Steinbach (stw). Das Motto „Liebe für Alle – Hass für Keinen“ stand über dem Jubiläumsempfang, zu dem die Steinbacher Ahmadiyya-Gemeinde ins Bürgerhaus eingeladen hatte. Anlass war der Beginn der Missionstätigkeit der islamischen Reformgemeinschaft in Deutschland vor 100 Jahren mit der Grundsteinlegung für die erste Ahmadiyya-Moschee 1923 in Berlin.
Doch auch die Steinbacher Gemeinde, die zudem für Kronberg und Oberursel zuständig ist, hatte ein rundes Jubiläum zu begehen. Sie feierte ihr 20-jähriges Bestehen. Gegründet wurde sie 2003 in Oberursel und umfasst heute insgesamt 151 Mitglieder. Dazu zählen 96 Erwachsene, davon 71 Frauen sowie 45 Jugendliche.
Viel lokale Prominenz war unter den etwa sechzig Gästen des Empfangs. Zu den Gratulanten gehörten Vertreter der namhaften Religionsgemeinschaften und den örtlichen Parteien. Eine große Wanderausstellung über die Geschichte der Ahmadis in Deutschland umrahmte die Feier. Bürgermeister Steffen Bonk und die Sozialdezernentin des Hochtaunus -
kreises, Kreisbeigeordnete Katrin Hechler, hoben in ihrer Laudatio die Bedeutung des Engagements der Ahmadiyyagemeinden für die Integration und Wertschätzung von Angehörigen muslimischer Religionen für die Stadt und den Kreis hervor. Für die evangelische St.-Georgs-Gemeinde sprach Pfarrer Herbert Lüdtke, für die katholische St.-Bonifatius-Gemeinde Pastoralreferent Christof Reusch sowie für die jüdische Gemeinde, Manfred de Vries. Sie lobten die Bereitschaft der Ahmadiyya-Gemeinde zum Dialog mit allen Religionsgemeinschaften. Aus der Stadtpolitik hielten Dr. Jörg Odewald für Bündnis 90/Die Grünen, Kai Hilbig für die FDP, Jens Riemer für die SPD und Christian Breitsprecher für die CDU eine Rede.
Der Vize-Bundesvorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland, Hasanat Ahmad, selbst Steinbacher, bedankte sich für den Zuspruch, besonders für die Bereitschaft der evangelischen und katholischen Gemeinde, ihre Kirchenräume kostenlos als Gebetsstätten zur Verfügung zu stellen, und der Stadt für die Überlassung von Bürgerhaus und Altkönig-Sporthalle für diverse Aktivitäten. Er deutete an, dass die Gemeinde froh wäre, in Steinbach eines Tages über eigene Gebetsräume zur verfügen.
Die sich selbst als Reformgemeinschaft verstehende Ahmadiyya Muslim Jamaat entstand Ende des 19. Jahrhunderts um ihren Gründer Mirza Masoor Ahmad im indischen Qadian und breitete sich danach zunächst besonders im heutigen Pakistan aus. Neben Koran und anderen Schriften des Islam haben vor allem die Schriften des Gründers, der sich als der verheißene Messias aller großen Religionen verstand, große Bedeutung. An der Spitze steht ein Kalif, der seit 1984 in London residiert. Die Gründung und das schnelle Wachstum von Ahmadiyya waren stets von der Verfolgung und Verdrängung durch andere islamische Gemeinschaften begleitet.
Während der nationalsozialistischen Zeit mussten die Ahmadis ihre Arbeit in Deutschland praktisch einstellen und konnten sie erst danach fortsetzen. Eine große Hilfe bei der Integration leisteten zwei Alt-68er aus dem Frankfurter Raum, der heutige Bundesvorsitzende Abdullah Uwe Wagishauser aus Groß-Gerau und der 2011 verstorbene Schriftsteller Hadayatullah Paul Gerhard Hübsch, der in Oberursel sein Abitur machte.
In Deutschland gehören der Organisation nach eigenen Angaben mehr als 52 000 Muslime an, die in 220 Gemeinden organisiert sind. Zwei davon, in Usingen und Steinbach, gibt es im Hochtaunuskreis, in Usingen auch eine Moschee. In Hessen und Hamburg hat die Religionsgemeinschaft öffentlich-rechtlichen Charakter und ist damit den christlichen Kirchen und jüdischen Gemeinden gleichgestellt.
Nach Angaben des Steinbacher Vorsitzenden Navid Ahmed verdanken die Ahmadis ihre Ansiedlung in Steinbach der Toleranz der Stadtgesellschaft und der Kirchen. Unter den öffentlichen Aktivitäten seiner Gemeinde nannte er beispielhaft die Reinigungsaktion am Neujahrstag, das Mitwirken bei Stadtfesten, Teilnahme an Blutspendeaktionen, Obdachlosenspeisung, Teilnahme am interreligiösen Friedensgebet in der Oberurseler Hospitalkirche, aktive Hilfe bei der Flutkatastrophe an der Ahr. Der Imam und Theologe Sarfraz Khan, zuständig für die AMJ-Gemeinden im Taunus, leitete die Gebete. Der Theologe Habib-ur-Rehman Nasir moderierte die Veranstaltung.
Höhepunkt des Empfangs war der feierliche Anschnitt einer Torte zum 100-jährigen Jubiläum. Beim reichhaltigen Büfett gab es Speisen indisch-pakistanischer Herkunft und zum Nachtisch für alle ein Stück Torte.