Im Kanu einmal um die ganze Welt

Hans Windecker zeigt sich beim Trockentraining vor der Garageneinfahrt hoch über dem Steinbach. Foto: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Vor Jahren hatte er die Idee, den Bürgermeister zum Kanu-Wettstreit auf dem Weiher herauszufordern. Doch daraus wurde nichts, denn Stefan Naas sitzt nicht mehr im Rathaus, sondern im hessischen Landtag. Für einen passionierten Paddler ist der Tümpel auch kein geeignetes Revier. Hans Windecker ist auf Langstrecken geeicht und hat mittlerweile die Erde einmal umrundet. Nicht wirklich, aber wenn er die Kilometer zusammenrechnet, die er auf Flüssen zurückgelegt hat, dann entspricht das Ergebnis dem Erdumfang. Es sind sogar mehr als 40 000 Kilometer.

In diesem Frühjahr kam einiges zusammen. Windecker feierte zunächst seinen 80. Geburtstag. Einige Wochen später jährte sich seine allererste Donautour zum 50. Mal. Eigentlich wollte er an diese Zeit erinnern und wenigstens einen Teil der Strecke abpaddeln. Doch Corona hat ihm die Tour vermasselt – zunächst einmal, denn dieses Thema ist für ihn noch nicht erledigt. „Ich habe die Donau im Kopf.“

Er kann die Bilder von 1970 abrufen, als wäre die erste Donautour gestern gewesen, als er sich gemeinsam mit 150 Kanufreunden in Ingolstadt „einschiffte“. Obwohl blutiger Anfänger, traute er sich die Strapazen der 2000 Kilometer langen Strecke zu. Aber längst nicht alles lief rund. Um Haaresbreite wäre er bereits in Passau von einem Patroullienboot des Grenzschutzes gerammt worden. In der Wachau verwandelte ein Unwetter die Donau in einen reißenden Strom. In Wien verpasste er die Anlegestelle zum Campingplatz. Kurz vor dem Ziel kenterte dann auch noch sein Boot und bulgarische Helfer mussten ihm an Land helfen. Zu denen hat er noch heute freundschaftlichen Kontakt.

Paddeln gegen Heuschnupfen

Zwei Jahre davor war er zum ersten Mal auf eine Tagestour gegangen. Von Mainz nach Rüdesheim wollte er auf dem Rhein herausfinden, ob ihn der Heuschnupfen auch auf dem Wasser plagt. Er tat es nicht, und Windecker wusste, er hatte „seinen“ Sport gefunden. Damals war die kurze Strecke für den Neuling bereits eine Herausforderung. Später paddelte er bis zu 80 Kilometer am Tag, bei bis zu acht Kilometern im Stundenmittel. Rennkanuten können darüber nur müde Lächeln, doch zu denen wollte der gelernte Uhrmacher nie gehören.

Windecker sitzt auf dem Balkon seines Hauses oberhalb der Steinbachaue und spricht von dem Hochwasser, das irgendwann einmal bis in seinen Garten schwappte. Er legt einen Stapel Fahrtenbücher auf den Tisch – neun Hefte, die Chronik einer jahrezehntelangen Wanderschaft mit dem Einsitzer, immer wieder in Begleitung seiner Ehefrau Monika, Übungsleiterin bei der Turn-und Spielvereinigung, der er allen Respekt zollt. Mittlerweile hat der Träger des goldenen Verbandsabzeichens weit über 100 Flusstouren absolviert. Darunter Wildwasserpassagen auf der bayerischen Loisach, in der französischen Ardecheschlucht. Er ist auf die Insel Hiddensee gepaddelt und hat 2001 die abenteuerlichste aller Touren auf dem Colorado River im Grand Canyon bei 50 Grad Luft- und sechs Grad Wassertemparatur überstanden. In den Stromschnellen ging auch der Routinier im Neo- prenanzug baden. Das war einer der weit über 1000 Ausflüge, die Windecker in 52 Jahren auf dem Wasser unternommen hat.

Er will noch etliche Jahre dranhängen, und bei seiner Vitalität glaubt man ihm das gerne. Dennoch wird sein Wunsch, den Ärmelkanal von Calais nach Dover zu überqueren, vermutlich nicht in Erfüllung gehen – er findet einfach keinen Partner.

„Kofferraum“ im Bug

Unter dem Dach seines Carports hängen acht Kunststoffboote. Er braucht zum Abhängen keine Hilfe, stellt das Kanu auf dem Pflaster vor der Tür ab und zeigt den geräumigen Bug vor, in dem er bis zu 50 Kilogramm Ausrüstung verstaut, die er auf Langstrecken benötigt. Zur Ausstattung gehören Schlafsack und Zelt, Freizeitkleidung, Kochgeschirr und Lebensmittel aus der Dose. Der Kanuwanderer ist Selbstversorger. Seit die Vereinsanlage im Frankfurter Gutleutviertel geschlossen wurde, kann er die Kanuflotte nicht mehr im Bootshaus parken. Wenn er losfährt, schnallt er die Boote aufs Autodach. Zuletzt war ein Zeltplatz an Saale-Unstrut das Ziel.

Der in seiner Nachbarschaft wohnende Sohn teilt die Kanu-Passion seiner Eltern nicht. Er betreibt den japanischen Schwertkampf als Hobby. Doch einen Neffen hat der Onkel mittlerweile im Schlepptau. Er gibt den Staffelstab weiter, und das motiviert bestimmt.

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