Steinzeittradition mit modernstem Sportgerät

Der Vereinsvorsitzende Bernd Holzhäuser ist stolz: Die Homburger Schützengesellschaft 1390 kann auf eine über 600 Jahre währende Tradition im Sportschießen zurückblicken, wie die Freiheitsscheibe von 1990 zeigt, die Mitglied Peter Reichwein gemalt hat. Foto: a.ber

Hochtaunus (a.ber). Ausschlafen, in Ruhe frühstücken, Zeit mit der Familie verbringen, Aufregendes erleben, das schöne Wetter genießen – kurz gesagt: Sommerferien. Endlich bleibt Zeit für das, was man gerne macht, für Radtouren durch den Taunus, für ausgedehnte Joggingrunden, für einen sommerlichen Tag im Schwimmbad oder eine Partie Minigolf mit Freunden. Unsere Sommerserie „Sportlich durch den Taunus“ zeigt, wo Sport so richtig Spaß macht. Im siebten Teil der Ferienserie geht es um Zielgenauigkeit und eine ruhige Hand.

Vorbei an der Statue von Bismarck: Der Reichskanzler thront am Aufgang zum Freigelände der Bogenschützen am Usinger Weg in Bad Homburg. 1890 hatte er die Homburger Schützengesellschaft 1390 durch seinen Besuch zum 500. Jubiläum beehrt, und auch Kaiser Wilhelm II. hatte Anfang des 20. Jahrhunderts dem Verein einen Pokal gestiftet.

Die lange, traditionsreiche Geschichte des Schützenvereins im Kopf, die mir der Vorsitzende Bernd Holzhäuser gerade erzählt hat, betrete ich das 10 000 Quadratmeter große Wiesengelände der Bogenschützen. Neben einem Gerätehäuschen zieht sich die Startlinie entlang des Grundstücks, von der aus die Bogenschützen die bis zu 70 Meter entfernt stehenden Zielscheiben ins Auge fassen. Bogenwart Günter Petereit öffnet einen sogenannten Basiskoffer: Da liegt das Mittelteil eines Recurve-Bogens, an das er die Wurfarme anbaut, liegen Sehnen und Pfeile, ein Arm- und ein Fingerschutz und der Ständer, in den der Schütze seinen Bogen lehnt. Sorgfältig legt Günter Petereit auch den Brustschutz an, während Uta Gresse, die schon viele Jahre im Bad Homburger Verein schießt, an die Linie tritt, sich kurz konzentriert und dann einen ihrer selbstgebauten Pfeile von der Sehne lässt.

Den Alltag abschalten

Die Konzentration und Zielgerichtetheit auf dem Schießplatz ist an diesem heißen Spätnachmittag mit Händen zu greifen. „Hier kommen von gestressten Angestellten, die Bogenschießen statt Yoga praktizieren, bis zur engagierten Hausfrau und vielen Jugendlichen alle, um sich durch Konzentration zu entspannen“, sagt eine Jugendtrainerin der Schützengesellschaft. „Ich kann hier dadurch, dass ich mich auf das Schießen fokussiere und auf die Abläufe konzentriere, bestens abschalten“, meint Bogenwart Petereit, der dreimal in der Woche auf dem Schießplatz in Kirdorf übt. Eddie Roepke, der seit vier Jahren als Bogenschütze trainiert, kommt nach der Arbeit und schießt ein bis zwei Stunden. „Man braucht Muskelkraft, um 20 Kilogramm über den Rücken zu ziehen, und außerdem viel Erfahrung“, sagt er und legt einen Pfeil aus Carbon mit Metallspitze an, zieht und löst ihn – und trifft eine weit entfernt stehende Scheibe.

Leider hätten viele Menschen ihr Gefühl für den Körper verloren, sagt die Jugendtrainerin. Sie versucht, gemeinsam mit drei anderen lizensierten Trainern, in Schnupperkursen für Jugendliche ab zehn Jahren und Erwachsene den Teilnehmern stückweise dieses Körpergefühl zurückzugeben. Ich merke selbst, dass viel Körperbeherrschung dazugehört, als die Trainerin mir einen leichten Übungsbogen in die Hand gibt: Mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand wird der Bogen gehalten, mit drei Fingern der rechten Hand soll ich die Sehne ziehen, dann noch im richtigen Winkel stehen, aufrechte Haltung, ruhige Arme – das ist gar nicht leicht. Es braucht einige Wochen, um die Körperspannung aufzubauen, drei bis vier Jahre in der Regel, um mit Erfahrung möglichst in den schwarzen Kreis zu treffen. Neben dem Schießen auf Scheiben, wie es die zur Zeit etwa 100 jungen und älteren Bogenschützen der Schützengesellschaft 1390 praktizieren, gibt es auch das sogenannte Feldbogenschießen und das 3D-Schießen auf Gummifiguren im Wald – letztere zwei Disziplinen werden im Hochtaunuskreis aber nur auf einem Feldbogen-Gelände der Usinger Schützen angeboten.

