Zehn Jahre Demenzforum im Hochtaunuskreis

Hochtaunus (ny). Die Demenzerkrankung, in der Gesellschaft vor allem mit der Alzheimerdemenz gleichgesetzt, ist ein Schreckgespenst für jeden. Die meisten Menschen wollen davon nichts hören und nichts damit zu tun haben. Doch verantwortungsbewusste Mediziner und andere Fachleute versuchen nach Möglichkeit, die Öffentlichkeit und vor allem Angehörige über das veränderte Verhalten ihrer Verwandten aufzuklären.

Beim zehnjährigen Jubiläum nach der Gründung des Demenzforums im Hochtaunuskreis sprach Dr. Bernhard Kleineidam, Neurologe und Psychiater, über „Alzheimer & Co.“. Der Arzt Alois Alsheimer in der Städtischen Nervenklinik Frankfurt stellte 1888 bei einer 51-jährigen Patientin Symptome fest, die er „Krankheit des Vergessens“ nannte. Den Begriff „Demenz“ gab es noch nicht. Es wurde angenommen, es sei „Gedächtnisschwäche“ oder auch „mangelnder Geist“. Heute wird von herabgesetzter Intelligenz und fortschreitendem Verlust geistiger Fähigkeiten gesprochen. „Intelligenz ist, was man mit einem Test feststellen kann!“ Aber es gehört das „autobiographische Gedächtnis“ für Geisteskraft und Alltagsbewältigung sowie auch Sprache dazu. Außerdem sind Selbstwertgefühl und Ich-Gefühl entscheidend.

Das autobiographische Gedächtnis befindet sich im Hippocampus, der mit allen Teilen des Gehirns vernetzt ist. Dr. Kleineidam deutete auf verschiedene Stellen seines Kopfes, wo sich der Bereich für Gefühle und auch besonderes Wissen befinden. Bei der frontotemporalen Demenz treten Störungen auf, die mit Entscheidungen zu tun haben. Dann fällt auf, dass der Erkrankte Dinge macht, die nicht zu seinem Charakter passen. Die häufige vaskuläre Demenz kommt von Stoffwechselstörungen und ist altersabhängig. Durch Durchblutungsstörungen sterben Zellen ab. Wie man Demenz Einhalt gebieten kann, wurde in großen Studien untersucht. Sie wurden aber als erfolglos abgebrochen. Das Thema ist medizinisch und sozial schwierig.

Der Referent berichtete weiter über seine Erfahrungen als Sachverständiger für Gutachten für die AG Betreuung beim Gericht. Er besucht Familien und überlegt, wer leide mehr, der Erkrankte oder seine Familie? An einem Beispiel erläuterte er, wie die erbliche Demenz schon sehr früh im Kindesalter beginnt. Welche Probleme dadurch auftreten, darüber machen sich alle Demenzforen Gedanken. Was ist zu tun? Wenn in einem bestimmten Alter das Gedächtnis nachlässt, der Name oder Begriff aber nach einigen Minuten wieder auftaucht, ist das keine Demenz. Dr. Kleineidam appellierte an die Zuhörer, sich gegen falsche Behauptungen in der Umgebung zu wehren. Als Vorschlag, einer Demenz entgegenzuwirken, rief er auf, sich mehr zu bewegen, zu tanzen, zu laufen und mit allem Maß zu halten. Ein oft verkanntes Hobby ist Musik: Gesang und vielleicht sogar einmal eine Partitur anzusehen, kann Spaß machen. Eine große Rolle spielt die Ernährung. Der Referent erklärte nachdrücklich: „Eine völlig vegane Ernährung ist absolut falsch. Dann fehlt dem Körper Vitamin B12, und dieser Mangel führt zu Demenz. Kontrollierter Fleischkonsum ist für das Gehirn nicht schädlich.“ Abschließend sagte Dr. Kleineidam: „Angst vor Demenz ist Angst vor dem Sterben.“ Er zitierte dann das Gedicht von Rainer Maria Rilke „Herbst“, das mit den Worten schließt: „...Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“

In der Diskussion mit Teilnehmern aus dem gesamten Hochtaunuskreis erklärte Dr. Kleineidam, das Gehirn kann man nicht dopen, dem Zellenabbau entgegenzuwirken, ist nicht möglich. Schon in seinem Studium erfuhr er, dass bereits im dritten Lebensjahr des Menschen Zellen abzusterben beginnen. Für den informativen Vortrag erhielt Dr. Kleineidam Dank.

Die Geschichte des Demenzforums begann schon einige Jahre vor der Gründung, und die Entwicklung der Hilfsangebote waren wichtige Informationen für die Zuhörer. Michaele Scherenberg, zertifizierte Märchenerzählerin und bekannt aus dem Fernsehen, verzauberte die zuhörenden Menschen mit Geschichten von ihren Erlebnissen mit demenziell Erkrankten. Sie sagte: „Mein Haupthandwerkszeug ist mein Herz“, zeigte aber dann eine Klangschale, die sie zart anschlug, und jeder hörte den Ton im Raum ganz langsam entschwinden. Sie holte ein Klanginstrument mit Glasstäben, die sie – im Kreis herumgehend – ebenso berührte und zum sanften Klingen brachte. Mit einem Märchen von einem König, der an Schwermut litt und durch seinen Freund geheilt wurde, beendete sie ihren Auftritt, der mit viel Beifall belohnt wurde.

Neurologe Dr. Bernhard Kleineidam spricht über „Alzheimer & Co“. Foto: ny



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