Vom Suchen und Finden des Glücks auf Keltenpfaden

Startpunkt bei geführten Wanderungen ist die Brücke über die Kanonenstraße am Taunus-Informationszentrum mit buntem Bildverweis auf Heidetränk-Oppidum und Keltenrundweg.

Hochtaunus (js). Müssen es wirklich immer Strand und Meer, Berge und Schluchten sein? Ferien zu Hause können mindestens ebenso spannend und aufregend, erholsam und entspannend oder beeindruckend und bildend sein wie weite Reisen in ferne Länder. Wer diese Erfahrung nicht schon längst gemacht hat, wird vielleicht von Corona dazu genötigt, die nähere Umgebung zu entdecken – und wird überrascht sein, was die Heimat alles zu bieten hat. In einer kleinen Serie wollen wir beleuchten, was „Mein schönster Ferientag“ sein könnte. Im zweiten Teil blicken wir auf dem Keltenrundwanderweg tief in die Taunus-Geschichte.

Ein guter Tag, mal wieder bei den Kelten vorbeizuschauen. Auf den Taunushöhen oberhalb der Hohemark zwischen Goldgrube und Altkönig, links und rechts der „Kanonenstraße“, auf der es die Karawane der motorisierten Tagestouristen meist nach ganz oben zieht. Wir aber sind zu Fuß unterwegs, wollen die Spuren nachzeichnen, die das legendäre Volk der Kelten dort oben mit Blick auf die weite Mainebene hinterlassen hat. Tausende sollen dort gelebt haben in ihrer letzten Blütezeit um das Jahr 150 vor Christus, wie im Wimmelbuch für Kinder muss man sich das wohl vorstellen. So weit weg dieses Bild, so nah, wenn man es schafft, sich in diese Zeit zurückzuträumen. In eine Zeit, als noch Bären und Wölfe, Luchse und sogar Elche durch den Taunus streiften. Und umherstreifendes Volk eher von diesen als von wildbunten behelmten Mountainbikern erschreckt wurde.

Das erste „Fernrohr in die Vergangenheit“ steht immer noch direkt hinter der Brücke über die „Kanonenstraße“ am Taunus-Informationszentrum. Wo ein inzwischen angewittertes Mauerbild die Richtung zum Heidetränk-Oppidum weist, der einstigen Keltenstadt auf den Höhen bei der Goldgrube.

Zu Recht hatte der sechsjährige Samuel damals gefragt, warum das Fernrohr so weit oben in den zwischen Steinen eingerammten Baumstamm eingelassen ist. Hier und auch an allen weiteren Stationen musste der Junge hochgehoben werden, um die Kelten-Vergangenheit in 3D erleben zu können. Jetzt ist er 14, muss nicht mehr hochgehoben werden. Jetzt ist das Fernrohr an Station 1 auf dem Keltenrundwanderweg abgeklebt und „wegen Instandsetzungsarbeiten außer Betrieb“. So ein Pech. Auch die Stelen mit Informationen zum Leben in alten Zeiten und ein paar „Datenbalken“ stehen schief und wirken nicht mehr frisch, aber das hat auch einen gewissen Charme auf der Suche nach Erinnerung. Jetzt bereits in der Vorstadt der Keltensiedlung, die vielleicht Artaunon hieß. Aber wirklich Genaues dazu weiß man nicht.

Die Reste alter Wälle und Hohlwege erkennen nur Archäologen auf den ersten Blick. Ebenso das Podium, auf dem vor über 2000 Jahren vielleicht ein schmuckes keltisches Wohnhaus gestanden haben mag. Vom mutmaßlichen Leben der Bewohner wird auf 16 Tafeln entlang des Keltenrundwanderwegs dreisprachig erzählt. Doch für einen wissenschaftlich-archäologisch angelegten Lehrpfad, den Profis vielleicht spannend finden, interessieren sich Familien mit erlebnishungrigen Kindern im virtuellen Event-Zeitalter kaum.

