Chor feiert weihnachtliche Auferstehung

Der Kirchenchor der St.-Georgs-Gemeinde gibt vor dem Gemeindehaus in der Untergasse zur großen Freude der Gottesdienstbesucher ein Platzkonzert unter der Leitung von Malte Bechtold. Foto: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Sechs Wochen lang wurde fleißig geübt und das Ergebnis am dritten Advent präsentiert. Die evangelische St.-Georgs-Gemeinde und ihr Kirchenchor waren beim Gottesdienst vergangenen Sonntag im Gemeindehaus wieder vereint. Der Auftritt passte zur Losung „Singt dem Herrn ein neues Lied“. Die Gemeinde durfte wegen der Pandemie nicht, aber der Chor trat im Freien und im Foyer fünfmal in Erscheinung und wurde mit viel Beifall bedacht. Auch Chorleiter Malte Bechtold war restlos zufrieden.

Um 10 Uhr bildeten knapp 20 Chormitglieder einen Halbkreis um den Dirigenten und stimmten vor dem Kreuz neben der Eingangstür „Es ist ein Ros’ entsprungen“ an. Die Gemeinde hatte die 63 Sitzplätze verlassen und kam ebenfalls nach draußen. Es war ein besonderer Moment, als der Gottesdienst nach beinahe zweijähriger Abstinenz wieder vom Kirchenchor begleitet wurde. „Mit der Musik hat uns Gott ein wunderbares Geschenk gemacht,“ befand Pfarrer Herbert Lüdtke. Doch wegen der Pandemie wurde dem Herrn lange Zeit kein neues Lied gesungen, und die Botschaft aus dem Psalm 96 konnte nicht beherzigt werden.

Drinnen brannten drei weiße Kerzen am stattlichen Adventskranz, der rote Bühnenvorhang war zugezogen, der Pfarrer stand am schwarzen Pult und begann die Plauderrunde mit der Frage: „Brauchen wir Kirchenmusik?“ Die Antwort lieferten drei Mitglieder des Kirchenchors. Sie haben keine Zweifel. Barbara Köhler, Annette Linhard und Johannes Widdascheck berichteten von dem erhabenen Gefühl, uralte Kirchenlieder zu singen, sprachen von der Lebensfreude, die der Chorgesang spende, betonten den emotionalen Effekt generell. Die Musik wecke Friedensgefühle und entfalte Bindungswirkung in der Gemeinde. „Sie drückt das aus, was nicht gesagt werden kann,“ zitierte Pfarrer Lüdtke Victor Hugo, den großen französischen Literaten.

Die Sprache der Musik wird in der ganzen Welt verstanden. Ein Paradebeispiel ist der Choral „Herbei oh ihr Gläubigen“ („Adeste Fideles“), den der Chor auch in Latein und Englisch sang und damit zweifelsohne für den emotionalen Höhepunkt des Gottesdienstes sorgte. Für Malte Bechtold, der im Frühjahr 2019 den Dirigentenstab übernommen hat, und seine vierstimmig aufgestellte Chorgemeinschaft war es eine Wiederauferstehung. Als Corona im März vergangenen Jahres ausbrach, stand der Chor vor der Aufführung seines bis dahin größten Projekts, der „Deutschen Messe“ von Franz Schubert. Fragmente waren im diesjährigen Videogottesdienst an Ostern zu hören. Etliche Chöre seien wegen der von der Pandemie verordneten Enthaltsamkeit „kaputtgegangen“, wie es Lüdtke formulierte. In St. Georg blieben zwei Dutzend Sänger, 17 Frauen und sieben Männer, dank regelmäßiger Übungsabende im Netz beieinander. Motiviert auch durch den Gottesdiensttermin, für den seit Anfang November geprobt wurde, und beeinflusst vom Enthusiasmus des 25 Jahre alten Chorleiters, der nach dem Musikexamen nunmehr an einer Hanauer Schule unterrichtet.

Bechtold liebt die Heroen der Kirchenmusik, hat die Aufführung einer Bach-Cantate im Sinn, steht aber auch für „Diversität“ und ist Kompositionen der Neuzeit ebenfalls zugeneigt. Mitte Januar wird die Präsenz-Übungsstunde im Gemeindehaus fortgesetzt und der Chorleiter kann sich vorstellen, Gospels ins Repertoire zu übernehmen und auch mal im Bürgerhaus ein Konzert zu geben. Durch eine solche Öffnung hofft er, Mitglieder aus jüngeren Familien zu gewinnen, die der Chor gut gebrauchen kann.



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