Wenn die Krankheit bleibt: Symposium für Long-COVID-Betroffene Long COVID

Eine Viruserkrankung mit fatalen Folgen: Rund 10 bis 15 Prozent der Infizierten haben mit Langzeitfolgen zu kämpfen – von chronischer Erschöpfung bis hin zu Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen.Foto: KI generiert

Main Taunus (ju) – Long COVID ist längst mehr als ein Randthema der Pandemie. Schätzungen zufolge entwickeln rund 10 bis 15 Prozent der Infizierten lang anhaltende Beschwerden – von chronischer Erschöpfung über Konzentrationsstörungen bis hin zu Herz-Kreislauf- und Atemproblemen. Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, doch die Forschung deutet auf komplexe Zusammenhänge zwischen Immunreaktionen, Gefäßveränderungen und Stoffwechselprozessen hin. Für die Betroffenen bedeutet dies nicht nur medizinische Unsicherheit, sondern auch eine enorme Belastung im Alltag, in Familie und Beruf. Ein Symposium, das sich speziell an Long-COVID-Erkrankte richtet, nimmt diese Fragen auf, bietet aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und schafft Raum für Austausch und gegenseitige Unterstützung.

Von der Idee zur Veranstaltung

Die Idee zu dem Symposium, das am Samstag, 25. Oktober, von 9.30 bis 14 Uhrim Gartensaal des Kelkheimer Rathauses stattfindet, hatte die Long-COVID-Selbsthilfegruppe, die seit zwei Jahren in Kelkheim besteht. Sie bietet Betroffenen einen wichtigen Austausch und Unterstützung im Umgang mit den Langzeitfolgen der Corona-Erkrankung. Gegründet wurde sie von Petra Nega-Aach mit Unterstützung der Kirchengemeinde Fischbach sowie der Stelle für Selbsthilfegruppen im Main-Taunus-Kreis. Viele Mitglieder berichten, dass ihre Beschwerden – zum Beispiel starke Erschöpfung (Fatigue), Konzentrationsprobleme oder Beeinträchtigungen der körperlichen Leistungsfähigkeit – ihren Alltag erheblich einschränken. Manche können nicht mehr arbeiten oder nur eingeschränkt tätig sein. Die Gruppe bildet deshalb nicht nur ein Netzwerk zur Bewältigung der Krankheit, sondern auch eine Anlaufstelle bei Rückschlägen. Und eben dieses Netzwerk wollte Petra Nega-Aach ausweiten und nahm deswegen Kontakt zu 30 Selbsthilfegruppen in ganz Hessen auf. „Mit vier von ihnen sind wir dann enger zusammengekommen, erst per Zoom-Treffen, dann im echten Leben“, erklärt Nega-Aach. Denn manchmal ist geteiltes Leid nur noch halbes Leid, wie ein Sprichwort sagt. Die Idee wuchs und auch das Interesse ist da, wie Petra Nega-Aach anfügt. „Wäre ich gesund, würde ich noch eine zweite Selbsthilfegruppe aufmachen, denn der Bedarf ist da. Wir sind hier im Main-Taunus-Kreis die einzige Gruppe, haben eine Warteliste. Bei vielen ist die Unsicherheit groß, gerade, weil Long COVID noch so wenig erforscht ist. Da wollten wir jetzt einfach Abhilfe schaffen und haben das ‚Long-COVID-Symposium‘ ins Leben gerufen.“

Der Selbsthilfegruppe ist es gelungen, drei renommierte Referenten für das Symposium zu gewinnen, die anschaulich die medizinischen Aspekte beleuchten, aber auch die theoretischen und praktischen Möglichkeiten aufzeigen, Symptome zu lindern und so wieder mehr Lebensqualität zu erreichen.

Der medizinische Aspekt

Prof. Dr. Bernhard Schieffer ist Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Marburg und Leiter einer der ersten Post-COVID-Ambulanzen in Deutschland. Unter seiner Führung arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Kardiologie, Pneumologie, Neurologie und Psychiatrie an der Diagnose und Behandlung der vielfältigen Beschwerden von Long-COVID-Patientinnen und -Patienten.

