Ein Schinken für die letzte Reise: „Lieber Moppes hab Dank“

Das Band von Liebe, Treue und Verbundenheit zwischen Mensch und Tier bleibt über den Tod hinaus bestehen und zeigt sich in der liebevollen Pflege der Tiergräber. Fotos: js

Hochtaunus (js). Moona und Tips liegen hier, Minki der Streuner, die Katze Twiggy, der edle Hund Sharif. Bei Püppi, Mausi, Boomer und Racker im Gemeinschaftsgrab darf man rätseln, um welche Art Haustiere es sich dabei handelte. Allen gemeinsam ist, dass liebende Menschen ihnen eine letzte Ruhestätte verschafft haben. In einem kleinen Wäldchen im Gonzenheimer Feld, zwischen Autobahn und Hochtaunus-Kliniken, verbirgt sich Deutschlands zweitältester Tierfriedhof.

Sharif ist gut ausgerüstet auf seine letzte Reise gegangen. Im gesegneten Hundealter von 14 Menschenjahren hat der englische Terrier der Rasse, die auch die Königin so liebt, sie angetreten. Eingehüllt in seine geliebte Kuscheldecke, versorgt mit einem ordentlichen Schinken, begleitet von Fotos all derer, die ihn liebten und mit ein paar Euro. „Für den Fährmann, wenn er ihn da unten trifft“, sagt sein einstiges Herrchen aus Frankfurt, der auch zehn Jahre nach Sharifs Tod immer noch regelmäßig zur Grabpflege in Bad Homburg vorbeischaut. Bevor das schlichte, mit einer 30 Zentimeter hohen Hecke umgebene Grab zugeschaufelt wurde, hat er damals doch noch „ein paar Mark“ dazugelegt. Falls der Fährmann noch keine Euros annimmt. Wahre Liebe ist umsichtig.

Tierfreunde sind treu. Die meisten jedenfalls. Viele Grabstellen haben die zehnjährige Laufzeit, die am stets offenen Eingang zum Friedhofsgelände in den Regeln der „Ruhestätte für Haustiere“ annonciert wird, schon lange überschritten, verwahrlost ist der Friedhof aber keineswegs. Verströmt allenfalls ein wenig morbiden Charme, der gut zu ihm passt. Schon Ende Juli weht der Wind Blätter von den Bäumen, das Rauschen der A 661 im Hintergrund kann er nicht übertönen. Für die Besucher stehen Bänke in respektvollem Abstand zwischen den Bäumen, die das bescheidene Geviert mit einfachem Gatterzaun rahmen, der Kiesboden auf den nicht ganz so akkurat abgegrenzten Wegen wie auf vielen anderen Friedhöfen knirscht unter den Füßen. Der Sound der Autobahn verwischt in der angenehm melancholischen Stimmung, die schon nach wenigen Schritten zu spüren ist. Der Tierfriedhof ist ein Ort der Ruhe, eine Oase fast heiterer Melancholie mit vielen liebevoll von Kinderhand geschmückten Gräbern. Mit Windrädchen, Tierfiguren, Osterhäschen und Ostereiern für Hund Rico.

Treue Seelen neben Streunern

Auch „Mieze“ hat stets Gesellschaft, von Hund und Igel, Elefant, Schildkröte, Frosch und ein paar Engeln, die sich vor dem Grabstein tummeln. Es ist ein besonderer Platz zum Trauern für Herrchen und Frauchen. Inschriften und Grabbeigaben offenbaren die tiefe Zuneigung zu den tierischen Gefährten zu deren Lebzeiten. „Unser lieber unvergessener Timmy“ steht da, „Danke für deine Liebe und Treue“ oder „Ewig mein Dackel-Mädchen Dunia“. Blumen schmücken die Gräber, Kerzen und Leuchter, an Weihnachten soll es ein Lichtermeer sein, sagen treue Besucher. „Du wirst immer in unseren Herzen sein“, steht auf Twiggys glänzender anthrazitfarbener Grabplatte mit ihrem gestochenen Antlitz. Twiggy im Katzenhimmel. Ein eher erdgebundenes Leben hat Artgenossin Minki geführt. „Streunen war dein Leben“, das reicht als letzter Gruß. Nach nur drei Jahren endete das Streunerleben, irgendwo weit entfernt vom See mit dem Fährmann.

Erste Hundebeerdigung 1934

Der erste Hund wurde nachweislich 1934 im Gonzenheimer Feld begraben. Zuvor soll es dort eine Abdeckerei für Militärpferde gegeben haben, erzählt Sharifs Herrchen, der sich auch hier und da um einen positiven Gesamteindruck des Friedhofs kümmert, wenn er Muße dazu hat. Hund und Katz und andere Haustiere kamen später, lange Zeit wurden sie im Garten vergraben oder vom Abdecker abgeholt. Mit einer gestiegenen Wertschätzung von Haustieren und dem Wunsch, ihnen einen würdigen Abschied zu bereiten, stieg auch die Zahl der Tierfriedhöfe. Noch bis kurz vor der letzten Jahrhundertwende war der Bad Homburger der einzige in Hessen und einer der wenigen in Deutschland. Inzwischen ist ein gutes Geschäft daraus geworden, statt anonymen Vergraben Einäscherung mit Urnenbeisetzung etwa. Die gibt’s ab 80 Euro, Erdbestattungen kosten in Bad Homburg bis zu 200 Euro, je nach Größe und Gewicht eines Hundes etwa. Um die Bestattung kümmert sich der Verein Tierfriedhof Bad Homburg e.V., Beisetzung von Tieren sowie Grabpflege sind seine Hauptaufgaben.

Die Grabpflege kann man gegen einen Obolus in Auftrag geben, viele Tierfreunde aber kommen selbst, um das Gedenken an ihre Lieblinge zu pflegen. Manche nur schnell zum Gießen der Pflanzen bei der Vorbeifahrt, andere kümmern sich so liebevoll um die kleinen Grabstätten, wie sie sich selbst von den Tieren geliebt gefühlt haben. Das spürt man bei der Hingabe, mit der das Frauchen von „Sita von der heiligen Eiche“ zupft und putzt und recht und wässert. „Sie kannte nur Treue, Liebe, Zurückhaltung, Anstand“, steht untereinander aufgelistet am gewienerten Grabstein des edlen Hundes. „Es waren auch schon welche da, die es protzig mochten“, erzählt Sharifs Herrchen. Die kamen mit 20 Leuten zur Beerdigung und einem evangelischen Pfarrer. Ohne einen Euro oder eine Mark für den Fährmann. Wer Moppes war, wissen nur die, die ihn geliebt haben. Die schlichte Grabinschrift aber sagt allen etwas. „Lieber Moppes hab Dank“.

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