Die Herren auf dem Bürgermeistersessel

Das Redaktionsteam, hier vor der Projektionswand mit dem Titelblatt, hat vielbeachtete Arbeit geleistet (v. l.): Gloria Recht, Manfred Büchner, Ottie Büchner, Ilse Tesch, Helga Riedel, Hans-Jürgen Riechmann und Heide Margraf. Foto: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach.
Das Werk ist vollendet. Nach einem Vorlauf von bald zehn JahrenBürgerhaus13. Auflage der Steinbacher Blätter präsentiert. Sie ist den sieben Bürgermeistern1945 bis 2018 im Amt waren. Die Nachkriegschronikverschlafenen Dorfes, aus demeine stolze Stadt wurde. Das vom Geschichtsverein herausgegebene Buch ist das Vermächtnis der 90-jährigen Ilse Tesch. Sie hat es geschrieben und den Druck der ersten 100 Bücher mit 3500 Euro aus eigener Taschefinanziert.

Die Anfänge der Buchidee reichen bis 2012 zurück, alssechs Amtsträger im Rathaus mit einer Bildergalerie gewürdigt wurden und die Mediennach Kurzporträts verlangten. Adressatin war Ilse Tesch, damals Vorsitzende des Geschichtsvereins, eine Lehrerin, die 25 Jahre an der Steinbacher Schule unterrichtete. In ihr reifte der Gedanke, die Bürgermeisterära ausführlich zu schildern und als Buch zu veröffentlichen. Für das Quellenstudium wurden massenhaft Akten aus dem Rathauskeller geholt,zahllose Zeitungsartikel gesichtet und Gespräche mit Zeitzeugen geführt. Ursprünglich stand die Amtszeit von Stefan Naas nicht auf der Agenda, doch nachdem der FDP-Mann, der eigentlich bis 2021 gewählt war, drei Jahre früher in den Landtag wechselte, musste Ilse Tesch den Buchumfang erweitern. Nachdem sie den Vereinsvorsitz niedergelegt hatte, konnte sie sich ab 2018auf das Buchprojekt konzentrieren – unterstützt von einem sechsköpfigen Redaktionsteam, das sie bereits bei früheren Publikationen unterstützt hatte.

Als die Autorin die Protagonisten im Bürgerhaus vorstellte und das Kapitel mit Peter Frosch aufschlug, saßen Witwe Barbara und Tochter Anja Hohmann in der erster Reihe des mit zwölf Achter-Tischen bestuhlten Saals. Der Christdemokrat war das erste von den Bürgern direkt gewählte Stadtoberhaupt. Mit seinem Erfolg in der Stichwahl von 1998 über den SPD-Kandidaten Christoph von der Heyden wurden die Sozialdemokraten bei der Bürgermeisterwahlzum ersten Male geschlagen. Ilse Tesch adelte den Wahlsieger mit dem Titel „Bürgermeister der Menschlichkeit.“Seine Vereinsnähe sorgte dafür, dass der Geschichtsverein das Archiv im Keller des Backhauses einrichtenund der GesangvereinFrohsinn einen Flügel erwerben konnte. In seiner bis 2009 dauernden Amtszeit wurde das Bürgerbüro im Rathaus eröffnet, die EDV eingeführt und mit dem Bau der neuen Grundschule begonnen. Tochter Anja erinnert sich, dass der Vater im Gasthaus immer wieder mit dem Standardsatz, „Ich hab’ mal eine Frage“, angesprochen wurde und stetsfreundlich reagiert habe, weshalb er auch „Stadtvater zum Anfassen“ genannt wurde. Peter Frosch ist 2020 im Alter von 79 Jahren gestorben. Er liegt auf dem Frankfurter Südfriedhof.

Die Ahnenreihe der heimischen Bürgermeister beginnt 1946 mit FranzStapzinski, der alsKPD-Mitgliedvon den Amerikanern eingesetzt wurde, die ihn für politisch zuverlässig hielten. Seine Amtszeit dauerte bis Ende März 1946 und schloss die erste Gemeindevertreterwahl ein, bei der die SPD sechs von sieben Sitzen gewann. Er bekommt den Titel „Verwalter des Mangels“, während Nachfolger Kaspar Braunroth (SPD) “Wassermann“ genannt wird,weil in seiner Amtszeit mit dem Bau der Wasserleitung begonnen wurde.

Heinrich Adolf Molitor war der erste hauptamtliche Bürgermeister. Er geht als „Vater der Flüchtlinge“ in die Annalen ein, denn er vollzog den ersten Spatenstich für die Siedlung am Hessenring, in der Heimatvertriebene eine Bleibe fanden. Nach seinem Abschiedbegann 1962 die 30 Jahre währende Ära von Walter Herbst, in der Steinbach das Stadtrecht bekam und mit mehr als 10 000 Einwohnern so groß wurde, wie es heute noch ist. Wohnhochhäuser kündeten vom Aufstieg der Stadt, der Sportpark und das Hallenbad am Wald-rand wurden zu Symbolen des Fortschritts. Das Bürgerhaus markierte die neue Mitte. Walter Herbst, 2019kurz vor seinem 90. Geburtstag gestorben, füllt 30 von 139 Seiten des Buchs. Bei Edgar Parnet (1992 bis 1998) sind es 14, bei Stefan Naas, in dessen Amtszeit der Wiederaufbau des abgebrannten Bürgerhauses und das Entwicklungsprojekt „Soziale Stadt“ fallen, sind es54 Seiten.

Lars Knobloch wäre ein Bürgermeister der Herzen geworden. Doch er ist bei Krone Fisch unabkömmlich. Der FDP-Vorsitzende hat als kommissarischer Bürgermeister einen Platz in dem Buch gefunden. Auch der amtierende Bürgermeister Steffen Bonk ist vertreten. Über ihn liest man mehr, wenn die Geschichte der Stadtoberhäupter irgendwann fortgeschrieben wird. Möglicherweise durch Kai Hilbig, der seit 2018 den Geschichtsverein führt.

!Die 13. Ausgabe der Steinbacher Blätter, die Geschichte dersieben Bürgermeister von 1945 bis 2018, kann in der Geschäftsstelle des Vereins für Geschichte und Heimatkunde in der Niederhöchststädter Straße 14 bestellt werden. Das Buch kostet 30 Euro.

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