Ein Sport bis ins hohe Alter

Thorsten Weber und Karl Schneider – der erste ein lizensierter B-Trainer, der andere mit 94 Jahren der älteste Bogenschütze des Vereins – gründeten 1984 die Bogenschützenabteilung der Homburger Schützengesellschaft. Sie knüpften damit an eine uralte Tradition aus der Altsteinzeit an: Ist doch der Bogen die älteste eigentliche Schusswaffe für Jagd und Krieg gewesen. „Wir legen heute aber Wert darauf, dass unsere Bogen ebenso wie die im Verein geschossenen Luftpistolen und andere Kalibergewehre nicht als Waffen, sondern als Sportgeräte bezeichnet werden“, sagt der Vorsitzende Bernd Holzhäuser. Der Verein hat zur Zeit etwa 300 Mitglieder, die nach strengen Sicherheitsvorschriften in der Halle das ganze Jahr in den Disziplinen Luftgewehr und Luftpistole, Armbrust, Sportpistolen und großkalibrigen Gewehren sowie im Bogenschießen üben und unterrichtet werden. „Einfach so Herumballern geht hier gar nicht“, so Holzhäuser. Erst ab 18 Jahren darf ein Schütze mit Sportpistolen und großkalibrigen Gewehren üben – begonnen wird immer mit Luftpistole und Luftgewehr.

Dass die Homburger Schützengesellschaft 1390 ein Verein mit viel Erfahrung ist, zeigt auch seine lange Geschichte, die sich in der großen Sammlung von Freiheitsscheiben manifestiert, die im Vereinshaus hängen. Unter der Schirmherrschaft des Brendelschen Rittergeschlechts im Jahr 1390 gegründet, waren die Homburger Schützen, die damals im Burggraben vor der Stadtmauer trainierten, eng mit dem jeweiligen Herrscherhaus verbunden, begleiteten den Ritter auf Reisen und verteidigten das Städtchen Homburg. Die Landgrafen stellten dem Verein später Plätze im heutigen Kurparkgelände zur Verfügung und nach 1850 dann einen Schießplatz in Dornholzhausen. Wer heute das Vereinshaus am Usinger Weg betritt, ist erstaunt über die topmoderne Ausstattung der insgesamt 40 Schießplätze in der Halle, in der auch die Bogenschützen im Winter trainieren können.

Früh übt sich …

Hier werden eigene Wettbewerbe ausgetragen. So findet am 17. August das Freiheits- und Königsschießen statt, am 18. August nehmen die Bogenschützen am sechsten Spaßturnier des BSC Hochtaunus auf dem Bogensportplatz am Brandholz 1 in Neu-Anspach teil. Die jugendlichen Bogenschützen haben Ende Juni gerade erfolgreich die Hessenmeisterschaften der Feldbogenschützen bestritten: Der erst 13-jährige Linus Keicher, der vor gut einem Jahr mit Bogenschießen in der Homburger Schützengesellschaft anfing, war überaus erfolgreich und gewann die Goldmedaille in der Klasse Compound-Bogen. Der Bad Homburger Verein bietet Kindern und Jugendlichen ab zehn Jahren die Möglichkeit, in mindestens zwei Trainingseinheiten wöchentlich den Schießsport zu erlernen. Wer dann wie Eddie Roepke nach vier Jahren des Übens scheinbar so lässig mit dem Langbogen ins Schwarze trifft, der kann sagen: „Es ist Entspannung pur!“

Mit Pfeil und Bogen im Taunus

Sportschießen, wie es verschiedene Vereine im Hochtaunuskreis anbieten, ist mehr als ein Hobby: Es zwingt zur inneren Ruhe und gibt Entspannung. Die Schießsportzentren stehen dabei nicht nur den Leistungsschützen, sondern auch Hobby- und Freizeitschützen zur Verfügung. Insbesondere die Kinder- und Jugendlichen-Abteilungen sind sehr rege und bilden Schützen ab zehn Jahren aus.

Die Homburger Schützengesellschaft 1390 bietet in ihrem Schießsportzentrum am Usinger Weg 100 in Bad Homburg-Kirdorf Bogensport für Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren und Erwachsene an. Montags von 18 bis 20 Uhr ist Jugendtraining der Gruppen 1 und 2, samstags von 9 bis 11 Uhr ist Jugendtraining der Gruppe 3 und von 11 bis 13 Uhr Jugendtraining der Gruppen 1 und 2. Dienstags, mittwochs, donnerstags und samstags ist am Spätnachmittag freies Training für alle Altersstufen. Nähere Informationen im Internet unter www.hsg1390.de oder per E-Mail an info[at]hsg1390[dot]de.

Bogensport Oberursel bietet von April bis Herbst Training für Bogenschützen auf dem Freigelände an der Graf-von-Stauffenbergstraße 1 in Oberursel-Bommersheim an. Trainingszeiten sind montags von 17 bis 20 Uhr . Im Herbst und Winter wird in der Schulsporthalle der Grundschule Weißkirchen trainiert. Kontakt unter Telefon 06171-287152.

Der SC Eintracht Oberursel 1957 ist ein Familienverein mit einer Bogensportabteilung. Wer hereinschnuppern will, kann sich bei Abteilungsleiter Thomas Werner, E-Mail: tekawe[at]t-online[dot]de oder Telefon: 0171-7407342 oder bei Trainerin Rebecca Pfeiffer, E-Mail: pfeiffer.rebecca[at]yahoo[dot]de, melden. Bogen, Pfeile und Schutzkleidung werden vom Verein gestellt. Ein Schnuppertraining kostet für Erwachsene sieben Euro, für Jugendliche 3,50 Euro. Der Parcours ist in einem alten Steinbruch im Taunuswald gelegen.

Der Schützenverein 1422 Usingen bietet für Bogenschützen neben der Disziplin Feldbogenschießen auch das 3D-Bogenschießen an, das auf einem Waldparcours stattfindet. Das Vereinshaus steht in der Straße „Am Steinhöhlchen“ in Usingen. Kontakt unter Telefon 06081-15678.

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