Die Maxime: Die Welt für Frauen besser machen

Setzen sich für die berufliche Förderung von Frauen ein (hintere Reihe v. l.): Kirsten Walther, Kreisbeigeordnete Katrin Hechler, Sabine Baukal, Astrid Jeffrey, Gabriele Möhlke und Julia Lichtenstein. Foto: Hochtaunuskreis

Hochtaunus (nl). „Meine sehr geehrten Damen und...“, ups! Die Sozialdezernentin des Hochtaunuskreises, Katrin Hechler, schlägt sich kurz erschrocken die Hand vor den Mund. Beinahe wäre es ihr so ganz automatisch herausgerutscht, das: „Meine Damen und Herren“. Doch an diesem Morgen sitzen am runden Tisch ausschließlich Damen. Und das macht Sinn. Denn es wird ein brennendes gesellschaftliches Thema angesprochen: Auch noch im 21. Jahrhundert sind von der Akademikerin bis zur Zahnarzthelferin aufgrund von Familienzeiten oder anderer Umstände Frauen existenziell benachteiligt. Das ist zumeist darin begründet, dass sie sich um ihr soziales Umfeld kümmern und sich weitaus mehr dafür verantwortlich fühlen als ihre Ehemänner oder als Männer im Allgemeinen.

Sind die Kinder aus dem Haus, beginnt häufig eine wirtschaftliche Abwärtsspirale, mit der die mitunter gut ausgebildeten Frauen nicht gerechnet haben. Im mittleren Alter erleben sie, dass die Codes, mit denen man seinen beruflichen Alltag bestreitet, andere sind, als die, die sie aus ihrem häuslichen Umfeld kennen. Das Selbstbewusstsein oder auch das Selbstverständnis müssen sich dann erst wieder ganz neu definieren. Realistisch betrachtet ist es keine leichte Herausforderung, einen Arbeitgeber zu finden, der auf eine Frau wartet, die möglicherweise länger als zehn oder mehr Jahre keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgekommen ist. Was tun? Und da kommen dann die Damen am runden Tisch ins Spiel, denen die Frauenförderung viel bedeutet.

Ein Extra-Budget, das der Kreis für die Grundsicherung für Arbeitssuchende im Rahmen des Projekts „Berufliche Frauenförderung im Hochtaunuskreis“ zur Verfügung stellt, setzt die Sozialdezernentin für zwei Projekte ein. Eines davon ist die finanzielle Unterstützung des Vereins „Social Business: Women“. Vor rund 30 Jahren gegründet hat sich die Initiatorin, Gabriele Möhlke, die Gleichberechtigung von Frauen in der männlich dominierten Arbeitswelt auf ihre eigene Karrierefahne geschrieben. Sie berät zusammen mit ihrem Team Frauen, die entweder den Wiedereinstieg, die berufliche Neuorientierung suchen oder sich selbständig machen wollen. Mit Hilfe von Mikro- oder Bildungskrediten, Coaching und einer fachfraulichen Begleitung schafft sie dafür optimale Voraussetzungen. Trotz Corona-Ausnahmezustand ist es „Social Business: Women“ gelungen, seit Januar 2020 noch 43 Workshops zu realisieren, die von Themen wie dem Selbstmanagement bis zur profunden Anleitung für die Existenzgründung reichen.

Seit 2011 hat „Social Business: Women“ 4000 Frauen erreicht, die hier Unterstützung gefunden haben. Und dieser Erfolg stimmt optimistisch. Wie Gabriele Möhlke es auf den Punkt bringt, habe die Corona-Pandemie Frauen um etwa 30 Jahre in der Emanzipation zurückgeworfen, was die Hausarbeitsverteilung angeht. Das Arbeiten im Homeoffice und die eingeschränkten Möglichkeiten der Kinderbetreuung bringe die Frauen sozusagen zurück an den Herd. Wie wichtig scheint da doch das Bewusstsein der Frauenförderung in einer sich zurückentwickelnden Gesellschaft beim Blick auf diese Ungerechtigkeit.

„Social Business: Women“ arbeite sehr effizient, wie Geschäftsführerin Julia Lichtenstein erklärte. Nur etwa zehn Prozent der Frauen, die beim Verein Hilfe suchen, gelingt es nicht, ihre berufliche Situation positiv zu verändern – eine marginale Zahl. Hingegen sehen sich nach acht Jahren noch rund 70 Prozent der Frauen, die ihren Erfolg in der Selbständigkeit suchten, an ihrem beruflichen Ziel dauerhaft angelangt.

Zudem zeigt die statistische Auswertung der Integrationsbemühungen von Migranten im Kreis, wie wichtig auch hierbei der Blick auf die Frauen ist. Den möglichst hürdenfreien Spracherwerb sieht Katrin Hechler dabei als eine Art Generalschlüssel, damit es gelingen könne, sich als Frau mit Migrationshintergrund einer Gesellschaft zugehörig fühlen zu können. Häufig scheitere dies aber daran, dass Migrantinnen mit der Betreuung ihrer Kinder ans Haus gebunden seien und dadurch gezwungenermaßen isoliert lebten. Hier Lösungen zu finden, ist eines der Toppziele in der bereits erfolgreich laufenden Integrationspolitik des Kreises. Gabriele Möhlke bringt es mit ihrer Maxime auf den Punkt: „Ich wollte die Welt für Frauen besser machen.“



X