Entsprechend gechillt ist die Lage im Wald, auf dem „erlebnispädagogisch aufgewerteten“ ungefähr 4,3 Kilometer langen Rundweg mit 160 zu bewältigenden Höhenmetern im Zeichen des stilisierten Kopfes eines Kelten geht es auch an Wochenenden ziemlich ruhig zu. Gut für Fantasien und Traumwelten, im rauschenden Blätterwald, die Nadelbäume sind ja fast alle vom Borkenkäfer zerfressen, lässt sich die Keltenwelt ohne allzu viele Menschen viel besser imaginieren. Einzelne Fernrohre, die gerade nicht instandgesetzt werden müssen, bieten Verstärkerwirkung.

Bald 20 Jahre ist es nun schon her, dass die politische Prominenz des Landes mit der Wissenschaftsministerin an der Spitze das einzige „Keltendorf mit U-Bahn-Anschluss“ an der Hohemark gefeiert hat. Der Kelten-Hype war auf dem ersten Höhepunkt, die Ausgrabungen am Glauberg beförderten das Tempo, Oberursel wollte mit eigenen Pfunden mitwuchern. Hätte am liebsten ein ganzes rekonstruiertes Keltendorf gebaut, um dem Taunus-Tourismus eine goldene Zeit zu bescheren. Allein das Geld fehlte stets, der rechte Platz und letztlich auch Wille und Weg.

Der Keltenrundweg aber ist geblieben, und er bietet noch heute die Chance, sich ein Bild zu machen vom Treiben auf den Taunushöhen in den Tagen, als noch keine Bankentürme am Main wuchsen und die Kelten von der U-Bahn nur geträumt haben mögen, wenn sie dem Met zu sehr zugesprochen hatten. Und da, im Morgendunst plötzlich die Silhouetten von Luchs, Bär und Elch am Wegesrand. Von Künstlerhand aus rostigem Stahl geformt, wie eine Erinnerung aus der Zukunft, heulend mit den Wölfen mit zum Himmel gerichteten Köpfen.

Wie unglaublich viel Steine und Holz die Kelten verbraucht haben, um ihre Stadt auf den Hügeln des „Monte Tauno“ mit einem Wall zu umgeben, erklärt Station 3 mit der Nachbildung eines kleinen Stückes „Stadtmauer“. Vier Meter hohe Pfähle, vier Meter tiefe Wand mit quer liegenden Bäumen und das Ganze verfüllt mit Steinen und Erde. 100 000 Kubikmeter Stein, mehr als 10 000 Bäume für vier Kilometer Ringwall – das sind beeindruckende Zahlen, die durch das greifbare Wallstück eher verständlich werden als durch eine reine Schrifttafel. Wenn man Glück hat, trifft man hier auf Dumnorix im Keltengewand. Wenn der Frühling kommt, schlüpft der Kelten-Experte Oliver Mehler vom Verein „Ursellis Historica“ ins keltische Leinenhemd, zieht Wollhose und Ledersandalen an, bindet Umhang und Gürtel mit Werkzeug, Essmesser und Beutel für die kleinen wichtigen Dinge des Lebens um. Manchmal ist auch seine keltische Gefährtin Angelika im roten Leinenkleid dabei, wenn Dumnorix mit interessiertem Volk im Gefolge durch die Wälder streift. Und abgesehen von historischen Hintergründen auch schöne Märchen und Mythen erzählen kann. Geschichten „vom Suchen und Finden des Glücks“ nennt er sie gerne, und es ist schön, ihnen zu lauschen, am Steilhang der Goldgrube, wo der Blick durchs Fernrohr auf das virtuelle Südost-Zangentor fällt, ein typisches Element der spätkeltischen Befestigungskultur. Oder auf einem Baumstumpf mit Blick ins Tal. Geschichten von der „schönsten Frau im grasgrünen Kleid, der Königin auf milchweißem Pferd, die aus dem Feenland angeritten kommt“ oder die vom Superstier, der „50 Kühe an einem Tag bespringt, die schon am nächsten Tag kalben“. 50 Kinder spielen auf seinem Rücken und 100 Krieger finden in seinem Schatten Platz.

