Ein Deutschkurs besonderer Güte

Dilek Güngör unterrichtet im Deutschkurs, der im Bürgerhaus stattfindet. Foto: HB.

Steinbach (HB). Im Bürgerhaus ist wegen Corona eigentlich nichts los – mit einer Ausnahme. Vier Tage in der Woche werden die Räume im ersten Stock für einen Deutschkurs von besonderer Güte genutzt. Dann treten die Lehrerinnen Dilek Güngör und Semra Bayir an die weiße Tafel und geben Stichwörter vor. An diesem Nachmittag, als Bürgermeister Steffen Bonk mit Hauptamtsleiter Sebastian Köhler vorbeischaut, erläutern sie den Unterschied zwischen Lebenslauf und Steckbrief. Mitte des Monats wird sich zeigen, wie gut die 19 Frauen mit Migrationshintergrund das „Lernprojekt Prectus – Sprache & Bildung“ absolviert haben, wenn ihnen die Volkshochschule (VHS) Hochtaunus in Oberursel bei der Abschlussprüfung auf den Zahn fühlt. Die Leiterinnen sind sicher, dass sich das Ergebnis sehen lassen kann.

Sprachkurse hat die Flüchtlingshilfe Steinbach seit fünf Jahren im Programm. Vor einem Jahr schaltete sich der Bürgermeister ein und verabredete mit Güngör, Lehrerin an der Kronberger Altkönigschule, aus Steinbach und der Oberurseler VHS-Dozentin Bayir eine Kooperation, die in einem 300-Stunden-Kurs mündete. Die Stadt stellte das Bürgerhaus kostenlos zur Verfügung, beantragte beim Land die Fördergelder und lässt die Pädagoginnen nach einem Konzept unterrichten, das nach sechs Monaten ein Sprachniveau garantiert, das ausreicht, um in alltäglichen Lebenslagen klar zu kommen. Voraussetzung für die Aufnahme in den Kurs war ein positives Ergebnis bei der „Sprachstandfeststellung“, einer Standortbestimmung in Deutsch, die eine Handvoll Bewerberinnen nicht bestanden hat.

Lerntempo und individuelle Förderung basieren auf kleinen Gruppen von weniger als zehn Frauen, die in Steinbach wohnen. Im Bürgerhaus sitzen Flüchtlinge aus Marokko, Algerien, Tunesien, Eritrea, der Türkei und Pakistan, die allesamt ein Aufenthaltsrecht haben und in der Gesellschaft vorankommen wollen. Einige haben in ihren Heimatländern Hochschulexamen gemacht. Sie sind dabei, mit Deutsch ihre nach Englisch und Französisch dritte Fremdsprache zu lernen. Vor diesem Hintergrund klingt es gar nicht überheblich, wenn die Lehrerinnen von einer „Eliteklasse“ sprechen. Sechs Frauen haben bereits bekundet, nach bestandener Prüfung mit einem B2-Kurs weiterzumachen und damit das Tor zur Arbeitswelt aufzustoßen.

Die seit Sommer laufenden Kurse gelten als Erfolgsmodell auf dem Weg zur Eingliederung. Auf der Grundlage „integrativen Lernens“ können die Schülerinnen ihr Wissen sogleich in der Praxis überprüfen. Wer beim Abschlusstest durchfällt, darf noch einmal antreten. Zu dem Kooperationsprojekt gehört auch eine Kinderbetreuung während der Kurszeiten durch qualifizierte Erzieherinnen.



X