemalige Steinbacher Bürgermeister Stefan Naas war. Er verbrachte den Abend bei seiner Fraktion im Landtag.
„Ich habe schon schlimmere Abende erlebt“, scherzte CDU-Kreisvorsitzender Markus Koob am Wahlabend im Landratsamt, wo die Ergebnisse aus den beiden Wahlkreisen im Hochtaunuskreis zusammenliefen. Boris Rhein habe die Geschicke des Landes sehr gut gelenkt, es gebe keine Wechselstimmung in Hessen, die CDU sei „rundum zufrieden“. Nicht nur Holger Bellino im Wahlkreis Hochtaunus I, sondern auf Anhieb auch Sebastian Sommer im Wahlkreis Hochtaunus II hätten ein fantastisches Ergebnis eingefahren. Während Bellino in Wiesbaden den Wahlausgang verfolgte, genoss Sommer den Applaus seiner Parteifreunde in Bad Homburg, dankte seiner Wahlkampf-Mannschaft für die „großartige Teamleistung“ und versicherte, dass er das gute Ergebnis „als Auftrag“ sieht.
Das amtliche Endergebnis verzeichnet für Holger Bellino (CDU) im Wahlkreis Hochtaunus I 43,3 Prozent (CDU-Landesstimmen 40,6 Prozent). Mit deutlichem Abstand folgen auf Platz zwei Sven Mathes (Grüne) mit 15,7 Prozent (Grüne 16,8), Dr. Clemens Hauk (AfD) auf Platz drei mit 13,6 Prozent (AfD 14,6), Elke Barth (SPD) mit 13 Prozent (SPD 10,9), Philipp Herbold (FDP) mit 6,7 Prozent (FDP 7,5) und Christin Jost (FW) mit 3,7 Prozent (FW 2,9).
Die Platzierung der Kandidaten und der Wettbewerb der Parteien im Wahlkreis Hochtaunus II sieht ganz ähnlich aus. Dort liegt Sebastian Sommer (CDU) mit 37,4 Prozent (CDU 38,9) mit weitem Vorsprung an der Spitze vor Patricia Peveling (Grüne), die 17,8 Prozent für ihre Partei eingefahren hat (Grüne 16,8). Gleichauf bei 12,2 Prozent bewegt sich das Ergebnis sowohl von Sebastian Imhof (SPD) als auch von Peter Lutz (AfD), wobei die AfD bei der Zweitstimme mit 13 Prozent die Nase noch eine Handbreit vor der SPD mit 11,2 Prozent hat. Elf Prozent gewinnt der Spitzenkadidat Stefan Naas in seinem Heimatwahlkreis, seine FDP bringt es auf 7,5 Prozent. Andreas Bernhardt (FW) holte fünf Prozent (FW 3,5).
Für die SPD räumten Barth und Imhof ein, dass sie „maßlos enttäuscht“ seien. Dennoch gratulierten sie der CDU zu ihrem „fulminanten Sieg“. Der SPD sei es nicht gelungen, die „hessischen Themen“ Bildung, Verkehr, ÖPNV und Fachkräftemangel sowie bezahlbarer Wohnraum, der Imhof sehr am Herzen lag, in den Vordergrund zu stellen. „Erschreckend“ findet Imhof die Zuwächse der „teilweise rechtsextremistischen AfD“. „Dabei sind wir alle angetreten, damit dieser blaue Balken nicht so groß wird“, sagte Peveling und forderte, die Demokraten müssten nun zusammenstehen, um diese Entwicklung einzudämmen. Immerhin hätten über 80 Prozent der Hessen nicht rechtsextrem, sondern demokratisch gewählt, merkte Mathes an. „Schmerzlich empfinde er den weiteren Rückgang der Wahlbeteiligung auf etwa 64,5 Prozent. Das für die FDP enttäuschende Ergebnis habe wenig mit Hessen zu tun, bedauerte Herbold. Kampagnen gegen die Ampel in Berlin hätten „voll durchgeschlagen“. Er finde es schade, dass mit einem engagierten, ehrlichen, abwägenden Wahlkampf immer weniger Menschen zu überzeugen seien, die zunehmend zugänglich für einfache Antworten seien. Alle Demokraten seien aufgerufen, gemeinsam daran zu arbeiten, dass sich das ändert. Bernhardt sieht den Grund dafür in der Unzufriedenheit der Menschen. Die Politik müsse wieder daran arbeiten, bei den Menschen anzukommen, um Protestwähler zurückzugewinnen. Er finde den blauen Balken „bedauerlich“ und hätte sich für die Freien Wähler mehr Stimmen erhofft, räumte Bernhardt ein.
Eine Wahl in erster Linie gegen die Ampel in Berlin, die hessische Themen in den Hintergrund treten ließ – war da Bundesinnenministerin Nancy Faeser, in deren Zuständigkeitsbereich noch dazu das Thema Flüchtlinge fällt, die geeignete Herausforderin für Ministerpräsident Boris Rhein? „Die Partei steht dahinter“, sagte Barth. Dass das Thema Flüchlinge nachträglich so stark ins Zentrum des Wahlkampfs rücken würde, sei bei der Kandidatenkür nicht zu ahnen gewesen. „Ihr ist persönlich nchts vorzuwerfen. Sie hat einen tollen Wahlkampf gemacht.“
Der Schock über das Abschneiden der AfD sitzt tief. Aber wie sollen Wähler zurückgeholt werden in demokratische Lager? „Mehr auf die Menschen zugehen und mit ihnen reden, um sie zu verstehen“, ist aus Sommers Sicht ein Weg. Barth ist überzeugt, dass sich der Kommunikationsstil in der Ampel und zwischen allen Demokraten ändern müsse, indem den Menschen nicht Streit, sondern Lösungen geboten werden. „Die AfD wurde aus Protest gewählt. Sie hat im Landtag keine Rezepte zur Lösung von Problemen geliefert. Das müssen wir den Menschen darstellen“, so Barth. „Vieles lässt sich nicht einfach erklären.“ „Schon gar nicht in Zeiten die immer schwieriger werden“, ergänzte Peveling. „Da hilft Populismus nicht weiter.“ Sie forderte dazu auf, innerhalb der Ampel, aber auch unter Einbeziehung der CDU in der Auseinandersetzung anders miteinander umzugehen statt die Stimmung anzufeuern. Und es komme darauf an, dass sich Politik früher um die Probleme der Menschen kümmert, so Herbold. Indem erst wenige Wochen vor der Wahl Bewegung in das komplexe Problem der Migration gekommen sei, habe der späte Wechsel die Populisten eher gestärkt. Es sei die gemeinsame Aufgabe, mit den Menschen im Gespräch zu bleiben.