Kahlschlag am Zwischenwall unterhalb des nachgebauten Verbrennungsplatzes für die Toten an Station 8, wo es um den noch immer rätselhaften Totenkult der Kelten geht. Der giftige Fingerhut hat sich dort rasend schnell breit gemacht zwischen den Baumstümpfen, wirft atemberaubende Farbwelten ins Grün. Mittendrin, mit aktuellem Keltenblick auf die Mainebene zwei Sitzbänke mit Aussicht für eine Zwischenrast. Essen und Trinken muss man dabeihaben, nix Pizza, Burger oder Döner hier oben. Futter gibt’s nur bei Abstechern zur Saalburg oder zum Herzberg oder am Ende des Weges bei „Waldtraut“ im Tal.

Aber erst nach dem schulischen Teil der Erlebnispädagogik. Um „Fragen an die Kelten“ geht es da. War das Wildschwein wirklich so wichtig? Konntet ihr lesen und schreiben? Wie habt ihr geschlafen? Und ganz wichtig: Mussten eure Kinder mitarbeiten? Ob die richtige Antwort im lebendigen Geschichtsunterricht angekommen ist, kann nach Aufklappen der Antworttafeln überprüft werden.

Der Keltenrundwanderweg beginnt am Taunus-Informationszentrum (TIZ) gegenüber der Endstation der U3 an der Hohemark. Dort gibt es auch einen großen Parkplatz für Autos und jede Menge Abstellplätze für Fahrräder. Der Weg zu den Kelten führt über 4,3 Kilometer und 160 Höhenmeter ausschließlich rechts der „Kanonenstraße“ im Bereich Goldgrube. Auf der anderen Seite entlang der Alten Höfe und der Weißen Mauer in Richtung Altkönig ist weitere Spurensuche auf Keltenpfaden möglich, allerdings ohne Führungselemente. Drei Stunden sollten für die Wanderung eingeplant werden, festes Schuhwerk macht sich dabei gut.

Das Taunus-Informationszentrum ist von Mai bis Ende Oktober Dienstag bis Freitag von 10 bis 16 Uhr, Samstag und Sonntag und meist auch an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Im Winter sind die Öffnungszeiten verkürzt. Kontakt über Telefon 06171-50780 oder per E-Mail an ti[at]taunus[dot]info. Aufgrund der Corona-Pandemie ist derzeit nur der Eingangsbereich zugänglich, dort gibt es Informationen über den Taunus in Hülle und Fülle. Führungen über den Keltenpfad und zum Heidetränk-Oppidum bietet die städtische Tourismus-Abteilung bis Oktober mindestens einmal monatlich an. Da die Teilnehmerzahl aber derzeit begrenzt ist, werden weitere Führungen angeboten, die nächste am Samstag, 11. Juli, mit Start um 14 Uhr am TIZ.

Voranmeldung ist zwingend, für die aktuelle Führung aber nur noch bis heute möglich. Entweder per Telefon (06171-502232) oder per E-Mail an tourismus[at]oberursel[dot]de Mehr über die Kelten gibt es im Internet unter www.verein-keltenwelten.de und im Vortaunusmuseum am Marktplatz, Telefon 06171-581434, www.vortaunusmuseum.de. Öffnungszeiten: Mittwoch 10 bis 17 Uhr, Samstag 10 bis 16 Uhr, Sonntag 14 bis 17 Uhr.

Vor allem für Kinder und Jugendliche wartet nach der anstrengenden Wanderung über die Keltenpfade das Freizeitrestaurant „Waldtraut“ am Ziel mit Speis und Trank und einer Kletterwand zum Bouldern ohne Sicherung auf. Geklettert werden darf täglich von 9 bis 22 Uhr. Das Restaurant ist ab 9.30 Uhr geöffnet, Tischreservierungen unter Telefon 06171-2846691 oder per E-Mail an info[at]das-waltraut[dot]de. Wer außer Kelten auch Kunst mag, kann sich am Anblick von David Nashs Skulptur „Black Column“ erfreuen. Die sechs Meter hohe, achtfach gegliederte Säule aus einem kalifornischen Redwood-Stamm des weltberühmten englischen Künstlers steht seit 2011 in einem Teil des Waldtraut-Biergartens.

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