Neben der Versorgung betreibt Schieffer intensive Forschung. Er untersucht u. a. Veränderungen im Fettstoffwechsel und in der Blutdruckregulation und prüft den Einsatz von Blutdruck- und Cholesterinsenkern zur Linderung bestimmter Symptome. Mit Projekten wie PROGRESS entwickelt er neue Versorgungsmodelle, um Diagnostik zu standardisieren und Wartezeiten zu verkürzen.

Schieffer sieht Long COVID als komplexes Krankheitsbild, das nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit, Forschung und strukturierte Versorgung bewältigt werden kann.

Der anerkannte Mediziner wird einen Impulsvortrag halten und sich den Fragen der Betroffenen stellen.

Bewegung und die richtige Ernährung helfen

Melissa Marks und Lheanne Rehmet widmen sich aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln derselben Herausforderung: der Unterstützung von Menschen mit Long COVID. Beide haben ihre Arbeit bewusst auf dieses noch junge Krankheitsbild ausgerichtet und verbinden wissenschaftliches Wissen mit praktischer Erfahrung.

Bewegung: Melissa Marks

Die Sportwissenschaftlerin Melissa Marks ist seit vielen Jahren beim TV Flörsheim aktiv und leitet dort eine Lungensportgruppe. Aufbauend auf dieser Erfahrung hat sie ein spezielles Bewegungsprogramm für Menschen mit Long COVID ins Leben gerufen.

Ihre Angebote sind medizinisch zertifiziert und setzen eine ärztliche Abklärung voraus, um gesundheitliche Risiken auszuschließen. Marks weiß, dass die Symptome von Long COVID sehr unterschiedlich ausfallen können – von Atemnot über Kreislaufprobleme bis hin zu allgemeiner Erschöpfung. Deshalb legt sie besonderen Wert auf individuell abgestimmte Belastungen. Ihr Ziel: Betroffenen Schritt für Schritt zurück in mehr Bewegung und damit zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.

Ernährung: Lheanne Rehmet

Die Ernährungsberaterin Lheanne Rehmet hat ihre ursprünglich allgemein ausgerichtete Arbeit gezielt auf Long COVID spezialisiert. In der Ernährungstherapie unterscheidet sich dieser Bereich deutlich von klassischer Beratung: Viele Patientinnen und Patienten kämpfen mit anhaltender Müdigkeit, Verdauungsproblemen oder Nährstoffdefiziten. Rehmet entwickelt deshalb maßgeschneiderte Konzepte, die Körper und Stoffwechsel entlasten und die Regeneration fördern. Dabei kombiniert sie fundierte Ernährungsstrategien mit individueller Begleitung, um den Betroffenen Stabilität und neue Energie im Alltag zu geben.

Gemeinsam für mehr Lebensqualität

Ob durch gezieltes Training oder angepasste Ernährung – beide Ansätze greifen ineinander. Marks und Rehmet zeigen aber auf, dass Long-COVID-Betroffene von einem interdisziplinären Blick profitieren: Bewegung stärkt Körper und Kreislauf, Ernährung unterstützt den Stoffwechsel und die Energieversorgung. Gemeinsam eröffnen sie Wege, die Erkrankung besser zu bewältigen und die eigene Lebensqualität zurückzugewinnen.

Das Symposium richtet sich in erster Linie an Long-COVID-Erkrankte, die sich bis zum 11. Oktober unter lcs2023[at]t-online[dot]de anmelden können. Unterstützung erhält die Selbsthilfegruppe von der Stadt Kelkheim.

Long COVID bezeichnet anhaltende Beschwerden, die nach einer Infektion mit dem Coronavirus über mehrere Wochen, Monate oder Jahre bestehen bleiben können. Betroffen sind nicht nur Menschen mit schweren Verläufen, sondern auch solche, die zunächst nur leichte Symptome hatten. Besonders häufig treten eine ausgeprägte Erschöpfung, Atemnot, Husten, Kopf- und Muskelschmerzen sowie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, oft als „Brain Fog“ beschrieben, auf. Auch Herz-Kreislauf-Beschwerden, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen gehören zu den typischen Begleiterscheinungen.

Für die Betroffenen bedeutet Long COVID eine erhebliche Einschränkung im Alltag und im Berufsleben. Viele sind nur eingeschränkt belastbar und benötigen über lange Zeiträume hinweg medizinische Betreuung, Rehabilitationsmaßnahmen und soziale Unterstützung. Die Krankheit stellt damit nicht nur eine individuelle, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung dar.



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